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  • Klaus Mitinger

Crash-Gefahr.

Das Glas ist halb leer. Der Schweizer Vermögensverwalter Felix Zulauf warnt: „Der Aufschwung an den Aktienmärkten ist so gut wie vorbei. Die nächste Rezession steht vor der Tür.“ Zulaufs Stimme hat Gewicht. Vor sechs Jahren hatte der Schweizer in private wealth schon einmal ein perfektes Skript für Wirtschaft und Kapitalmärkte entworfen.

Im Sommer 2008 – die Welt der Wirtschaft und der Börsen schien noch einigermaßen in Ordnung – sagte Felix Zulauf im Interview mit private wealth bemerkenswerte Dinge: „2009 oder 2010 rechne ich mit einer weltweiten Rezession. Die Banken sind ein echtes Systemrisiko. Legen Sie höchst konservativ an – kurzfristige Staatsanleihen, gemischt mit etwas Gold. In den nächsten ein bis zwei Jahren kommt dann die ganz große Gelegenheit. Danach können Sie wieder kaufen und viele Jahre investiert bleiben.“

Konkret hielt Zulauf damals ein Niveau unter 3800 Punkten im Deutschen Aktienindex für einen „Super-Kauf“. Tatsächlich fiel der DAX bis zum Frühjahr 2009 auf 3600 Punkte. Wer diese „ganz große Gelegenheit“ nutzte, hat seither sein Kapital fast verdreifacht.

Klar, dass private wealth seitdem regelmäßig bei Felix Zulauf nachfragt. Wann, lautet die entscheidende Frage, ist die Party vorbei? „Jetzt noch nicht, aber bald“, antwortete Zulauf vor ziemlich genau einem Jahr, „irgendwann in den nächsten zwölf Monaten beginnt die nächste Baisse.“ Bislang ist davon noch nichts zu sehen. Im Gegenteil. Der Deutsche Aktienindex hat seither ein neues Rekordniveau erreicht. Auch in den USA eilen die Kurse von Rekord zu Rekord. In der Null-Zins-Ära gelten Aktien als „alternativlos“. Wird es nun eng?

private wealth Herr Zulauf, wie nahe sind wir heute dem Beginn der nächsten Baisse?
Felix Zulauf  Wir sind sehr nahe. Die Weltwirtschaft erholt sich nicht – trotz der riesigen Stimulanzien, die in unser Sys­tem hineingepumpt wurden, kriechen wir auf relativ niedrigen Wachstumsraten dahin. Und Europa hat noch das zusätzliche Problem, dass der Euro für die Mehrheit der europäischen Volkswirtschaften ein deflationäres Korsett darstellt. Konjunkturell kommen wir auf keinen grünen Zweig.

pw Die überwältigende Mehrzahl der Volkswirte geht von einer Beschleunigung der Weltkonjunktur in diesem und im nächsten Jahr aus.
FZ Aber die findet tatsächlich nicht statt. Einige Indikatoren sind zwar im leicht positiven Bereich. Es kann aber nicht sehr viel besser werden, weil unsere Sys­teme einfach erschöpft sind.

pw Was bedeutet das?
FZ Unsere wirtschaftlichen Systeme sind erschöpft, weil sie überschuldet sind. Wer zu viel Schulden hat, kann seine Ausgaben nicht mehr über das Niveau seiner Einnahmen hinaus steigern. Er muss stattdessen sparen. Das ist ein Sys­temproblem. Und dieses Systemproblem können Sie nicht mit Geldpolitik lösen.

pw Wie dann?
FZ Wir bräuchten eine ideologische Neuausrichtung. Wir müssten Leistungsversprechen, die nicht einhaltbar sind, reduzieren. Wir müssten mehr Eigenverantwortung ins System bringen und Schulden restrukturieren. Wir müssten die Regulierungen massiv reduzieren, um dem freien Markt wieder Luft zu geben. Wir gehen aber genau in die andere Richtung. Wir versuchen, das alte Sys­tem mit neuen Schulden weiter am Leben zu halten. Weil kein Politiker die Kosten einer Korrektur tragen will.

pw Warum sind dann die Kurse an den Finanzmärkten so hoch, wenn die Situation so problematisch ist?
FZ Das viele Geld, das geschöpft wird, muss natürlich irgendwo hin. Das geht in Aktien und Anleihen, in Kunst und Immobilien. Die Finanzmärkte sind völlig aufgeblasen. Weil Anleger eine bestimmte Rendite brauchen, um ihre Verpflichtungen erfüllen zu können, werden sie immer wagemutiger. Aggressive wie auch konservative Anleger kaufen Aktien oder sehr riskante Zinsanlagen. Schuldner aus der europäischen Peripherie oder von Unternehmen mäßiger Qualität müssen mittlerweile nur noch Risikoaufschläge im Vergleich zu Staatsanleihen zahlen, die in der Nähe oder unter den Extremwerten des Jahres 2007 liegen. Das ist absolut wahnsinnig. Und wissen Sie, was besonders schizophren ist?

