Erfolgreich Sinnvoll Geld anlegen.
Nachhaltig investieren. Immer mehr Kapital wird künftig nur noch Unternehmen zur Verfügung gestellt, die sich in Sachen ESG – Umwelt, Soziales und Unternehmensführung – vorbildlich verhalten. Oder durch ihr Geschäftsmodell, durch Produkte und Dienstleistungen etwas Positives für unsere Gesellschaft bewirken. Ein Megatrend ist in Fahrt gekommen und wird sich künftig weiter beschleunigen.
In jedem Jahrzehnt lässt sich das Geschehen am Kapitalmarkt mit einer eingängigen Buchstabenkombination beschreiben. Die 2000er gehörten den Schwellenländern – BRIC. In den zehn Jahren danach war Technologie Trumpf – FANG. Und nun beginnt das Zeitalter der Nachhaltigkeit – ESG.
Allein 2020 flossen nach Angaben der Rating-agentur Morningstar in Europa 233 Milliarden Euro in ESG-Fonds – doppelt so viel wie 2019 und fünf Mal mehr als vor fünf Jahren. Das in nachhaltigen Fonds angelegte Vermögen übersprang so erstmals die Marke von einer Billion Euro. Im Vergleich zum Jahr 2010 ist das eine Verzehnfachung.
„Immer mehr Investoren erkennen, dass wir nicht mehr so weiter wirtschaften können wie bisher. Nachhaltigkeit ist ein gesellschaftlicher Trend geworden“, erklärt Stefanie Rath, Fondsmanagerin bei Robeco.
Doch es gibt noch mehr Gründe für diese bemerkenswerte Entwicklung. Das Interesse von Investoren wurde auch durch die herausragende Performance dieser Anlagen geschürt. Nachhaltige Fonds haben zwar schon länger den breiten Markt geschlagen, 2020 beschleunigte sich dies aber noch einmal. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die am stärksten von der Corona-Krise betroffenen Sektoren – Fluggesellschaften, Kreuzfahrt, Energie – in nachhaltigen Fonds grundsätzlich niedrig gewichtet sind. „Trotzdem ist das Narrativ, Nachhaltigkeit und Rendite würden nicht gemeinsam funktionieren, nun endgültig vom Tisch. Statt ,Gutes Gewissen oder gute Performance‘ könnte künftig gelten ,Gutes Gewissen und gute Performance‘“, ist Huub van der Riet, Fondsmanager von NN Investment Partners, überzeugt.
Fakt ist: Die Umgestaltung der Wirtschaft bedarf gewaltiger finanzieller Anstrengungen. Und überall da, wo viel Geld fließt, entstehen auch Ertragschancen und Anlagemöglichkeiten. Die internationale Agentur für erneuerbare Energien schätzt allein den Investitionsbedarf für die Umstellung auf eine nachhaltige, mit dem Zwei-Grad-Ziel kompatible Energieversorgung bis zum Jahr 2030 auf 60 Billionen US-Dollar. Smarte Logistik, smarte Städte, smarte Netze und smarte Landwirtschaft sind die Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft. Hans-Jörg Naumer, Chefstratege bei Allianz Global Investors, spricht deshalb schon von der grünen Welle des Wachstums: „Der Klimawandel ist der finale, unüberhörbare Wake-up-Call für diese ökologische Wahrheit. Der Handlungsdruck, der von ihm ausgeht, wird die Wirtschaft in nahezu allen Bereichen verändern und in eine neue Wachstumsphase führen.“
Noch ein dritter Punkt spielt eine Rolle. Nachhaltiges Investieren bekommt von der Politik massive Unterstützung. Die EU will Druck auf die Unternehmen ausüben, um so ihre Klimaziele zu erreichen. Weil Verbote aber Arbeitsplätze und Wählerstimmen kosten würden, wird nun versucht, über die Bande zu spielen – über den Kapitalmarkt. Zum einen sorgen neue Transparenzvorschriften dafür, dass der Bereich nachhaltige Geldanlagen für den Anleger verständlicher wird. Zum anderen muss künftig jeder Fondskäufer im Beratungsgespräch gefragt werden, ob er sich nicht auch für nachhaltig investierende Fonds interessiert. Das ist natürlich suggestiv, wird aber dazu führen, dass im Ergebnis künftig noch mehr Kapital in diesen Sektor fließt.
Konsequent beschäftigen sich mittlerweile alle Fondsanbieter intensiv mit diesem Thema. Allein im Jahr 2020 kamen laut Morningstar in Europa 505 neue ESG-Fonds an den Markt. Mehr als 250 konventionelle Fonds wurden durch die Aufnahme bindender ESG-Kriterien in den Anlagezielen Richtung „Grün“ umpositioniert.
Weil das Angebot an nachhaltigen Produkten steigt und die Nachfrage der Investoren zunimmt, erhöht sich nun tatsächlich der Druck auf die Unternehmen. Wer sich nicht umstellt, kommt künftig gar nicht – oder nur zu sehr schlechten Konditionen – an Kapital. Der Veränderungsprozess beschleunigt sich weiter.
Für Anleger gibt es grundsätzlich zwei Strategien, um an diesem Trend teilzuhaben. Am weitesten verbreitet sind ESG-Produkte. Dabei geht es vor allem darum, die Risiken zu vermeiden, die aus den Themen Umwelt, Soziales und Governance entstehen. Denn diese haben einen direkten oder indirekten Einfluss auf den Geschäftserfolg. Ein Unternehmen, das Ressourcen verschwendet, seine Angestellten schlecht behandelt und schlecht gemanagt wird, war noch nie eine langfristig gute Investition.
