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  • Klaus Meitinger

Übermenschlich gut.

Technologie. In nicht allzu ferner Zukunft werden Computer völlig eigenständig Probleme erkennen, analysieren und lösen. „Das wird unser Leben von Grund auf verändern“, meint Jürgen Schmidhuber (oben), der von den Medien als „Vater der modernen KI“ bezeichnet wird. An den Kapitalmärkten steuert künstliche Intelligenz schon unabhängig Portfolios. Werden sie besser sein als menschliche Fondsmanager?

Der menschliche Cortex, die Hirnrinde, weist 100000 Milliarden Verbindungen auf. Ungefähr. „In 25 bis 30 Jahren“, vermutet Jürgen Schmidhuber, „werden billige künstliche neuronale Netze zum ersten Mal so viele Verbindungen aufweisen wie unser Gehirn. Und das werden schnelle elektronische Verbindungen sein, keine langsamen biologischen.“ Noch einmal zehn Jahre später, rechnet der Informatiker weiter – irgendwann zwischen dem Jahr 2050 und 2060 –, entspricht die Kapazität preiswerter Maschinen dann vielleicht schon der Gehirnleistung aller zehn Milliarden Menschen auf der Erde. „Und von diesen Maschinen wird es wohl ihrerseits bald Milliarden geben.“

Jürgen Schmidhuber, Professor, Kodirektor des Schweizer Forschungsinstituts für Künstliche Intelligenz und Unternehmer, trägt diese Vision schon seit mehr als 30 Jahren vor. „Das ist also nicht wirklich neu. Neu ist nur, dass mir heute mehr Menschen zuhören.“

Denn mittlerweile ist die künstliche Intelligenz (KI) in unserem täglichen Leben angekommen. Bilderkennung, Sprachsteuerung, Übersetzungssoftware – hallo Alexa, Siri, Google – in all diesen Anwendungen steckt eine lernende Maschine, die mit der Zeit aus Erfahrung klüger wird. „Wer mit seinem Handy spricht, weiß meist nicht, dass im Hintergrund immer unser neuronales Netz namens Long Short-Term Memory (LSTM) läuft. Alle zehn Millisekunden bekommt es einen neuen Zahlenvektor vom Mikrofon. Es hat gelernt, in diesen Sequenzen von Zahlen Muster zu erkennen – Sprache, Worte, Inhalte“, erklärt Schmidhuber.

Dass diese Technologie gerade jetzt Fahrt aufnimmt, liegt daran, dass nun die nötige Rechenleistung auf die erforderliche Datenmenge trifft.

Seit Konrad Zuse 1941 den ersten funktionstüchtigen programmgesteuerten Rechner schuf, verzehnfachte sich die Rechenleistung pro Preiseinheit alle fünf Jahre. Seither sind über 75 Jahre vergangen. Das entspricht einem Faktor von 10 hoch 15. „Diese exponentielle Entwicklung sorgt dafür, dass Algorithmen, die wir schon vor 20 Jahren entwickelt haben, nun auf kleinen, günstigen Maschinen ihre Mächtigkeit entfalten. Und auf einmal gibt es wirklich Milliarden von Menschen, die davon profitieren.“

Gleichzeitig wird auch immer mehr vom zweiten Rohstoff gefördert, den die künstliche Intelligenz braucht: Daten, um zu lernen. Nach Schätzungen von IBM wurden 90 Prozent der weltweiten Datenmenge in den vergangenen beiden Jahren erzeugt. Und Tag für Tag generieren Internet- und Smartphonenutzer neue gigantische Datenmengen.

Nicht mehr lange, meint Schmidhuber, dann werden manche Maschinen „wirklich intelligent“ sein. „Wer nur Schach oder Go spielen kann, ist kaum intelligent. Aber wer lernen kann, sehr viele verschiedene Probleme überzeugend zu lösen, ist schon ziemlich intelligent – und dem Menschen ähnlich, der in seinem Leben ja auch gelernt hat, was er tun muss, um die Summe der Schmerzsignale, die er erfährt, klein und die Summe der Belohnungssignale möglichst groß zu halten. Was da in den nächsten Jahren auf uns zukommt, ist gewaltig.“

Manchem bereitet das Sorgen. Was machen KIs, die dem Menschen haushoch überlegen sind, mit uns? Und was bedeutet es für unser Gesellschaftssystem, wenn immer mehr Arbeit durch künstliche Intelligenz erledigt wird? Drohen Massenarbeitslosigkeit, soziale Unruhen, Unterwerfung?

Jürgen Schmidhuber selbst rückt die positiven Aspekte in den Vordergrund. Bald würden wir alle einen kleinen Freund mit uns herumtragen. Mit ihm sprechen, ihm Aufträge erteilen, alles delegieren, was heute noch mühselig ist und Zeit braucht. „Das sind relativ nahe und eher erfreuliche Zukunftsperspektiven. Noch bedeutsamer werden aber die Auswirkungen im Gesundheitswesen sein. Die besten Ärzte und Diagnostiker werden bald neuronale Netzwerke sein, die gelernt haben, Krankheiten rasch zu erkennen.“ Schon 2012 konnte die KI seines Teams erstmals einen Wettbewerb zur Krebsfrüh­erkennung gewinnen. „Dadurch werden Milliarden von Menschen länger und gesünder leben.“

Und später, so der Forscher, gehe es dann Schritt für Schritt weiter: „Künstliche Intelligenz wird enorme Effizienz- und Produktivitätsgewinne in allen Bereichen der Wirtschaft bringen. Und helfen, Zukunftsprobleme zu lösen. Wir werden weniger Strom brauchen, weniger Energie, besser ausgelastete, selbstfahrende Autos haben. Das wird Welt und Wirtschaft in neue Dimensionen katapultieren.“

