Kommt die Inflation zurück?
Liebe Leserinnen und Leser,
wir haben im vergangenen Monat ein Dutzend Jahresausblicke von Banken und Vermögensverwaltern virtuell besucht. Die Quintessenz ist eindeutig: In diesem Jahr rechnen die Auguren mit einer massiven Konjunkturerholung. Das wirft die spannende Frage auf: Steigen dann auch die Inflationsraten? Und wird das die Notenbanken zwingen, früher als erwartet auf die Bremse zu treten?
Welch ein Sprung! Lange war die Inflation für tot erklärt worden. Im Januar kletterte der Verbraucherpreisindex im Jahresvergleich in der Eurozone auf 1,4 Prozent und in Deutschland auf 1,6 Prozent. Was passiert da?
Die Experten erklären dies vor allem durch technische Faktoren und verweisen auf die Wiederanpassung der zeitweise reduzierten Mehrwertsteuer nach oben sowie die Einführung einer CO-2-Abgabe.
Warum dieses Thema so wichtig ist? Das dominierende Narrativ an den Kapitalmärkten lautet: Niedrige Inflationsraten, niedrige Zinsen und anhaltende extreme Unterstützung durch die Notenbanken. Nur dann lassen sich hohe Bewertungen an den Aktienmärkten rechtfertigen. Würden nun die Inflationsraten deutlich steigen und die Notenbanken ihre Strategie ändern, hätten die Märkte ein Problem. Deshalb hat uns besonders interessiert, welche Entwicklung der Inflationsrate die Ökonomen für den Rest des Jahres prognostizieren und wie deren Meinung nach die Notenbanken reagieren werden.
Kurzfristig scheint die Sache ziemlich klar: Die Inflationsrate wird weiter steigen.
Carsten Klude, Chef-Volkswirt M.M. Warburg & Co, weist darauf hin, dass die Ölpreise derzeit etwa doppelt so hoch liegen wie im Frühjahr 2020. Spätestens im April werde sich dies in der Jahresveränderungsrate der Preise zeigen. Das Inflationsziel der EZB – zwei Prozent – könnte dann überschritten werden. Für den Kapitalmarkt sei das aber kein Thema, vermutet Klude weiter, da die Notenbanken sich ja an der sogenannten Kernrate der Inflation orientieren. Und bei dieser Berechnungsweise werden Ölpreise wie auch Nahrungsmittelpreise herausgerechnet.
So richtig spannend wird es dann im Sommer. „In der Pandemie gingen Anbieter verloren. Gleichzeitig haben die Menschen haben viel Geld gespart. Läuft nun das viele Geld einem geschrumpften Angebot hinterher, sorgt das tendenziell für steigende Preise“, erklärt Georg von Wallwitz, Eyb & Wallwitz.
Die entscheidende Frage lautet nun: Ist dies der Beginn einer längeren Phase viel höherer Inflationsraten oder nur ein temporärer Anstieg?
Die Mehrheit den Ökonomen ist sich da einig: Die höheren Inflationsraten im Sommer stellen nur eine Art Buckel dar, die Welt bewegt sich nicht in Richtung gefährlich hoher Inflationsraten. César Perez Ruiz, CIO Pictet, verweist auf das große Output-Gap – die Lücke zwischen tatsächlicher und möglicher Produktion, die sich in der Krise aufgetan habe und die nun erst wieder gefüllt werden müsse, bevor Preisdruck entstehe. Und Holger Schmieding, Chef-Ökonom bei Berenberg, führt ins Feld, dass Haushalte und Unternehmen bei Konsum und Investition noch länger vorsichtiger bleiben würden als in der Vergangenheit. Zudem drückten die hohen Arbeitslosenquoten auf Löhne und Preise.
Auf die zweite Frage, wie sich die Notenbanken bei höheren Inflationsraten verhalten dürften, haben die Ökonomen ebenfalls eine klare Antwort. „Sie werden sagen: ,Das freut uns. Und sie werden versichern, dass sie ihre Politik fortsetzen und die Leitzinsen niedrig halten, damit der Aufschwung weiterlaufen kann“, skizziert Holger Schmieding. Er ergänzt: „Sollten die Renditen von Anleihen am Kapitalmarkt trotzdem steigen, werden die Notenbanken dagegen angehen.“ „Ich glaube, sie wollen die Wirtschaft jetzt heiß laufen lassen“, meint Jim Cielinski, Janus Henderson.
Das Fazit: Die Inflationsraten werden 2021 zwar steigen, aber die Notenbanken dürften dies als Erfolg ihrer Politik verkaufen und sogar ein deutliches Überschreiten des Zwei-Prozent-Zieles tolerieren, ohne an ihrer ultra-expansiven Geldpolitik etwas zu ändern. Die US-Notenbank FED hat dies ja längst offiziell angekündigt. Und auch die EZB wird so verfahren. „Ich vertraue den Notenbanken“, schließt Cielinski.
Worin liegt Überraschungspotenzial? Kommt es wirklich erstmals seit vielen Jahren zu dem von allen erwarteten, weltweiten synchronen Konjunkturaufschwung im zweiten Halbjahr, könnten die Inflationserwartungen noch zu niedrig sein. Und da die Notenbanken selbst bei stärker steigenden Preisen stillhalten dürften, würden die Realzinsen – also die Zinsen abzüglich der Inflationsrate – im Jahr 2021 negativer werden, als viele heute erwarten. Was dies alles für die Kapitalanlage bedeutet, lesen Sie am Wochenende.
Herzlichst,
Ihr
Klaus Meitinger
Hinweis: Trotz sorgfältiger Auswahl der Quellen kann für die Richtigkeit des Inhalts keine Haftung übernommen werden. Die in private wealth gemachten Angaben dienen der Unterrichtung und sind keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren.