Der Minsky-Moment.
Der 1996 verstorbene US-Wissenschaftler Hyman P. Minsky wurde für seine Thesen von der plötzlichen Krise trotz boomender Wirtschaft bekannt. Die Idee: Je länger die Wirtschaft läuft, desto eher verlieren Banken, Unternehmen, Konsumenten und Investoren das Gefühl für Risiko. Sie ändern ihre Anlagestrategie und stürzen sich in immer gewagtere Finanzierungen. Die Finanzmärkte laufen heiß, optimistische Äußerungen machen die Runde: „Es gibt keinen Konjunkturzyklus mehr. Die Zinsen werden nie mehr steigen.“ Das Ende der Party wird dann von einem eigentlich nebensächlichen Ereignis ausgelöst. Angesichts der hohen Verschuldung zwingen schon kleine Kursverluste die ersten Investoren zum Verkauf. Banken beginnen nun, ihre Ausleihungen zurückzufordern. Aus der Jagd nach Rendite wird die Jagd nach Cash. Das ist der „Minsky-Moment“.
Heute ist Minskys Theorie so aktuell wie nie. Wenn Fremdkapital sehr lange Zeit nichts kostet, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwann irgendjemand irgendwo auf Kredit unsinnige oder hoch riskante Dinge macht. Schließlich ist Leverage in der Nullzinsära die bequemste Möglichkeit, die Rendite zu erhöhen. In den vergangenen Monaten haben wir immer mehr fragwürdige Transaktionen gesehen. Österreich konnte zum Beispiel eine 100-jährige Anleihe mit einer Rendite von 2,1 Prozent platzieren. Das entspricht dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank. Erreicht sie es, haben sich Investoren 100 Jahre lang die reale Null gesichert. Auch Argentinien gelang es, einen 100-jährigen Bond zu verkaufen – obwohl das Land schon acht Mal in seiner Geschichte pleiteging. In München wurde gerade ein denkmalgeschütztes Mietshaus zum 70-Fachen der Nettokaltmiete verkauft. Und das Gemälde „Salvator Mundi“, das Leonardo da Vinci zugeschrieben wird, erzielte den Rekordauktionspreis von 450,3 Millionen Dollar. Der Hype um die Einführung immer neuer Kryptowährungen fällt ebenfalls in diese Kategorie.
Es gäbe noch unzählige andere Beispiele. Sie sind Indizien dafür, dass im Hintergrund der Minsky-Moment lauert. Er muss nicht in den nächsten Monaten eintreten. Oder im nächsten Jahr. Anleger sollten aber vorbereitet sein. Deshalb ranken sich viele Geschichten dieser Ausgabe um das Thema „Risiko“. Auf Seite 56 stellen wir Ihnen ein Modell vor, das zeitnah vor Gewittern am Kapitalmarkt warnt. Den aktuellen Wetterbericht veröffentlichen wir monatlich unter www.private-wealth (Benutzerkennung: privatewealth, Passwort: Verteidigung). Wenn Sie sich dort persönlich registrieren, schicken wir Ihnen sogar eine Meldung, falls ein Unwetter droht. Denn wie immer wird der Minsky-Moment plötzlich eintreten. Dann gilt es, keine Zeit zu verlieren.
Herzlichst,
Klaus Meitinger
Chefredakteur
Moritz Eckes
Herausgeber