Orientierung.
Analyse. Seit zehn Jahren gibt der Börsenindikator von private wealth wertvolle Hinweise für Anleger am deutschen Aktienmarkt. Wer sich daran orientierte, hätte die langen Aufschwünge mitgemacht und die großen Verlustphasen vermieden. Ein Blick hinter die Kulissen.
Am letzten Juli-Wochenende konnten private-wealth-Abonnenten auf der Mitgliederseite des Magazins eine glasklare Botschaft lesen: „Risk-off – die Ergebnisse des ifo-Konjunkturtests vom Juli haben in unserem DAX-Indikator ein Verkaufssignal ausgelöst.“ Zwei Wochen später hatte der Deutsche Aktienindex 600 Punkte verloren.
Seit der ersten Ausgabe von private wealth nutzt die Redaktion den selbst entwickelten Indikator, um ihren Lesern Orientierung zu geben. Und erzielte dabei einige spektakuläre Ergebnisse. So wurde im Sommer 2007 – rechtzeitig vor der Finanzkrise – zum Verkauf geraten. Im März 2009 dann, als die Welt unterzugehen schien, riet der Indikator wieder zum Kauf.
Was steckt hinter diesem Modell? Im Grundsatz geht es darum, herauszufinden, wann das Verhältnis zwischen Chance und Risiko bei der Aktienanlage positiv ist. Und wann nicht.
Dabei nutzt die Redaktion zwei Indikatoren. Erstens sind Aktienkäufe interessant, wenn der Gesamtmarkt günstig bewertet ist. Und sie sind riskant, wenn der Markt hoch bewertet ist. Zweitens sind Aktienengagements aussichtsreich, wenn zu erwarten ist, dass sich die Konjunktur und damit die Firmengewinne verbessern. Und sie sind gefährlich, wenn zu erwarten ist, dass sich Konjunktur und Erträge verschlechtern.
Die erste Frage – ist der Markt billig oder teuer? – beantwortet die Redaktion anhand eines langfristigen Trendmodells, in das ein breiter Querschnitt volkswirtschaftlicher Daten eingeht: Sozialprodukt, Preise, Exporte, aber auch unternehmensspezifische Faktoren wie Dividenden oder Steuersätze.
Den grundlegenden Gedankengang skizzierte der große Investor André Kostolany schon vor langer Zeit. Er verglich das Zusammenspiel von Wirtschaft und Börse mit dem Spaziergang eines Hundes und seines Herrchens. Während der Mann – die Wirtschaft – sich langsam und stetig vorwärts bewegt, rennt der Hund – die Börse – manchmal voraus. Oder bleibt zurück. Irgendwann kommt er aber immer wieder zu seinem Herrn zurück.
Das private-wealth-Trendmodell spiegelt also eine Art „fairen Wert“ des DAX im Lichte der langfristigen Wirtschaftsentwicklung wider. Ein Vergleich mit den aktuellen Notierungen zeigt, wie weit der Hund vorausgelaufen oder zurückgeblieben ist.
Eine Überbewertung – wie sie zum Beispiel seit Ende 2012 festzustellen war – ist dabei allein zunächst noch kein Hinweis auf fallende Kurse. Sie reduziert nur das künftige Kurspotenzial. Der Hund kann ja durchaus noch weiter vorauslaufen, auf sein Herrchen warten oder eine Weile langsamer laufen als sein Besitzer. Je weiter sich der Markt aber vom realwirtschaftlichen Trend entfernt, desto größer wird die Gefahr einer Wende. Der Hund könnte ja plötzlich aus irgendwelchen Gründen von selbst zum Herrn zurücklaufen. Oder der Herr bleibt stehen und zieht abrupt an der Leine – Sinnbild dafür, dass die Wirtschaft in einen Abschwung gerät.
Auslöser einer derartigen Bewegung war in der Vergangenheit sehr oft ein Umschwung im Konjunkurtrend. Deshalb ist die Antwort auf die zweite Frage – wie entwickelt sich die Wirtschaft? – so wichtig. Diese liefert das Geschäftsklima des Münchner ifo-Instituts. Jeden Monat befragen die Forscher 7000 Unternehmer nach ihren Geschäftserwartungen für die kommenden sechs Monate. Gingen die Erwartungen nach einem vorherigen Anstieg dreimal hintereinander zurück, stieg die Wahrscheinlichkeit für einen Abschwung. Stiegen sie dreimal hintereinander an, war dies ein Aufschwungsignal. In der Vergangenheit ließen sich so Wendepunkte in der Konjunktur gut vorhersagen. Schließlich wissen diejenigen, die am Ruder stehen, am besten, woher der Wind weht.
Die Strategie lautet also: Es ist ratsam, stark in Aktien investiert zu sein, wenn sich der DAX unterhalb seines fairen Wertes befindet UND die ifo-Geschäftserwartungen eine positive Konjunkturwende anzeigen. Aktienengagement und damit das Risiko sollten dagegen deutlich verringert werden, wenn sich der DAX oberhalb seines fairen Wertes befindet UND die ifo-Geschäftserwartungen einen Abschwung signalisieren.
Nicht immer geben beide Indikatoren allerdings gleich laufende Signale. Ist der Aktienmarkt günstig bewertet und die Konjunkturforscher werden skeptisch, ist es sinnvoll, die Aktienquote abzubauen, aber nicht alles zu verkaufen. Eine Konjunkturwende nach oben bei teurem Aktienmarkt wäre dagegen ein Signal, etwas mehr Risiko zu akzeptieren, ohne gleich Vollgas zu geben.
Dies unterstreicht: Es geht nicht darum, Trendwenden an der Börse exakt vorherzusagen. Sondern Hinweise darauf zu geben, wie groß die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Aktienanlage in einem bestimmten Umfeld ist. Mit dem Ziel, die großen, langfristigen Aufwärtsbewegungen an den Börsen mitzumachen und die großen Abschwünge zu vermeiden. Wie das in der Vergangenheit funktioniert hat, zeigt die Tabelle links. Seit dem Jahr 2003 gab der Indikator nur acht Signale. Und führte Anleger so sehr erfolgreich durch ein turbulentes Jahrzehnt.
Aktuell ist Vorsicht angesagt. Der „faire Wert“ des DAX liegt nach unseren Berechnungen etwas über 8000 Punkten. Der deutsche Aktienmarkt ist also trotz der Rückschläge vom August noch nicht günstig bewertet. Und da die Geschäftserwartungen des ifo-Institutes im Juli zum dritten Mal in Folge gefallen sind, steht die Konjunkturampel auf Rot.
Das Verkaufssignal von Ende Juli 2014 dürfte deshalb wohl noch einige Zeit Bestand haben. Ein regelmäßiges Update finden Abonnenten des Magazins auf der Mitgliederseite unter dem Stichwort: Neues aus der Redaktion. ®