„ESG orientiert sich vor allem am Fußabdruck der Firmen – wie stark sie die Umwelt belasten, wie sie soziale Aspekte beachten und wie gut die Unternehmensführung ist. Es geht darum, möglichst wenig Schaden anzurichten“, erläutert Christian Klein, Professor für Nachhaltige Finanzwirtschaft an der Universität Kassel, „das aktuell größere Thema ist aber Impact Investment – Anlagen in Firmen, deren Produkte und Dienstleistungen dazu beitragen, unsere Welt besser zu machen, spezifische Probleme zu lösen und so den gesamten Fußabdruck der Gesellschaft zu verringern.“
Weil diese Idee so faszinierend ist, findet sie rasant immer mehr Anhänger. Kapital soll tatsächlich etwas bewirken. „Das setzt allerdings voraus, dass wir uns erst einmal ausführlich darüber unterhalten, was Impact bedeutet“, macht Klein klar. „Passiert durch mein Investment wirklich etwas? Oder wäre das auch so geschehen? Und was bedeutet es für die Risiko-Rendite-Konstellation solcher Anlagen: Verändert sich die im Vergleich zu herkömmlichen Anlagen, weil nun Projekte finanziert werden, die vorher nicht finanziert worden wären, weil sie zu riskant oder ihre Rendite zu niedrig schien?“ Die Diskussion darüber, so Klein, werde derzeit nicht ausreichend geführt, „weil alle in Impact-Goldgräberstimmung sind. Wir werden da noch viel mehr machen müssen.“
Grundsätzlich lässt sich festhalten: Impact Investments können breit aufgestellt sein oder sich auf spezielle Aspekte aus dem weiten Feld der nachhaltigen Anlage konzentrieren – zum Beispiel CO2-Neutralität oder Wasser. Und weil die Fondsmanager bei dieser Strategie in der Regel zusätzlich strenge Nachhaltigkeitsfilter verwenden, gelten sie als Spitze der Nachhaltigkeitspyramide – als dunkelgrüne Fonds. Zwei konkrete, spannende Investmentideen stellen die private-wealth-Partner NN Investment Partners und Robeco auf den folgenden Seiten vor. ®
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// Wie Brüssel in Sachen Nachhaltigkeit Druck macht.
Das Fernziel des von der EU-Kommission vorgelegten Aktionsplans für die Fondsindustrie ist klar: Irgendwann soll es eine Kennziffer geben, die genau aufzeigt, wie gut oder wie schlecht die Investments des einzelnen Fonds in Bezug auf die Nachhaltigkeitsziele der EU abschneiden.
Damit dies für Anleger transparent wird, sollen bis Ende 2020 alle Fonds klassifiziert sein. Nicht nachhaltige Fonds werden als Artikel-sechs-Fonds geführt. Unter Artikel acht fallen ESG-Fonds, die in ihrer Anlagestrategie explizit nachhaltige Ziele berücksichtigen – also bestimmte Ausschlüsse definieren und bei der Aktienselektion Nachhaltigkeitsfilter anwenden. Artikel-neun-Fonds sind Impact-Fonds. Sie müssen neben der ESG-Strategie auch Nachhaltigkeitsziele messbar und nachweisbar verfolgen. In der deutschen Umsetzung dieser EU-Vorgabe sollen die Artikel-acht-Fonds mit „E“, Artikel-neun-Fonds mit „I“ gekennzeichnet werden.
Der nächste große regulatorische Schritt ist dann die Umsetzung der sogenannten Taxonomie. Unter diesem Begriff erstellt die EU ein System, an dem sich ablesen lässt, ob und wann bestimmte Geschäftsaktivitäten die Kriterien für ökologisches Wirtschaften erfüllen. So ist Stahlherstellung taxonomiekonform, solange der CO2-Ausstoß unter einer vorgegebenen Grenze liegt. „Fonds müssen dann eine aggregierte Zahl offenlegen: Welchen Anteil hat ein bestimmtes Unternehmen im Depot? Und wie hoch ist dort der Anteil der Aktivitäten, die taxonomiekonform sind? So sollen mit der Zeit die taxonomiekonformen Anteile unterschiedlicher Fonds für Anleger transparent und vergleichbar werden“, erläutert Georg Haumann vom Fondsverband BVI.
Bisher hat die EU in der Taxonomie erst zwei Umweltziele detailliert ausgearbeitet – Verringerung des Klimaerwärmung und Anpassung an den Klimawandel. Die technischen Vorschriften dazu umfassen jetzt schon rund 400 Seiten. In den kommenden Monaten sollen vier weitere Ziele umgesetzt werden. „Und in zwei Jahren will die EU das gesamte ESG-Thema durchtaxonomiert haben“, sagt Christian Klein und folgert: „Der Aufwand ist gigantisch. Da geht es um etwas wirklich Großes. Die Taxonomie wird die Art, wie wir Nachhaltigkeit denken, grundlegend verändern.“
Zum Beispiel könnten die riesigen Summen aus dem Corona-Wiederaufbaufonds unter Berücksichtigung der Taxonomie verteilt werden. Und irgendwann wird es darum gehen, ob ein Unternehmen noch Kredit bei seiner Hausbank bekommt, wenn es bei vielen Aktivitäten eben nicht taxonomiekonform ist. „Ich kann Anlegern nur raten, die EU in diesem Punkt nicht zu unterschätzen und diesen Aspekt bei ihren Investments jetzt schon zu beachten“, informiert Christian Klein.
Eine Frage bleibt allerdings: Kann es wirklich zielführend sein, wenn Bürokraten entscheiden, was zukunftsfähig ist?
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Autor: Klaus Meitinger