Faszinierende PerSPACtiven.
Alternative Anlagen. Jährliche Erträge zwischen zwei und fünf Prozent bei geringem Risiko scheinen in der Nullzinsära unmöglich. SPACs – Special Purpose Acquisition Companies – können, richtig eingesetzt, eine der seltenen Anlagen sein, mit denen dieses Ziel noch zu erreichen ist.
„Wir haben lange nach einem Absolute-Return-Baustein gesucht, der wirklich funktioniert und dabei viele Ideen ausprobiert“, erzählt Oliver Leipholz, Vorstand bei Deutsche Oppenheim Family Office. „Aber die Performance war meist wenig zufriedenstellend. Und im Crashfall lieferten viele dieser Vehikel sogar eine tiefe Enttäuschung. Im Jahr 2008 bin ich dann auf SPACs gestoßen.“
Mittlerweile hat Leipholz schon mehr als 100 SPACs gezeichnet und in den vergangenen Jahren einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag dort investiert. „Seit 2015 erzielten wir in unseren FOS-Fonds mit einer speziellen, ausgeklügelten Strategie im Durchschnitt einen Ertrag in Höhe von sechs bis zehn Prozent bei ganz geringen Schwankungen“, erklärt Leipholz, „das ist schon sehr ungewöhnlich.“
Ein SPAC – Special Purpose Acquisition Company – ist eine Mantelgesellschaft, die zunächst über einen eigenen Börsengang Kapital von Anlegern einsammelt. Dieses Geld muss dann innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums – meist sind es 24 Monate – in die Übernahme eines noch nicht identifizierten Unternehmens investiert werden. Für dieses Unternehmen ebnet der SPAC so schnell und unkompliziert den Weg an die Börse.
Der SPAC selbst wird von einem sogenannten Sponsor aufgelegt, der in der Regel spezielles Branchen-Know-how aufweist und dem deshalb zugetraut werden kann, dass er tatsächlich eine interessante Firma findet. Der Sponsor wird diese Firma dann als Ankerinvestor weiterentwickeln. Er investiert selbst in diese Firma, trägt die Kosten des Börsengangs und führt den SPAC letztlich auch wirtschaftlich.
Nach der Emission wird das eingesammelte Geld zunächst auf ein Treuhandkonto übertragen und dort in US-Staatsanleihen mit kurzer Laufzeit investiert. Ist ein Übernahmekandidat gefunden, schlägt der Sponsor diese Business Combination – das Übernahmeziel soll den Mantel ja übernehmen – seinen Aktionären vor. Die finale Entscheidung, ob die Übernahme zustande kommt, treffen diese auf einer Hauptversammlung. Jeder Aktionär kann dann zustimmen oder die Rückzahlung seines Investments inklusive der mittlerweile allerdings sehr geringen aufgelaufenen Zinsen verlangen. „Ich kann also immer die Reißleine ziehen. Schlimmstenfalls erhalte ich als Investor mein Geld zuzüglich der Zinsen zurück. Dann habe ich zwar fast nichts verdient, aber eben auch kein Risiko gehabt“, erklärt Leipholz.
Findet der SPAC in der vorgegebenen Zeit kein passendes Unternehmen, folgt ebenfalls die Auflösung, und die Aktionäre erhalten das auf dem Treuhandkonto angelegte Geld inklusive Zinsen zurück.
Die Regel ist dies allerdings nicht. Meist ist der Sponsor des SPACs bei der Suche erfolgreich. Und dann wird es spannend für Oliver Leipholz. „Eine Besonderheit des SPACs ist es, dass nicht eine Aktie emittiert wird, sondern eine so genannte Unit. Sie enthält die eigentliche Aktie und ein Optionsrecht zum Bezug der Aktie zu einem höheren Kurs. Dieser wird als Kaufanreiz kostenlos dazugegeben, um die Zeichnung des SPACs attraktiver zu machen“, erklärt der Profi. Nach einigen Tagen kann die Unit in Aktie und Optionsschein getrennt werden. Wer dann den Optionsschein verkauft, hat oft schon einen kleinen Gewinn gemacht.
