Der Preis für CO2 wird steigen – Investoren profitieren.
Wie viel ist die Natur wert? Diese Frage stellte private wealth in der Ausgabe 01/19. Damals ging Analyst Lawson Steele von der Berenberg Bank davon aus, dass die Nachfrage nach Verschmutzungsrechte das Angebot künftig deutlich übersteigen werde. Und dass deshalb der Preis für ein CO2-Zertifikat stark ansteigen müsse. In den vergangenen Monaten ist der Preis für CO2 allerdings gefallen. Für Investoren könnte dies eine Gelegenheit sein.
Dass der Ausbau der alternativen Energien voranschreitet, ist eine gute Nachricht. Laut der Analyse ‚The European Power Sector in 2019‘ von Agora Energiewende und Sandbag kletterte der Anteil regenerativer Energieerzeugung am Strom-Mix in der Europäischen Union (EU) im vergangenen Jahr um 1,8 Prozentpunkte auf 34,6 Prozent. Damit gingen die Kohlendioxidemissionen des Stromsektors zurück – und zwar nach ersten Schätzungen um 120 Millionen Tonnen.
Weniger Kohlendioxidemissionen bedeutet auch, dass die Industrie weniger CO2-Zertifikate benötigt. Da der EU-Emissionshandel darauf beruht, dass die erfassten Unternehmen für jede Tonne emittiertes CO2 ein Zertifikat kaufen müssen und es nur eine begrenzte Menge an neuen Zertifikaten pro Jahr gibt, ist der Rückgang der Emissionen keine gute Nachricht für Anleger, die in CO2-Zertifikaten investiert sind.
Außerdem verunsichert der Brexit. Nachdem Großbritannien die EU verlassen hat, steht nun die Befürchtung im Raum, dass die britischen Firmen ihre Rechte auf den Markt werfen werden. Kein Wunder, dass der Preis für ein CO2-Zertifikat zuletzt von 25,60 Euro auf knapp 23 Euro zurückging.
Dass derart niedrige Preise von Dauer sein werden oder deren Notierung langfristig gar noch weiter fällt, hält Berenberg-Analyst Lawson Steele allerdings für unwahrscheinlich. Im Gegenteil: Mehr denn je ist er davon überzeugt, dass der Preis für CO2 massiv steigen werde. Und an dieser Aussage, so sagte er auf Nachfrage, ändere auch die aktuelle CO2-Einsparung des EU-Stromsektors nicht. Denn trotzdem werde es künftig ein massives Defizit an Zertifikaten geben.
Steeles wichtigstes Argument: Bei einem Preis von rund 23 Euro ist der Anreiz für Industrieunternehmen gering, von Kohle auf das emissionsärmere Gas umzustellen. Tatsächlich würde bei diesem Preisgefüge seiner Schätzung nach nur etwa 29 Prozent des Wechselpotenzials genutzt. Komme es aber nicht zu einem massiveren Wechsel von Kohle zu Gas, werden die EU-Ziele zur Emissionsminderung verfehlt, der Markt für Zertifikate gerät ins Defizit. Die Nachfrage übersteigt das Angebot an Zertifikaten massiv. Allein schon in diesem Jahr, so Steele, brauche die Industrie bei unveränderten Preisen zusätzliche Zertifikate für die Emission von 80 Millionen Tonnen. In den kommenden drei Jahre, rechnet er vor, steige dieses Defizit auf rund 650 Millionen Tonnen an. Bis 2030 wären es sogar schon 1.477 Millionen Tonnen.
Dieses Ungleichgewicht, so Steele, werde letztlich durch höhere Preise für CO2-Zertifikate aufgelöst. Irgendwann würden die Firmen schließlich Verschmutzungsrechte kaufen müssen, um ihre höheren Emissionen zu kompensieren. Gelingt ihnen das nicht, wird für jedes fehlende Zertifikat künftig eine Strafe in Höhe von 108 Euro je ausgestoßener Tonne fällig. Zusätzlich müssen die Verschmutzer dieses nicht vorhandene Zertifikat trotzdem noch im Folgejahr erwerben. Dies dürfte weiteren Aufwärtsdruck auf die Notierungen ausüben.
Steigt der Preis für CO2-Zertifikate nimmt auch der Anreiz zu, von Kohle auf Gas zu wechseln. Das reduziert die Nachfrage nach Verschmutzungsrechten wieder. Bei gleichbleibendem Angebot ergibt sich ein neues Gleichgewicht zu deutlich höheren Preisen
Den Pfad dorthin hat Steele in seiner aktuellen Studie „Carbon: unshaken believe“ skizziert.
