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  • Klaus Meitinger

Das digitale Gold.

(Geschätzte Lesezeit: 4 - 8 Minuten)

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Bitcoin. Angesichts monetärer Verwässerung aller Papierwährungen aufgrund der extrem expansiven Geldpolitik suchen Anleger nach alternativen Wertspeichern. Die erste Wahl ist dabei Gold – bewährt seit Jahrhunderten. Mit dem Bitcoin entsteht nun vielleicht eine weitere Alternative.

Das Unbehagen wächst. De facto betreiben die Notenbanken heute schon direkte Staatsfinanzierung, kritisiert der Lerbacher Kompetenzkreis und befürchtet in Zukunft eine Erodierung der Kaufkraft von Papierwährung. „Die Geschichte zeigt, dass immer jemand die Deutungshoheit über das bestehende Geld an sich reißt und sagt: Aus gewissen Gründen brauchen wir mehr davon“, überlegt David Oyen, von Plettenberg, Conradt & Cie. Family Office. „In dem Moment suchen Menschen nach einem anderen Wertspeicher, der sich nicht beliebig vermehren lässt.“

In der Vergangenheit landeten Vermögende dann fast automatisch bei Gold. Gold hat Bestand und ist nur schwer zu fördern. „Das ist eine Grundvoraussetzung. Wenn es einfacher gewesen wäre, Gold zu schürfen, wäre das Edelmetall nicht als Wertspeicher infrage gekommen und keiner hätte das gelbe Metall gehalten“, erklärt Manuel Andersch, Senior Währungsanalyst der Bayerischen Landesbank. „Letzten Endes hat der Markt also intuitiv das stabilste Element ausgewählt, das er bekommen kann.“

Mittlerweile landen allerdings viele, die über einen Plan B in Sachen Geldsystem nachdenken, auch beim Bitcoin. Sie fragen sich: Ist das digitale Gold vielleicht sogar das bessere Gold?

„Zunächst einmal ist der Bitcoin im Sinne der Physik genauso real wie Gold“, erklärt Andersch. Beim Schürfen danach arbeiten nur statt Bergleuten IT-Ingenieure, statt Baggern Rechenmaschinen und statt Diesel wird Strom verbraucht. Im Vergleich zu Gold habe der Bitcoin aber noch ein paar große Vorteile. „Er ist leichter zu transportieren, viel schneller zu übertragen, und der Staat kann nicht darauf zugreifen. Er weiß ja nicht, wen er ansprechen soll. Der Bitcoin ist keine rechtliche Instanz. Er existiert aufgrund von 10000 Rechenknoten, die weltweit zu einem Netzwerk zusammengeschaltet sind. Regierungen können diese nicht abschalten oder haftbar machen“, erklärt Philipp Sandner, Experte für Kryptowährungen an der Frankfurt School of Finance & Manangement.

Die wichtigste Eigenschaft des Bitcoins ist aber die programmierte Knappheit. Bei Gold wird in einem Jahr mehr, im anderen weniger gefunden. Und die Förderanstrengungen sind zudem vom Goldpreis abhängig. Beim Bitcoin dagegen ist die Entwicklung des Angebots klar vorgezeichnet. Die maximale „Geldmenge“ ist auf knapp 21 Millionen Bitcoins begrenzt. Und das Geldmengenwachstum nimmt in regelmäßigen Abständen drastisch ab.

In den ersten Jahren wurden alle zehn Minuten 50 Bitcoins geschürft. Etwa alle vier Jahre halbiert sich seitdem diese Rate. Erst auf 25. Im nächsten Schritt auf 12,5. Und im letzten Halving am 11. Mai 2020 auf 6,25. „Ein Geniestreich war es dabei, das Angebot vom Kurs des Bitcoins und den Schürfanstrengungen – also der eingesetzten Rechenkraft der Miner – zu entkoppeln. Steigt der Preis oder kommt mehr Rechen­leistung ins System, wird der Schwierigkeitsgrad fürs Schürfen neuer Bitcoins entsprechend nach oben angepasst. Damit wird die angestrebte Ausgabemenge sichergestellt“, erläutert Andersch. 

Garantiert wird dies durch ein weltumspannendes Peer-to-Peer-Netzwerk. Dieses gesamte Netzwerk zu einem neuen Angebotsprofil (sprich Software-Protokoll) zu bewegen, meint Andersch, sei so gut wie unmöglich. 

Die jüngste Halbierung wurde nicht nur in der Bitcoin-Community als Schritt in eine neue Epoche gefeiert. Auch das mediale Interesse war hoch. „Es war wie eine Art Weckruf. Schaut her, die dahinterstehende Idee ist tatsächlich anders als das, was die konventionelle Geldpolitik macht. Es läuft tatsächlich so ab wie programmiert. Damit ist vielen zum ersten Mal klar geworden, dass sich der Bitcoin prinzipiell ebenso gut als Wertspeicher eignet wie Gold“, erläutert Andersch.

Um dies auch wissenschaftlich zu belegen, nutzt der Experte die sogenannte Stock-to-Flow-Analyse. „Im Rohstoffbereich haben wir schon immer darüber nachgedacht, wie sich die Qualität eines monetären Guts greifen lässt, was einen Vermögenswert wirklich ,hart‘ macht. Dabei hat sich das Stock-to-Flow-Verhältnis als sinnvolles Kriterium erwiesen.“

Bei der Berechnung der Kennzahl spielt nicht die absolute Knappheit eines Vermögenswerts die dominierende Rolle, sondern das Verhältnis zwischen dem Bestand und der aktuellen Produktion. Absolut betrachtet ist zum Beispiel der Bestand an Palladium viel geringer als jener von Gold – er beträgt gerade einmal fünf Prozent davon. Dadurch werde Palladium aber nicht zu einem härteren Asset, da das Neuangebot an Palladium (Flow) nicht nur relativ gesehen hoch ist, sondern bei einem Preisanstieg auch leicht ausgeweitet werden kann und den Bestand verwässert. „Viele Edelmetalle wie Palladium, die vor allem als Indus­triemetalle genutzt werden, weisen daher eine geringe Stock-to-Flow-Ratio auf“, informiert Andersch. 

Die Attraktivität von Gold besteht darin, dass sein Angebot eben nicht beliebig ausgeweitet werden kann. Weltweit gibt es derzeit einen Bestand von rund 200000 Tonnen. Gefördert werden jedes Jahr rund 3000 Tonnen. Der jährliche Zuwachs (Flow) an neuem Gold trifft also auf einen bereits sehr großen Bestand (Stock). „Bei der aktuellen Förderrate braucht der Markt 60 Jahre, um die gleiche Goldmenge zu fördern. Die Stock-to-Flow-Ratio liegt dementsprechend bei 60“, erklärt Andersch. Das ist viel. Silber, zum Beispiel, bringt es auf rund 22, Palladium auf etwas über eins und Platin nur auf 0,4.

„Gold musste sich diesen Status über Jahrtausende hart erarbeiten. Durch die hohen Produktionskosten, viel Zeit und die geringe industrielle Verwendung baute sich langsam ein derart großer Bestand auf. Entscheidend aber ist, dass Gold so hohe Raten nur erreichen konnte, weil die Menschen bereit waren, dieses Edelmetall fast ausschließlich für die Wertaufbewahrung zu nutzen“, erläutet der Analyst und folgert: „Deshalb ist ein hoher Stock-to-Flow auch eine wichtige Grundvoraussetzung dafür, dass ein monetäres Gut überhaupt als Wertspeicher verwendet wird.“

Diese Entwicklung, für die Gold Hunderte von Jahren brauchte, wiederholt der Bitcoin nun quasi im Zeitraffer. „Nach dem Halving im Mai hat der Bitcoin jetzt schon einen ähnlich hohen Stock-to-Flow-Wert wie Gold erreicht – innerhalb von nur elf Jahren“, rechnet Andersch vor und fährt fort: „Der Bitcoin wurde als ultraharter Vermögenswert konzipiert. Im Jahr 2024, wenn wieder ein Halving ansteht, erhöht sich der Härtegrad weiter auf ein in der Menschheitsgeschichte nie da gewesenes Niveau von mehr 100!“

Welche Auswirkungen ein solcher monetärer Standard dann auf die Anlageentscheidungen von Vermögenden haben wird, kann heute natürlich niemand wissen. „Fakt ist nur: Historisch betrachtet, wurde immer jenes Gut mit dem höchsten Stock-to-Flow-Verhältnis als Wertaufbewahrungsmittel genutzt. Falls der Bitcoin tatsächlich der Wertspeicher des 21. Jahrhunderts werden sollte, dann deshalb, weil seine Eigenschaften – vor allem der hohe Härtegrad – denen alternativer Geldformen vorgezogen wird“, macht Andersch klar.

