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  • Klaus Meitinger

Warten auf den Boom.

(Geschätzte Lesezeit: 3 - 6 Minuten)

Start-ups. Selten wurden im Technologiebereich in Deutschland so viele Firmen gegründet wie heute. Doch irgendwie springt der Funke nicht auf die Investment-Community über. Gert Köhler, seit 30 Jahren im Geschäft für Wagnisfinanzierung, über Hindernisse und Hoffnungen.

Venture Capital ist ein wunderbares Geschäft. Investoren finanzieren kleine Start-ups in spannenden Technologiebereichen, entwickeln sie weiter und schaffen so Substanz. Irgendwann, wenn der Preis stimmt, verkaufen sie diese dann mit Faktor zehn. Oder zwanzig.

So hatte Gert Köhler, Gründer des Wagnisfinanziers Creathor Capital und einer der erfahrensten Investoren in diesem Geschäft, sein Betätigungsfeld im Interview mit private-wealth Anfang 2011 beschrieben. Heute müsste er eigentlich in der Mitte einer Boom-Branche sitzen. Schließlich werden nicht nur die Ideen der New Economy mittlerweile durch Zalando und Co. live umgesetzt. Ganz Berlin brummt. Und rund um das mobile Internet entstehen überall in Europa neue Geschäftsmodelle.
Nur scheint dies bei den Investoren nicht anzukommen. Venture-Capital-Fonds haben es schwer, Geld einzusammeln. Börsengänge sind Fehlanzeige. Die Euphorie schwappt nicht über.

private wealth Herr Köhler, woher kommt diese Diskrepanz – Boom bei Gründern, Flaute bei Wagnis-Finanzierern?
Gert Köhler Das hat mehrere Gründe. Zunächst ist diese Gründereuphorie für mich ein bisschen ein Scheinboom. Unser Problem ist, dass Gründer in Deutschland sehr leicht mit Unterstützung staatlicher oder halbstaatlicher Institute starten können. Aber die Qualität ist oft gering und es geht nicht schnell genug und weit genug voran. Das wird deutlich, wenn die Firmen dann die nächste Finanzierungsrunde brauchen. Einige verlieren Zeit, weil es am Anfang so einfach und bequem ist. Andere werden vom Wettbewerb überholt oder erreichen die kritische Größe nicht. Wer dieses Jahr eine Million Umsatz macht und nächstes Jahr 1,8 Millionen plant, ist für uns nicht interessant. Wir können später nur große Leuchttürme verkaufen. Die müssen über den Atlantik strahlen.

pw Sie könnten mehr machen, wenn es leichter wäre, Geld einzusammeln. Warum ist das so zäh?
GK Wir haben natürlich ein Problem mit dem Exit. Die Wenigsten verstehen, dass der Verkauf, der Exit selbst, eigentlich nur der letztendliche Beweis dafür ist, dass das, was da entstanden ist, wirklich Wert hat. Ohne Verkauf keine Erfolgsmeldung. Und keine Rückzahlung an die Investoren. Ohne Rückzahlung keine neuen Gelder. So einfach ist das. Nur qualifizierte Investoren können vor Verkauf die Veränderungen in der Substanz bewerten. Das schränkt unseren Investorenkreis grundsätzlich ein. Außerdem dauert es vielen zu lange. Wir brauchen halt zwischen sechs und acht Jahren, bis die ers­ten Realisierungen kommen.

pw Crowd- und Seed-Plattformen scheinen durchaus Kapital anzulocken. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
GK Vom Grundgedanken her mag das stimmig sein. Ich bin trotzdem skeptisch. Erstens ist die rechtliche Situation unklar. Welche Information gebe ich wem? Und wann? Wie sieht es mit der Prospekthaftung aus? Das allein ist schon schwierig. Und dann ist die Erstfinanzierung ja noch lange nicht alles. Wer betreut die Firmen danach? Wer hilft ihnen, Substanz aufzubauen? Und was mache ich in der nächsten Finanzierungsrunde? Ein potenzieller Investor will sich dann doch nicht mit der ganzen Crowd auseinandersetzen. Bei diesen Ansätzen geht es eigentlich nur um die Platzierung, nicht primär um den Erfolg der finanzierten Firma. Und ein Exit ist da noch viel schwerer als bei uns.

