Die Umwelt wird wertvoller.
Anlageidee. Will Europa seine Klimaziele erreichen, muss es den Markt für CO2-Emissionszertifikate reformieren. Erste Schritte sind eingeleitet. Steigen künftig die Preise für diese Verschmutzungsrechte, profitieren auch Finanzinvestoren.
„Die Ausgangssituation ist tatsächlich brisant“, überlegt Andreas Speer, Senior Rohstoffanalyst bei der Bayerischen Landesbank, „in seiner viel beachteten Rede am 26. September sprach sich der französische Staatspräsident Emmanuel Macron dafür aus, Emissionszertifikate mit einem Mindestpreis zwischen 25 und 30 Euro zu versehen. Kurze Zeit später wurde in den Niederlanden eine Preisspanne zwischen 18 und 20 Euro ins Spiel gebracht. Wissen Sie, was diese Zertifikate heute an der Börse kosten? Weniger als acht Euro.“
Ist das eine einmalige Chance auf 100 oder 200 Prozent Gewinn?
Der Hintergrund: Der Europäische Emissionshandel ist das zentrale klimapolitische Lenkungsinstrument in Europa. Mit seiner Hilfe sollen die Treibhausgasemissionen von Energie- und Industrieanlagen sowie des Luftverkehrs kosteneffizient reduziert werden. Rund 45 Prozent aller europäischen Treibhausgasemissionen sind in den Handel mit einbezogen. Er betrifft etwa 12000 Anlagen wie Kraftwerke, Raffinerien und Stahlwerke.
Der Staat entscheidet, wie viele CO2-Äquivalente jedes Jahr vergeben werden. Die genaue Anzahl hängt vom erwarteten Wirtschaftswachstum und dem angestrebten Reduktionspfad der CO2-Emissionen ab. Diese Zertifikate werden nach einem europaweit festgelegten Schlüssel den Unternehmen zur Verfügung gestellt – kostenlos oder im Rahmen einer Versteigerung.
Einmal im Jahr – immer im April – müssen die Firmen nun für jede tatsächlich emittierte Tonne CO2 eines ihrer „Verschmutzungsrechte“ abgeben. Blasen sie mehr CO2 in die Luft, als sie Rechte zugeteilt bekommen haben, müssen sie zusätzliche Zertifikate am Markt erwerben. „Im Prinzip ist das eine gute Idee“, urteilt Speer, „denn die Emissionsrechte werden so zu einem knappen Gut. Steigt der Preis dafür, entsteht ein Anreiz, mehr in Klimaschutz zu investieren.“
Was sich theoretisch schlüssig anhört, hat in der Praxis allerdings nie richtig funktioniert. Nach dem Start des Emissionshandels im Jahr 2005 wurden zunächst vergleichsweise großzügig Verschmutzungsrechte verteilt – auch, um die Industrie nicht zu sehr zu belasten. „Dann kam die Finanzkrise. Die Konjunktur brach ein und mit ihr ging natürlich auch der CO2-Ausstoß deutlich zurück. Bei der Festlegung der jährlichen Verschmutzungsrechte im Jahr 2005 waren die Wachstumsprognosen noch viel optimistischer gewesen. Deshalb gab es nun einen enormen Zertifikateüberschuss“, erläutert Speer.
Besonders problematisch war, dass nicht benötigte Zertifikate nicht wertlos verfielen. „Sie konnten immer wieder ins nächste Jahr übertragen werden. Und zusätzlich bekamen die Firmen ja auch noch die neuen Rechte. So hat sich der Überschuss in den vergangenen Jahren deutlich aufgebläht. Derzeit liegt dieser bei rund 1,7 Milliarden Zertifikaten.“
Das klimapolitische Lenkinstrument lenkte also nicht. Und der Preis für die Emissionsrechte verfiel von knapp 30 Euro pro Tonne in den Jahren 2005 und 2008 bis auf 2,50 Euro im Jahr 2013. „Da dachten schon einige in der Branche, wir fahren auf null, dann ist der Markt tot“, erinnert sich Speer.
Jetzt werden die Karten allerdings neu gemischt. 2013 begann die Politik, den Handel zu reformieren. Unter anderem wurde die Anzahl der neu ausgegebenen Zertifikate verringert. Außerdem wurde beschlossen, in den Jahren von 2014 bis 2016 900 Millionen Zertifikate zurückzuhalten, die sonst eigentlich auf den Markt gekommen wären.
Das zeigte Wirkung – der Preis der Emissionszertifikate bewegte sich wieder in die Region zwischen vier und sechs Euro. Die Erwartung zusätzlicher politischer Maßnahmen war dann für den jüngsten Preisanstieg in Richtung acht Euro verantwortlich.
Tatsächlich hat die Europäische Kommission Ende Oktober geliefert. „Sie hat sich tatsächlich auf die Einführung einer Stabilitätsreserve geeinigt“, informiert Speer. Übersteigt der Zertifikateüberschuss mehr als 800 Millionen Einheiten, wird ab dem Jahr 2019 alles, was über diese Grenze hinausgeht, in diese Reserve eingestellt. Fällt der Überschuss unter 400 Millionen, werden Zertifikate daraus entnommen und an den Markt gebracht. „Das ist also eine Art Puffer, der verhindern soll, dass die Überschüsse zu groß werden. Der Preisanstieg der letzten Wochen ist dadurch fundamental untermauert.“
Nähme nun auch noch die Mindestpreis-Diskussion Fahrt auf, würde das den Preis der Emissionszertifikate weiter anschieben. „Langfristig führt daran kein Weg vorbei“, meint Speer, „die Vereinten Nationen haben eindringlich gewarnt, die weltweite CO2-Konzentration würde in diesem Jahr so schnell zunehmen wie noch nie. All die ambitionierten Klimaziele werden krachend scheitern, wenn nicht bald wirksame Maßnahmen beschlossen werden. Ein Mindestpreis für die Zertifikate wäre ein solcher Schritt.“
Dass eine solche Maßnahme tatsächlich viel bewirken kann, skizziert der Experte am Beispiel Großbritannien. „Dort liegt der Mindestpreis bei 18 Pfund. Deshalb gibt es ja auch praktisch keine Kohleverstromung mehr auf der Insel. Das lohnt sich angesichts des hohen Zertifikatspreises nicht mehr.“
Auch in Deutschland fragte die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) die Firmen regelmäßig nach dem kritischen Preis für Zertifikate. Ab welchem Niveau würden sie tatsächlich beginnen, in umweltschonendere Energieformen zu investieren? „Da wurden immer Preise zwischen 20 und 25 Euro genannt“, informiert Speer, „wenn es der Politik ernst ist mit dem Klimaschutz, muss sie versuchen, den Preis tatsächlich in diese Regionen zu bringen.“ Vielleicht, so der Experte, helfe dabei ja auch der Konjunkturfaktor. „Aufgrund der guten wirtschaftlichen Entwicklung bekommt der Umweltschutz derzeit tatsächlich wieder eine echte Chance. Das ist ja immer so: Umweltschutz muss man sich leisten können.“
Es gibt noch einen zweiten Zusammenhang zwischen Wachstum und Emission. Wenn die Konjunktur brummt und viel Energie benötigt wird, steigen sukzessive auch die Emissionen und damit die Nachfrage nach Zertifikaten. Interessant ist, dass genau dies heute passiert – just in dem Moment, da der Staat beginnt, das Angebot spürbar zu reduzieren und die Überschüsse abzubauen. „Das wird nicht schnell Wirkung zeigen. Aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass es 2019 zu Knappheiten in bestimmten Bereichen kommen kann. Warum soll der Zertifikatspreis dann nicht auch ohne politische Mindestpreise in die Region um 20 Euro steigen?“ Bezogen auf die aktuellen Notierungen wäre das dann tatsächlich ein Kursanstieg um 150 Prozent.
Für Anleger mit einem breit gefächerten Portfolio ist die Beimischung von Emissionszertifikaten auch aus einem weiteren Grund interessant. Sie bringt einen zusätzlichen Diversifikationseffekt.
Analysten des Investmenthauses Schroders haben unlängst berechnet, dass bei einem Anstieg des Emissionspreises auf 100 Dollar nahezu die Hälfte aller börsennotierten Unternehmen mit Einbußen von mehr als 20 Prozent beim Ertrag rechnen müssten. Ein deutlicher Anstieg der Preise für Verschmutzungsrechte bliebe deshalb wahrscheinlich nicht ohne gravierende Auswirkungen auf die Aktienmärkte. Wer in die Zertifikate investiert, kauft so auch eine Art Versicherung.
„Natürlich kann es immer wieder zu Rückschlägen bei den Preisen für Emissionszertifikate kommen, falls die Politik kurzfristig wieder einmal einknickt“, überlegt Andreas Speer. „Wer dieses Investment aber unter langfristigen Gesichtspunkten sieht, sollte ziemlich gut damit fahren.“
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How to invest in CO2-Emissionszertifikate
Grundsätzlich stehen Investoren zwei Wege für eine direkte Investition in CO2-Emissionsrechte zur Verfügung.
// 01. Terminhandel mit CO2-Zertifikaten:
Dieser findet an der European Climate Exchange statt, einer Tochter der Londoner Future-Börse ICE. Dort werden Terminkontrakte gehandelt. Derzeit werden Dezemberkontrakte bis zum Jahr 2025 verzeichnet, vierteljährlich fällige Kontrakte bis 2020. Die Liquidität ist allerdings in den weiter entfernt liegenden Fälligkeiten nicht sehr hoch. Liquidere Kontrakte mit kürzerer Laufzeit müssen in den jeweils nächsten überführt werden, um ein längerfristiges Engagement darzustellen. Der bis Dezember 2018 laufende Kontrakt (MOZ8) kostet derzeit 7,50 Euro. Eine Handelseinheit umfasst 1000 CO2-Zertifikate. Dies ist auch die geringstmögliche Handelsgröße.
// 02. Zertifikate auf Emissionszertifikate:
Die Commerzbank nutzt die Futures-Kontrakte, um ein unlimitiertes Turbo-Zertifikat anbieten zu können ((WKN: CZ549S). Das Zertifikat spiegelt in etwa die Kursentwicklung der Emissionszertifikate wider. Die Kosten der Konstruktion – Finanzierung und regelmäßige Überführung in die nächste Kontraktlaufzeit – verändern den Basispreis des Turbo-Zertifikats. Dieser liegt aktuell bei 0,35 Cent. Das Zertifikat kostet 7,16 Euro. Es weist also im Vergleich zum Terminhandelspreis einen kleinen Hebel auf.
Die Liquidität ist allerdings auch beim Zertifikat nicht sehr hoch. Bei größeren Orders muss darum vorsichtig disponiert werden.
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Autor: Klaus Meitinger