Die entscheidende Frage für Anleger lautet nun: Was würde eine solche Entwicklung für den Kurs des Bitcoins bedeuten? „Natürlich liegt es nahe, dass der Härtegrad des Bitcoins etwas mit seinem Wert zu tun hat. Ein Kurspfad lässt sich allerdings aus dem Stock-to-Flow-Modell nicht sauber analytisch nachweisen“, meint Andersch, „die Stock-to-Flow-Analyse zeigt zunächst einmal nur, dass der Bitcoin als neuer, moderner Wertspeicher genutzt werden könnte. Letzten Endes aber geht es immer um Angebot und Nachfrage. Nur wenn mehr Menschen Bitcoins zu den aktuellen Preisen als Wertspeicher nutzen und deshalb kaufen, als in Relation dazu Menschen verkaufen, wird der Preis steigen.“ 

„Indizien dafür gibt es allerdings durchaus“, überlegt Philipp Sandner. Zunächst einmal habe sich das Narrativ rund um den Bitcoin im Zeitablauf geändert. 2009 galt die Kryptowährung noch als Versuch, ein elektronisches Zahlungsmittel zu schaffen. Aufgrund der Möglichkeit, anonym auch für illegale Geschäfte zu bezahlen, geriet der Bitcoin dann schnell in eine Art Schmuddelecke. Finanzinstitute betrachteten ihn mit Misstrauen.

„Mittlerweile spielt die Funktion als elektronisches Bargeld kaum mehr eine Rolle. Stattdessen dominiert die Verwendung als alternativer Vermögenswert“, informiert Sandner, „und auch das rechtliche Fundament wird stabiler. Mittlerweile ist die Verwahrung von Kryptowährungen durch die BaFin legitimiert, solange die Gesetze bezüglich Geldwäsche und Besteuerung eingehalten werden. Sogar Assetmanager dürfen für Dritte in Bitcoins investieren.“

Nun setze, so Sandner, eine ganz logische Entwicklungsfolge ein: „Das Gesetz ist da, Legitimität ist hergestellt, Software entwi­ckelt sich, Rechtsanwälte verstehen das System. Banken fangen an, sich dafür zu interessieren, legen Produkte auf, installieren ein verlässliches Brokerage, ein besseres Ordersys­tem. Und damit ändert sich auch die potenzielle Käufergruppe.“

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Haben in der Vergangenheit fast ausschließlich private Anleger in den Bit­coin investiert, so werden nun die Voraussetzungen geschaffen, dass auch Profis größere Orders schnell, zu effizienten Marktpreisen und mit regulatorischer Sicherheit abwickeln können.

„Die große Story ist deshalb tatsächlich, dass sich der Bitcoin künftig als ,financial asset‘ etablieren könnte, mit dem sich Portfolios weiter diversifizieren lassen. Wenn institutionelle Anleger nun beginnen würden, nur einen minimalen Anteil ihrer Portfolios dort zu investieren, würde die Nachfrage rasant steigen“, macht Daniel Oyen klar.

Was das dann für die Kursentwicklung bedeuten könnte, zeigt ein Vergleich der Marktwerte von Bitcoin und Gold. Der gesamte Goldbestand der Welt hat beim Kurs von 1700 Dollar pro Feinunze einen Wert zwischen elf und zwölf Billionen Dollar. Der Marktwert von Bitcoin liegt bei einem Preis von 10000 Dollar pro Bitcoin bei rund 180 Milliarden Dollar. Das entspricht gerade einmal zwischen 1,5 und zwei Prozent des Marktwerts aller Goldbestände.

„Das ist die Ausgangslage“, fasst Oyen zusammen. „Wir wissen, dass der Bit­coin 2024 nach dem nächste Halving das ,härteste‘ Produkt der Welt sein wird, doppelt so hart wie Gold. Es besteht die Möglichkeit, dass der Bitcoin dann Gold zum Teil als Wertspeicher ablösen könnte. Und große Investoren könnten den Bitcoin entdecken. Das ist viel Konjunktiv, klar. Aber die Möglichkeitsform deutet ja an, dass es möglich werden kann. Ich finde es angesichts des asymmetrischen Ertragsprofils interessant, schon jetzt ein bis zwei Prozent des Portfolios dort zu investieren. Schließlich kann ich nur 100 Prozent verlieren, aber ein Vielfaches gewinnen.“     ®

Autor:  Klaus Meitinger

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