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  • Klaus Meitinger

Countdown 2023, ein Blick in die Kristallkugel: Teil 4 – Lerbacher Kompetenzkreis.

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Zum Jahresende schauen Ökonomen, Anlagestrategen und Vermögensverwalter nach vorn. Sie publizieren in diesen Tagen ihre Prognosen und Strategien für das neue Jahr.

Vor allem bezüglich des künftigen Kurses der Notenbanken und der Konjunktur herrscht heute enorme Unsicherheit. Für Anleger sind aber gerade diese Entwicklungen entscheidend. An der Konjunktur hängen die Unternehmensergebnisse. Und der Zinstrend bestimmt maßgeblich, wie hoch die erwarteten Gewinne an der Börse bewertet werden.

Private wealth hat den Lerbacher Kompetenzkreis deshalb mit den neun wichtigsten Fragen der Leser konfrontiert. 15 Teilnehmer haben geantwortet. Die Umfrage gibt so einen guten Überblick darüber, wie die Profis den Anlagejahrgang 2023 einschätzen.

GELDPOLITIK

Frage 1: Bei welchem Leitzins ist der Höhepunkt im Zinszyklus erreicht?

Der Kompetenzkreis geht im Schnitt davon aus, dass die US-Notenbank den Korridor der FED-Funds im nächsten Jahr auf 5,0 bis 5,25 Prozent anheben wird. Die Bandbreite der Erwartungen liegt zwischen 4,75 und 5,5 Prozent.

Im Euroraum erwarten die Experten im Schnitt einen Anstieg des Hauptrefinanzierungssatzes der EZB auf 3,5 Prozent. Die Extremwerte liegen zwischen 2,75 und 4 Prozent.

Frage 2: Wann erwarten Sie die erste Leitzinssenkung?

In den USA rechnen das Profi-Gremium mit einer ersten Leitzinssenkung im 4. Quartal 2023 Die Ergebnisse gehen dabei weit auseinander. Die Bandbreite der Antworten liegt zwischen dem 2. Quartal 2023 und dem 2. Quartal 2024.

Im Euroraum, meinen die Profis, werde ein solcher Schritt etwas länger dauern. Im Schnitt taxieren sie diesen auf das 1. Quartal 2024. Aber auch hier ist die Bandbreite der Antworten enorm.

Unser Fazit: Behalten die Profis als Gruppe Recht, werden die Zinsen länger höher bleiben. Das bedeutet grundsätzlich Gegenwind für die Kapitalmärkte.

 

KONJUNKTUR UND UNTERNEHMENSERTRÄGE

Frage 3: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit einer sanften Landung der US-Konjunktur (KEINE zwei aufeinanderfolgenden Quartale mit negativen Wachstumsraten im Jahr 2023)?

Der Durchschnitt der genannten Wahrscheinlichkeiten liegt bei 44 Prozent. Dabei variieren die Nennungen zwischen 10 % und 70 %.

Frage 4: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass es in der Eurozone NICHT zu einer starken Rezession kommt (die Jahresrate des realen GDP 2023 fällt also im Vergleich zu 2022 besser als Minus 1,0 % aus)?

Der Durchschnitt der genannten Wahrscheinlichkeiten liegt bei 55 Prozent. Dabei variieren die Nennungen zwischen 15 % und 80 %.

Unser Fazit: Die große Bandbreite der Einschätzungen zeigt, wie unsicher der Konjunkturausblick aktuell ist.

Was eine sanfte Landung der US-Konjunktur angeht, sind die Experten vorsichtiger als erwartet. Besonders überrascht hat uns das Votum zur Konjunktur in Euroland. Ein Minus von 1,0 Prozent im Sozialprodukt wäre schon ein starker Einschnitt. Dass die Profis mit einer Wahrscheinlichkeit von 45 Prozent eine noch schlechtere Entwicklung für möglich halten, ist bedenklich.

Frage 5: Die meisten Analysten gehen für das Jahr 2023 noch von Gewinnsteigerungen bei den Unternehmen aus. Wie sehen Sie die Ertragsentwicklungen bei den Firmen des DAX und des S&P 500?

Beim S&P 500 rechnen die Profis im ersten Halbjahr mit einem Gewinnrückgang um zwei Prozent. Im zweiten Halbjahr sollen die aggregierten Erträge noch einmal um 0,5 Prozent zurückgehen.

Bezogen auf die DAX-Firmen wird Rückgang um 4 Prozent im ersten Halbjahr 2023 und um weitere 1,5 Prozent im zweiten Halbjahr erwartet.

Unser Fazit: In früheren Konjunkturabschwüngen gingen die Erträge der Unternehmen deutlich stärker zurück. Die Prognosen der Profis sollten Anlegern deshalb Mut machen.

Zur Illustration: Werden die Erwartungen eines leichten Gewinnrückganges Realität, wäre der DAX bei 14000 Punkten auf Basis der Erträge des Jahres 2023 mit einem KGV von knapp 12 bewertet. Das ist nicht viel. Angesichts der Perspektive, dass die Gewinne 2024 wieder steigen sollten, könnten Anleger dann tatsächlich über das Ertragstal 2023 hinwegsehen.