Bis zur Hauptversammlung notiert die Aktie selbst meist in der Nähe ihres inneren Werts. Dieser entspricht der Höhe des eingezahlten Kapitals – in der Regel sind das zehn Dollar pro Aktie. Schließlich kann der Anleger an der Hauptversammlung ja die Rückzahlung zu diesem Preis plus Zinsen verlangen. „Und weil das Kapital in US-Staatsanleihen mit kurzer Laufzeit geparkt wird, ist das Risiko tatsächlich gering. Europäische Anleger müssen allerdings das Dollar-Risiko beachten und eventuell absichern“, erklärt Leipholz.
Heute sind SPACs ein fest etablierter Teil des Neuemissionsgeschäfts in den USA und machen mittlerweile fast 40 Prozent aller Börsengänge aus. Dabei haben sie zuletzt eine geradezu atemberaubende Entwicklung genommen. „2015 gab es noch 20 Emissionen, die vier Milliarden Dollar eingesammelt haben. Bis Ende Oktober 2020 war es bereits das 15-Fache – 59 Milliarden, verteilt auf 160 Emissionen. 75 weitere SPACs werden auf den Börsengang vorbereitet und sollen noch in diesem Jahr kommen“, informiert Leipholz.
Dieser Erfolg ist auch der Tatsache geschuldet, dass auf diese Art und Weise in den letzten Monaten einige wirklich spektakuläre Börsengänge gelangen. So kletterte die Aktie des Raumfahrtunternehmens Virgin Galactic in der Spitze von zehn auf 43 Dollar. Und der Börsengang des umstrittenen Brennstoffzellen-Start-ups Nikola katapultierte den Kurs des dazugehörenden SPACs von zehn auf 86 Dollar. Dass beide Aktien danach massive Kursverluste hinnehmen mussten und Nikola gar wegen des Verdachts auf Falschinformationen ins Visier der Börsenaufsicht geriet, zeigt die dunkle Seite dieser Investmentstrategie. Das Risiko ist hoch, viel spekulatives Kapital ist dort unterwegs, und die Abkürzung bringt Firmen zu einem Zeitpunkt an die Börse, an dem sie eher ein Ziel für Wagnisfinanzierer sein sollten.
Die längerfristige Statistik bestätigt diejenigen, die SPACs skeptisch gegenüberstehen. Von allen Börsengängen via SPAC notieren mehr als 50 Prozent unter dem Ausgabepreis von zehn US-Dollar. „Das ist allerdings nicht SPAC-spezifisch, sondern grundsätzlich typisch für den Neuemissionsmarkt. Die meisten dieser jungen Unternehmen machen Verluste und haben einen hohen Geldbedarf. Und manche gehen eben pleite“, zuckt Leipholz mit den Schultern und fährt fort: „Aber – und das ist mein wichtigster Punkt – dieses Risiko spielt bei unserer Strategie überhaupt keine Rolle.“
Der Bankier investiert ausdrücklich nicht in den SPAC, um so über Umwege an Anteile junger, aufregender Firmen zu kommen. „Wir zeichnen ganz am Anfang den SPAC. Im Moment der Ankündigung der Business Combination überlegen wir dann schon, wie wir schrittweise wieder verkaufen. Wenn es für die meisten Investoren losgeht, ist es für uns schon vorbei.“
Wie funktioniert das genau? „Zwischen Ankündigung der Business Combination und der Hauptversammlung sehen wir schon die Reaktion des Markts. Am Kursverlauf lässt sich erkennen, ob es sich um eine gute Business Combination handelt. Denn dann steigt der Aktienkurs in der Regel ein paar Prozent. Wenn der Deal sehr gut ankommt, behalten wir manchmal die Optionsrechte und verkaufen nur die Aktie. Sind wir nicht ganz überzeugt, veräußern wir beide Wertpapiere. Unseren Einsatz – die zehn Dollar – nehmen wir aber eigentlich fast immer vom Tisch. Und falls das Zielunternehmen gar nicht gut ankommt, verlangen wir über die Hauptversammlung eben unser Geld zurück.“
No risk, nur fun – wo ist der Haken? „Zunächst einmal ist es aufwendig, ein SPAC-Depot zu führen“, erklärt Leipholz. Weil eine Unit emittiert wird, muss der Anleger den Split in Aktie und Optionsschein über seine Emissionsbank veranlassen. Und er muss bei der Hauptversammlung entscheiden, ob er weiter dabeibleiben oder sein Geld zurückverlangen will.