pw Was?
FZ Alle sind unisono der Meinung, dass man heute genau so anlegen müsse. Das sei eine neue Welt, in der es keine Risiken und keine Rezessionen mehr gäbe. Denn die Zentralbanken würden es schon richten. Und genau das ist falsch.

pw Wir haben eher den Eindruck, dass Privatanleger die Hausse verpasst haben.
FZ Für Privatanleger, die ihre Gelder selbst verwalten, mag das gelten. Aber alle anderen, die gesamte Investment-Community, die professionell verwalteten Gelder, die Vermögensverwalter, die Hedgefonds und selbst die Versicherungen sind heute alle voll investiert. In den USA haben übrigens auch Kleinanleger heute mehr Aktien im Depot als in der Spitze des Jahres 2007. Und die Lombardkredite sind dort schon höher als 2007. Das Mantra lautet: Alles ist wunderbar, wir sind investiert, alles läuft ordentlich, alles ist unter Kontrolle. Bis irgendeiner in dem Gebäude einen Stein aus der Mauer zieht. Und dann fällt alles in sich zusammen.

pw Wer könnte den Stein aus der Mauer ziehen?
FZ China ist der Gorilla im Quartier.

pw Was ist der Auslöser?
FZ In China hat die weltweite Liquiditätsschwemme den größten Investitions-, Immobilien- und Kreditboom aller Zeiten ausgelöst. 2011 und 2012 wurde dort zum Beispiel so viel Zement verbraucht wie in den USA im ganzen 20. Jahrhundert. Die Exzesse sind riesig. Und alles ist auf Pump finanziert.

pw China scheint das aber ganz gut im Griff zu haben.
FZ Das glaubt die Welt. Außerhalb von Peking, Shanghai und Guangzhou fallen die Immobilienpreise. Es kommt deshalb schon zu Kreditklemmen. Die werden derzeit durch neue Geldschöpfung > zugedeckt. Die Chinesen schöpfen im Monat etwa 50 Milliarden Dollar Gegenwert an Renminbi, um das Ganze am Laufen zu halten.

pw Warum können sie das nicht ewig weitermachen?
FZ Das können sie schon. Nur wird dann die chinesische Währung schwach. Sie können nicht einfach unbegrenzt Liquidität schöpfen, die Zinsen tief halten und gleichzeitig glauben, ihre Währung bleibe stabil. Das ist das Kernproblem. Ich erwarte, dass der Renminbi in den nächsten zwei bis drei Jahren um gute 20 Prozent verlieren wird. Stellen Sie sich das vor: Der größte Exporteur der Welt, der heute enorme Überkapazitäten hat, die er beschäftigen will, wertet seine Währung um 20 Prozent ab. Und macht seine Waren so um 20 Prozent billiger. Dann kommen die Preise für gehandelte Güter in der Welt unter Druck. Die Gewinnmargen der Unternehmen fallen. Die Gewinne gehen zurück. Inves­titionen werden gestrichen. Dann haben wir die nächste Rezession.

pw In der Vergangenheit lösten doch immer steigende Zinsen eine Rezession aus.
FZ Deshalb sind die Anleger ja auch so entspannt. Sie sitzen da und haben ihren Radarschirm auf die normalen Abläufe in einem Konjunkturzyklus ausgerich-
tet – zunächst bessere Kapazitätsaus­lastung, dann steigende Inflationsraten, dann steigende Zinsen und erst danach wird es gefährlich. Aber die nächste Rezession kommt nicht wegen steigender Zinsen, sondern wegen fallender Gewinne. Wenn die ersten großen Gesellschaften mit negativen Gewinnzahlen kommen – das ist schon im dritten Quartal 2014 möglich –, wäre das für die Anleger ein Schock.

pw Was erwarten Sie konkret für die Aktienmärkte?
FZ Ich glaube, wir machen in diesem Sommer ein Top und haben dann irgendwann zwischen August und November eine panikartige Reaktion nach unten. Das können dann durchaus 20 Prozent sein. Weil viele der Profi-Manager wissen, dass die Fundamentaldaten gar nicht so gut sind, wie sie immer erzählen, werden sie relativ schnell ihre Aktienbestände reduzieren wollen, wenn es nach unten geht. Die heutige Situation hat sehr viele Ähnlichkeiten mit 1987. Damals hat man auch stark inves­tiert und gedacht, man könne über die sogenannte Portfolio-Insurance das Risiko managen. Aber plötzlich wollten alle zum gleichen Zeitpunkt durch dieselbe Tür. Dann hatten wir einen Crash. Das könnte – wenn auch vermutlich in kleinerem Ausmaß – wieder passieren.

pw Wo können sich Anleger verstecken?
FZ Mir ist natürlich völlig klar, dass die aktuellen Zinstiefstände keine Niveaus sind, zu denen man langfristig inves­tieren kann. Aber ich würde nicht ausschließen, dass die Renditen von Bundesanleihen, die jetzt bei 1,2 Prozent liegen, in einem solchen Szenario noch einmal um 0,5 Prozentpunkte fallen. Dann steigen deren Kurse noch einmal deutlich.

