Stein auf Stein.
Ole Kirk Christiansen hat mit Lego-Steinen einen Bauboom auf Teppichböden ausgelöst. Aus seiner Firma
ist so in über 80 Jahren ein international erfolgreiches Spielzeugunternehmen mit über 9000 Mitarbeitern geworden.
Das bettelarme Örtchen, in dem Ole Kirk Christiansen am 7. April 1891 geboren wird, liegt im jütländischen Nirgendwo. Dort, wo Pragmatismus, Fleiß und der Glaube an Gott unerschütterlich sind. Und ein bisschen Starrsinn zum Leben gehört. Ole jedenfalls fügt sich schon als zwölfjähriger Schreinerlehrling nicht gern. Er soll eigentlich Zäune, Leitern und Bügelbretter fertigen. Lieber tischlert er aber Spielsachen. Unnützes Zeug, findet Bruder Kristian.
Nach dem Ersten Weltkrieg und einigen Monaten Lehrzeit in Norwegen beschließt Ole, dass ihm künftig niemand mehr sein unnützes Zeug verbieten solle. Sein Erspartes wird von der Familie aufgestockt – das reicht, um die kleine Tischlerei Billund Maskinsnedkeri zu kaufen. Im gleichen Jahr heiratet er Kristine Sørensen. Der dritte Sohn Godtfred kann es kaum erwarten, bis er selbst an die Werkbank darf. An einem langweiligen Sonntag im Jahr 1924 erhitzt der Fünfjährige zusammen mit seinem Bruder Karl Georg einen Topf mit Holzspänen. „Mein erster Firmenerfolg war, die Werkstatt und die Wohnung bis auf die Grundmauern abzubrennen“, gesteht Godtfred. „Unser Leben ist ein Geschenk – und gleichzeitig eine Herausforderung“, ist Oles Leitspruch. Er baut eine neue Werkstatt. Wieder geht es bergauf. Diesmal bis 1932. Die Weltwirtschaftskrise beutelt Dänemark, Ole muss Angestellte entlassen. Dann stirbt Kristine. Auf einmal steht er allein mit vier Söhnen in der Werkstatt. Kein Geschenk. Nur eine Herausforderung. „Ich muss mir einen neuen Beruf suchen. Oder richtig gutes Kinderspielzeug erfinden“, überlegt Ole. Er entscheidet sich für Spielzeug. Und für eine neue Frau – seine Haushälterin Kirsten Sofie Jørgensen. Zwei Jahre später stellt Ole mit seinen sechs Mitarbeitern Ziehenten, simple Bauklötze und Mädchenspielzeug her. Im Zweiten Weltkrieg verdoppelt sich der Umsatz. Es sieht gut aus. Bis ein Feuer am 20. März 1942 erneut alles auf die Grundmauern abbrennt. Ole kniet auf dem verkohlten Boden und betet. Dann beginnt er wieder von vorn. 1944 produzieren über 40 Mitarbeiter Holzspielzeug für die „Spielzeugfabrik LEGO Billund A/S“. Lego ergibt sich aus „leg“ und „godt“ und bedeutet „spiel gut“.
Als Ole 1947 Plastikbausteine sieht, die vom britischen Kinderpsychologen Hilary Harry Fisher Page patentiert sind, wittert er die Chance seines Lebens. Lässt sich mit diesen Bauklötzen nicht so richtig klotzen? Er kauft für die Unsumme von 30000 Dänischen Kronen die erste Plastik-Spritzgussmaschine in Dänemark, eine Windsor SH. Die Söhne sind dagegen. Ein Schreinerbetrieb, der Plastiksachen produziert? 1949 bringt Lego die ersten Bauklötze auf den Markt.
Die bunten Steine aus Billund lösen einen Bauboom in den Kinderzimmern aus. Sohn Godtfred ist beeindruckt. Er patentiert das Prinzip der nach unten gerichteten Röhren im Hohlraum der Bauklötze am 28. Januar 1958. Als Ole 1958 stirbt, macht Lego mit Plastik mehr Umsatz als mit Holz. Ein paar Jahre später produzieren die rund 450 Mitarbeiter unter der Leitung von Godtfred Plastik aus dem beiß- und kratzfesten Wundermaterial AcrylonitrileButadieneStyrene. Lego wird zum Plastik-Baukönig.
Nur sechs Jahre später verkauft Lego über 700 Millionen Teile für 57 Spielesets in 42 Ländern. 1000 Mitarbeiter arbeiten für den reichsten Familienbetrieb Dänemarks. 1977 übernimmt Godtfreds Sohn, der Akademiker Kjeld Kirk Christiansen. Seine Idee, Erweiterungssets für bestehende Serien anzubieten, wird zum Verkaufshit. Räder, Menschen, ganze Städte – Lego steigert den Umsatz jedes Jahr zweistellig. Bis 2003. Lego möchte nun mit der Zeit gehen. Lehnt neue Serien an bekannte Filme wie „Star Wars“ und „Harry Potter“ an. Und scheitert grandios. Der Umsatz fällt von 2002 bis 2004 um 500 Millionen Euro auf 850 Millionen Euro. Lego macht über 200 Millionen Euro Verlust. Am Rand der Insolvenz holt Kjeld Kirk Kristiansen mit Jørgen Vig Knudstorp einen externen CEO ins Haus. Der verlagert die Produktion ins Ausland und leitet eine Rückbesinnung auf die traditionellen Bauklötze ein. 2005 schreibt Lego wieder schwarze Zahlen. 2011 liegt der Umsatz bei 2,5 Milliarden, der Profit bei 550 Millionen Euro. Es geht steil aufwärts. Das Leben ist ein Geschenk.
Text: Jennifer Bligh