pw Immerhin scheint sich das Fenster für Börsengänge zu öffnen.
GK Ja, aber eigentlich nur in den USA und ein bisschen in Frankreich und UK. Hier in Deutschland läuft gar nichts. Und bei Verkäufen an strategische Käufer aus der gleichen Industrie gibt es ein weiteres Problem. Wir bekommen für unsere europäischen Firmen viel niedrigere Preise als eine vergleichbare Firma in den USA. Ich würde sagen, der Abstand liegt bei 50 Prozent. Weil wir den potenziellen Käufern nicht bekannt sind.

pw Können Sie ein Beispiel nennen?
GK Wir halten 40 Prozent an Mobiles Republic, einer Firma, die Nachrichten personalisiert. In den USA gibt es zwei wichtige Wettbewerber – Flipboard und Pulse. Flipboard ist, was die verschiedenen Kennzahlen angeht, ein Stück größer als wir, Pulse etwas kleiner. Flip­board wurde in der letzten Kapitalerhöhungsrunde gerade mit 800 Millionen Dollar bewertet. Pulse ist vor 18 Monaten für 90 Millionen von LinkedIn gekauft worden. Irgendwo dazwischen läge wohl eine vernünftige Bewertung für Mobiles Republic. In den Büchern steht sie bei uns mit einer Bewertung von insgesamt 20 Millionen Dollar. Das zeigt, was möglich wäre. Aber es ist unheimlich schwer, diese Firmen außerhalb eines Börsengangs zu verkaufen.  

pw Was tun Sie, um das zu ändern?
GK Wir schicken unsere CEOs alle nach Amerika. Der Vorstand von Mobiles Republic ist seit 18 Monaten dort, um die relevanten Kontakte zu machen.  

pw Wie haben sich denn Ihre Einkaufspreise verändert? Müssen Sie heute als Investor mehr oder weniger bezahlen?
GK Bei uns in Europa haben sich die Preise für Beteiligungen an Start-ups in den letzten vier Jahren eigentlich gar nicht verändert. Nur in den USA sind sie gewaltig nach oben gegangen.

pw Ist es aus Ihrer Sicht heute – alles in allem – aussichtsreicher oder weniger aussichtsreich als vor vier Jahren, in Wagniskapital zu investieren?
GK Für mich ist das Glas halb voll. Im Prinzip hat sich das Chance-Risiko-Verhältnis verbessert. Weil wir eben zwischen 2011 und 2014 keinen Börsen­hype gehabt haben. Wenn – was ich glaube – die Finanzwelt in Zyklen abläuft, dann steht uns der noch bevor. Wir sind ihm nur ein bisschen näher gekommen. Damit wird es für den Investor in Zukunft spannender.

// Schon Anfang 2011 hatte Gert Köhler vermutet, der DAX würde Niveaus erreichen, von denen die Analysten nicht einmal träumten: „Ich könnte mir vorstellen, dass wir 2011 schon weit, weit über 8000 Punkten landen. Und dass es danach weitergeht.“ In der Tendenz war diese Prognose ziemlich gut. //

pw Sind die Börsenkurse nicht mittlerweile schon übertrieben hoch?
GK Das finde ich nicht. Die Bewertungen waren natürlich vor zwei, drei Jahren niedriger. Aber da waren Aktien eben sehr, sehr billig. In den USA gibt es sicherlich einige sehr hoch bewertete Titel. Aber in Europa ist das Kursniveau  fundamental  gut abgestützt. Ich glaube, dass es weiter nach oben gehen wird. Irgendwann kommt dann auch die Euphorie zurück. Vielleicht, wenn ein Börsengang von Zalando oder Rocket Internet Anlegern hohe Zeichnungsgewinne beschert. Dann wird die Gier wieder um sich greifen wie die Vogelgrippe.     ®

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