pw Wie geht es danach weiter?
FZ Danach werden die Notenbanken sofort noch einmal ein Stück aggressiver. Und die Anleger kommen dann mit dem Spruch: Kämpfe nie gegen die Notenbanken. Danach geht es noch einmal  aufwärts, ob für ein paar Monate oder ein paar Quartale, ist heute aber noch nicht klar. In den USA – der stabilsten Wirtschaftsregion – können wir dann sogar noch einmal neue Höchstkurse sehen. Doch weil dann klar wird, dass Geld allein die Welt nicht vor der nächs­ten Rezession rettet, ist das dann bald wieder vorbei.

pw Warum sollten die Anleger noch einmal darauf hereinfallen?
FZ Es bleibt ihnen ja nichts anderes übrig. Sie entscheiden ja nicht selbst. Die großen Gelder werden doch von Menschen verwaltet, die nicht ihr eigenes Geld riskieren. Und die kaufen wieder, weil sie Angst um ihren Job haben, falls sie einen Kursanstieg verpassen.

pw Unsere Leser entscheiden selbst. Was ist für sie die richtige Strategie?
FZ Für die nächsten zwei bis drei Jahre gilt: So wenig Schulden wie möglich. Und so viel Cash wie möglich. Und zwar in den Währungen, denen längerfristig am meisten zu trauen ist. Da würde ich immer noch den Schweizer Franken nehmen. Wer in Euro investiert, sollte unbedingt bei deutschen Schuldnern bleiben. Denn wir wissen nach wie vor nicht, wie die europäische Übung langfristig ausgeht. In diesem Buch ist das letzte Kapitel noch nicht geschrieben. Dazu würde ich noch eine Dollar-Position hinzufügen. Und wenn die Krise sich manifestiert und die Schwäche in Asien deutlich wird, würde ich beginnen, dort zu investieren. Diese Region  ist demografisch, und was die Verschuldung der Systeme angeht, eine Generation hinter uns. Dort ist noch ein großer, langer Expansionszyklus möglich.

pw Wie geht dieses Spiel dann langfristig für uns aus?
FZ Wir werden weiter in einem Meer von Liquidität schwimmen. Jedes Land wird sich Vorteile über eine schwächere Währung verschaffen wollen. Und eine schwächere Währung kann nur bekommen, wer mehr Geld schöpft als der andere. Einzelne Währungen werden dann abstürzen. Weil deren Geldpolitiker es übertreiben. Wir bekommen dann immer mehr dirigistische Eingriffe, Manipulationen, Regulierungen. Der Druck zu mehr Umverteilung nimmt zu. Weil die Weltwirtschaft nicht damit leben kann, wenn die Währung eines ganz Großen massiv nach unten geht, wird es wohl Kapitalverkehrskontrollen geben. Das beeinflusst Handel und Produktion negativ. Wir kommen dann in einer Welt an, die sehr viel mehr der alten DDR gleicht als dem, was wir aus der Bundesrepublik der 1960er-Jahre gewöhnt waren. Langfristig gehen wir also in eine Richtung, die nicht sehr hoffnungsvoll ist.

pw Wie können sich vermögende Privatinvestoren schützen?
FZ Der Plan beginnt mit der Wahl des Standorts. Wo will ich mein Steuerdomizil haben? Wo will ich mit meinem Vermögen dem Staat ausgeliefert sein? Suchen Sie sich ein Land, das traditionell sehr freiheitlich ist und wenig auf Umverteilung bedacht war.

pw Welches Land meinen Sie?
FZ In Europa ist das die Schweiz,
obwohl sie auch nicht mehr so gut ist, wie sie war. Und dann England. Die Angelsachsen haben in den letzten 500 Jahren zum Beispiel nie Immobilien oder Grundbesitz konfisziert. Auf dem Kontinent sieht die Geschichte etwas anders aus. Die USA sind auch freiheitlicher als Kontinentaleuropa. Aber dort ist eine Zunahme des Dirigismus zu erkennen.

pw Und der zweite Schritt?
FZ In der Rezession müssen Sie in Sachwerte umschichten. Selbst wenn es nun zunächst noch einmal einen deflationären Schlag gibt, werden wir langfristig nicht um eine Inflation herumkommen. Irgendwann müssen wir uns ja von der Wohlstandsfiktion verabschieden, in  der wir leben. Es ist doch klar, dass unser Wohlstand nicht echt ist, weil er auf vielen Schulden basiert, die wir nicht bedienen können. Die Politik wird dann wahrscheinlich versuchen, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen – das ist die Inflation. Der Durchschnittsbürger wird in diesem Moment am meisten verlieren. Und die Gewinner werden diejenigen sein, die in Sachwerte investiert haben. Deshalb ist es so wichtig, den richtigen Standort zu wählen. Denn allen Anlegern hier werden dann wahrscheinlich die erzielten Gewinne wieder durch Spezialsteuern abgeschöpft werden – weil wir auf dem Kontinent der Gleichmacherei leben.     ®

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