Kritischer ist die Bewertungssituation am US-Aktienmarkt. Mit einem KGV von etwas mehr als 18 auf Basis der erwarteten 2023er Erträge ist der S&P 500 bei 3850 Punkten immer noch vergleichsweise hoch bewertet – vor allem dann, wenn die US-Zinsen länger hoch bleiben.

Anlegerstimmung

ANLEGERSTIMMUNG

Frage 6: Die Aktienkurse (Maßstab ist der MSCI ACWI) werden 2023 per Saldo:

steigen:                                              in etwa gleichbleibend:                    fallen:

sagen 7 von 15 Befragten                  meinen 5 Teilnehmer                          glauben 3 Experten

Frage 7: Die Anleiherenditen (Maßstab sind Bundesanleihen und US-Treasuries mit 10 Jahren Laufzeit) werden 2023 per Saldo:

steigen:                                              in etwa gleichbleibend:                    fallen:

sagen 4 von 15 Befragten                  meinen 4 Teilnehmer                          glauben 7 Experten

Unser Fazit: Das Jahr 2023 wird wahrscheinlich ein positives Anlagejahr. Sowohl bei Aktien als auch bei Anleihen ergeben sich im Jahresverlauf Chancen. Da die Risiken hoch und die Unwägbarkeiten groß sind, sollte sich aktives Management und Aktienselektion auszahlen.

 

FOOD FOR THOUGHT

Frage 8: Nennen Sie bitte Ihre interessantesten Anlageideen für das Jahr 2023:

• Die Investitionen im Bereich Automatisierung werden zunehmen, weil die Lohnkosten steigen. Entsprechende Anbieter (zb. Robotics) profitieren.

• Weil die chinesische Wirtschaft wieder wächst, werden asiatische Aktien – besonders China-Titel –die großen Gewinner.

• Die China-Öffnung steigert die Nachfrage nach Energie- und Industrierohstoffen (Öl, Kupfer). Angesichts des begrenzten Angebotes klettern auch deren Preise.

• Solide finanzierte US-Technologieaktien starten ein Comeback.

• Hochzins-Anleihen in den USA und in Europa könnten zweistellige Renditen liefern. Im Höhepunkt des Konjunkturabschwungs ist der ideale Kaufzeitpunkt.

• Innovationen und Übernahmen beflügeln die Kurse von Biotech-Aktien.

• Länger laufende Anleihen im Nachrangbereich sind schon jetzt attraktiv.

• 30-jährige Bundesanleihen sind perspektivisch interessant, weil die EZB konsequent gegen die Inflation angehen wird.

• Gold – der Preis steigt auf 2500 Dollar, weil immer mehr Notenbanken und Privatleute aus Angst vor dem Kaufkraftverlust der Papierwährungen zur Währung der Ultima Ratio greifen. Ähnlich positiv entwickelt sich der Silberpreis.

• Vietnam – ein Schwellenland mit Potenzial, in dem die Aktienkurse 2022 zu stark gefallen sind.

• Unternehmensanleihen guter Bonität (Investment Grade) bringen 4-5% in Euro und 6-7% in US-Dollar. Das reicht, um 2023 real eine positive Rendite zu erwirtschaften, weil die Inflationsraten zurückgehen.

• Halbleiteraktien profitieren vom Beginn eines neuen Wachstumszyklus.

• Zyklische europäische Aktien haben dank günstiger Bewertungen Aufholpotenzial

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Frage 9: Welche Überraschungen halten Sie für möglich?

• Der DAX schneidet deutlich besser ab als der Welt-Aktienmarkt.

• Die Inflationsraten sinken vor allem in den USA deutlich schneller als erwartet.

• Die Notenbanken bekommen die Inflation nicht in den Griff und müssen länger als erwartet eine restriktivere Geldpolitik verfolgen.

• Im Frühjahr oder Sommer 2023 enden die Kampfhandlungen in der Ukraine.

• Massive Auseinandersetzungen zwischen Griechenland und der Türkei.

• Die Inflations- und Wirtschaftszyklen werden kürzer, stärker und erratischer. Das lastet auf den Bewertungen, weil Anleger eine höhere Risikoprämie verlangen. Das Potenzial bei Aktien ist deshalb begrenzt, aktives Management wird wichtiger.

• Der Glyphosat-Rechtsstreit endet und die Bayer-Aktie schießt (kurzfristig) nach oben.

• Eine erneute Finanzkrise mit Rettungsmaßnahmen der Notenbanken.

• Die japanische Notenbank wird gezwungen, die Zinsen anzuheben, weil auch in Japan die Inflation außer Kontrolle gerät.

• Die Energiesituation in Europa wird sich deutlich entspannen (durch französische Kernkraft, Rezession und strukturelle Einsparungen sowie mehr LNG) – die vielfach zu hörende Warnung, der Winter 23/24 sei kritischer als der aktuelle, sind dann unberechtigt.

• Die Wachstumsrate in China fällt unter drei Prozent – eine Belastung für die Weltwirtschaft.

Wir hoffen, der Lerbacher Kompetenzkreis konnte Ihnen Inspiration und Orientierung bieten und wünschen Ihnen ein erfolgreiches Anlagejahr 2023.

Herzlichst,

Ihr

Klaus Meitinger

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