Die größte Schwierigkeit ist es aber, beim IPO des SPACs an die Stücke zu kommen. „Das ist der Nachteil des aktuellen Booms rund um die SPACs. In diesem heißen Markt haben meist nur Institutionelle, Fonds oder Family Offices eine Chance auf Zuteilung. Wer mit einem klassischen Privatkundendepot versucht zu zeichnen, hat keine guten Karten“, informiert der Experte.
Eine realistische Alternative für Privatinvestoren ist deshalb der Kauf der SPAC-Aktien in der Zeit nach der Emission. „Dabei gilt es allerdings, genau hinzusehen. Bei den Emissionen einiger prominenter Sponsoren, von denen sich Anleger viel versprechen, steigt der Kurs gleich deutlich an. In diesen Fällen wäre ich vorsichtig“, rät Leipholz.
Akzeptabel sei es, 10,10 oder maximal 10,20 Dollar an der Börse für die Unit zu bezahlen, wenn das Sponsorteam in der Vergangenheit schon öfter erfolgreich agiert habe. „Dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie den Markt schon analysiert und ein paar attraktive Kaufkandidaten selektiert haben. Der Charme für Investoren ist dann zwar nicht mehr ganz so groß, weil sie ein oder zwei Prozentpunkte im Risiko sind. Aber das Chance-Risiko-Profil ist immer noch überzeugend.“
Manchmal hilft auch einfach Geduld. Wenn monatelang keine Business Combination angekündigt wird, ermüdet der eine oder andere Zeichner der ersten Stunde oder benötigt schlichtweg Liquidität. „Dann ist es oft möglich, auch wieder zu zehn Dollar zu kaufen.“ Und so hat der aktuelle Boom bei den SPACs für Oliver Leipholz am Ende doch einen positiven Aspekt. „Wir kommen zwar schwerer an die Stücke, haben aber mehr Auswahl und können noch breiter streuen“, erläutert der Profi und schließt: „Ein Portfolio aufzubauen, das im Schnitt über fünf Prozent bei sehr geringem Risiko bringt und zusätzlich die Chance eröffnet, den einen oder anderen zukünftigen Börsenstar zu erwischen, ist schon SPACtakulär.“ ®
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Interessantes SPACtrum.
Das Vehikel eines SPACs eröffnet sowohl dem Initiator, dem Sponsor, als auch dem übernommenen Unternehmen interessante Perspektiven:
Der Sponsor:
Chance: Der Sponsor erhält kostenlose Aktien, sogenannte Sponsorshares. In der Regel werden diese mit der Zusage auf der Hauptversammlung emittiert. Manchmal ist dies auch an das Erreichen bestimmter Kursziele oder operative Zielmarken im Unternehmen gekoppelt. Da Sponsorshares bis zu 20 Prozent des Eigenkapitalanteils der Emission ausmachen können, ist dies für den Sponsor ein lukratives Geschäft. „Investoren sollten immer darauf achten, dass ihre Verwässerung durch die Sponsorshares nicht zu groß wird“, rät Oliver Leipholz.
Risiko: Der Sponsor übernimmt die Kosten des eigenen Börsengangs und der Firmensuche. Sollte die Hauptversammlung nicht für seine Business Combination stimmen, bleibt er auf diesen Kosten sitzen.
Das Unternehmen:
Chance: Börsengänge sind zeitaufwendig und teuer, Dokumente müssen erstellt werden, Aufsichtsbehörden ihr Okay geben. Das dauert. Die Abkürzung über einen SPAC spart dem Unternehmen Zeit und in der Regel auch Geld, da der SPAC bereits börsennotiert ist. Außerdem haben viele Unternehmen in diesem volatilen Marktumfeld Angst, dass der Börsengang vielleicht gar nicht oder nur zu niedrigeren Kursen stattfinden kann. Die Arbeit mit einem SPAC gib dem Unternehmen mehr Planungssicherheit. Und ist für die Gründer oftmals attraktiver als der Verkauf an eine Private-Equity-Gesellschaft. Denn diese will nach fünf Jahren Kasse machen – der SPAC-Sponsor dagegen hat oft ein langfristiges Interesse.
Risiko: Bei einem traditionellen Börsengang kann das Unternehmen in einem günstigen Börsenumfeld unter Umständen einen höheren Preis erzielen, weil es nicht mit einem einzigen gut informierten Kontrahenten – dem SPAC-Sponsor – verhandeln muss.
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Autor: Klaus Meitinger
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