Nur bei einem Preis von deutlich über 35 Euro je Zertifikat ist seinen Berechnungen zufolge der finanzielle Anreiz für einen Umstieg von Kohle auf Gas groß genug, um das oben genannte Defizit in diesem Jahr zu vermeiden. Für 2021, wo Steele selbst bei vollständiger Ausschöpfung des Potenzials für den Umstieg auf Gas ein Defizit von 219 Millionen Zertifikaten avisiert, rechnet der Analyst dann mit einem Durchschnittspreis von etwa 65 Euro. In diesem Bereich soll sich der CO2-Preis auch 2022 bewegen. All dies gilt natürlich nur, falls in der Industrie zwischenzeitlich tatsächlich eine CO2-Einsparung analog zu den Zielen der EU-Klimapolitik hinbekommt. Passiert dies nicht, seien auch Notierungen weit jenseits der 65 Euro denkbar.
Ein kurzfristiger Auslöser für einen Preisanstieg könnte zum Beispiel sein, dass die Angst vor Verkäufen von Zertifikaten aus Großbritannien zurück geht. Vom Ausscheiden der Briten aus dem Emissionsmarkt der EU seien schließlich nur netto Emissionsrechte in Höhe von 55 Millionen Tonnen CO2 betroffen. Diese, so Steele, dürften nur langsam und gut verteilt in den Markt fließen. Werde den Marktteilnehmern klar, dass dadurch kein zusätzlicher Preisdruck nach unten entsteht, könnte dies allein schon für eine Kurserholung sorgen.
Ein Aspekt, der noch gar nicht in den Preisen enthalten ist, sei eine mögliche Veränderung der Emissionsziele der Europäischen Union. Steele räumt dieser Entwicklung eine Wahrscheinlichkeit von immerhin 50 Prozent ein. Bislang sollte der Ausstoß an Klimagasen gegenüber 1990 bis 2030 um 40 Prozent reduziert werden. Angesichts der Klimadiskussion könnte dieses Reduktionsziel nun auf 50 bis 55 Prozent steigen. Damit einhergehend wäre dann wohl eine stärkere Verringerung der freien Zuteilung von Verschmutzungsrechten um 15 statt um zehn Prozent im kommenden Jahr. Entsprechend knapper – und teurer – würden CO2-Zertifikate.
How to invest in CO2-Zertifikate
Behält Lawson Steele Recht, dürfte der Preis für ein CO2-Verschmutzungsrecht von aktuell knapp 23 Euro deutlich steigen. Davon können Anleger auf verschiedene Arten profitieren:
- Ein Terminhandel mit CO2-Zertifikaten findet an der European Climate Exchange statt. Dort werden Terminkontrakte – derzeit bis Dezember 2028 gehandelt. Die Liquidität ist allerdings nicht sehr hoch – der Handel selbst den Profis vorbehalten. Interessierte Anleger sollten sich an lizenzierte Banken oder Broker wenden.
- Für interessierte Privatanleger ist der Kauf von unlimitierten Turbo-Optionsscheinen auf CO2-Emissionsrechte möglich. Anbietersind die Commerzbank sowie Morgan Stanley. Der Preis des Wertpapieres errechnet sich aus dem Kurs des CO2-Emissionsrechtes(23,60 Euro) in Euro abzüglich des jeweiligen Basispreises. Dazu kommt in der Regel ein kleines Aufgeld. Um die Finanzierungskosten des Emittenten zu decken, werden Basispreis und Knock-Out-Barriere bei diesem nicht laufzeitbegrenzten Wertpapier regelmäßig erhöht, so dass der Wert des Knock-Outs bei gleichbleibenden Kursen des Basiswertes sinkt.
Je näher dieser Basispreis am aktuellen Kurs des Emissionsrechts liegt, desto größer ist der Hebel des Papiers und desto riskanter ist die Anlage. Um nicht schon bei kurzen Bewegungen des CO2-Preises K.O. zu gehen, ist es ratsam, Papiere mit einem möglichst großen Abstand zu wählen.
Mehr Informationen zum Thema finden Sie unter www.private-wealth.de (Ausgabe 04/17, Die Umwelt wird wertvoller; Ausgabe 01/2019, Heiße Phase).