Langfristig, meint Schmidhuber, seien die Perspektiven wirklich „erhaben“. „Wer bereit ist, sich nicht zwingend als Krone der Schöpfung zu betrachten, kann echte Schönheit in dieser Entwick­lung sehen.“

Die intelligenten Maschinen würden sich eigene Ziele setzen und sich von der Biosphäre in den Weltraum ausbreiten – dorthin, wo die meisten Ressourcen sind. „Der Weltraum ist zwar dem Menschen feindlich gesinnt. Doch geeignet konstruierte Roboter fühlen sich dort wohl. Die erfolgreichsten Forscher des letzten Jahrhunderts waren doch schon gar keine Menschen mehr. Sondern dumme Robotersonden mit sehr wenig KI an Bord, die nach jahrzehntelangen Flügen faszinierende Aufnahmen von fernen Planeten auf die Erde sandten.“

Die meisten KIs der Zukunft würden sich kaum für Menschen interessieren. „Wenn sie einmal selbstreplizierende Fabriken im Asteroidengürtel und sonstwo bauen können, breiten sie sich auch bald in die Milchstraße hinein aus. Installieren überall Sender und Empfänger. Reisen per Radio mit Lichtgeschwindigkeit. Und werden viel tun, was biologischen Lebewesen unmöglich ist.“

Die irdische Wirtschaft werde gegenüber dem Rest der Ökonomie im Sonnensystem völlig verblassen, die dann über 99,9999 Prozent der Gesamtwirtschaft ausmache. „Na gut“, schmunzelt Schmidhuber, „die vollständige Kolonisierung der Milchstraße wird wohl mindestens 100000 Jahre dauern, wahrscheinlich länger – der Durchmesser der Galaxis beträgt ja 100000 Lichtjahre. Aber die Anfänge dieser Entwicklung werden viele von uns wohl noch erleben. Ich empfinde es als großes Glück, dass ich daran mitwirken kann, die Grundlagen hierfür zu schaffen. Es gibt einfach nichts Bedeutsameres.“

Tatsächlich hat Jürgen Schmidhuber sehr viel zu dieser Entwicklung beigetragen. 1997 war er Ko-Autor eines Papiers, das heute noch als Grundlage für viele Systeme künstlicher Intelligenz gilt. Das dort skizzierte Long Short-Term Memory (LSTM) ist dem menschlichen Gehirn nachempfunden und versetzt den Computer in die Lage, Entscheidungen auf Basis früherer Beobachtungen zu treffen. LSTM erlaubt der Maschine, sich zu merken, was wichtig ist. Und schafft so die Voraussetzung für Lernprozesse. Denn wer lernen will, muss sich erinnern können.

Patentiert wurde die Erfindung damals allerdings nicht. „Das Patent wäre ohnehin abgelaufen, bevor massive kommerzielle Nutzung möglich gewesen wäre“, zuckt der Professor heute mit den Schultern. Bei jüngeren Entwicklungen seines Labors hingegen stelle sich die Frage, ob Firmen wie Apple oder Google die Technik im Patentfall tatsächlich lizenziert hätten. Oder ob sie nicht versucht hätten, Alternativen zu finden.

„Es ist schon gut so, wie es gelaufen ist. Nur manchmal sage ich meinen Studenten im Spaß: ,Jedes Mal, wenn einer ins Handy spricht und sagt: Okay, Google, zeig mir den Weg zum Hauptahnhof, bekommen wir einen Cent.‘ Da meinen viele dann, das wäre eine Menge Geld. Aber es sind ja immer noch weniger als eine Milliarde Cent pro Tag.“ 

In den 1990ern waren Schmidhuber und sein Team außerdem an der Universität angestellt. Und deshalb verpflichtet, ihre Fortschritte zu veröffentlichen. „Insofern haben der bayerische und der Schweizer Steuerzahler dazu beigetragen, dass Milliarden von Menschen heute mit ihrem Handy reden und ganz vernünftig Fremdsprachen übersetzen können. Das ist ja auch nicht schlecht.“

In Zukunft möchte Schmidhuber manche seiner Erkenntnisse allerdings selbst vermarkten. Deshalb gründete er 2014 das Start-up NNAISENSE (NN steht für Neuronale Netze, AI für Artificial Intelligence). Dort forscht sein Team an allen Facetten der künstlichen Intelligenz. Ziel ist es, eine Art KI-Universalgelehrten zu entwickeln, der schrittweise lernt, sich alle möglichen Fähigkeiten in den verschiedensten Bereichen anzueignen. Im Finanzbereich gibt es erste praktische Umsetzungen. Die NNAISENSE-Tochter Quantenstein baute mit ihrem Joint-Venture-Partner Acatis einen KI-Portfoliomanager. Er bekommt spezifische Ziele vorgegeben – suche die Aktien, die den Index mit hoher Wahrscheinlichkeit hinter sich lassen, oder baue ein optimales Portfolio. Die Regeln hierfür gibt sich die Maschine aber selbst und passt sie auch dynamisch an.

„Das hat wenig mit den quantitativen Trendfolgemodellen der Vergangenheit zu tun. Heute werden die Technologien des ,deep learning‘, also Methoden der Informationsverarbeitung mit künstlichen neuronalen Netzen, die schon zu Durchbrüchen in der Bilderkennung, der Sprachverarbeitung oder auch der Robotik geführt haben, im Bereich langfristigen Value-Investings angewandt.“

Diese Entwicklung ist natürlich für Anleger interessant. Wie geht das, wenn Fondsmanagement komplett an die künstliche Intelligenz delegiert wird?

private wealth Herr Professor Schmidhuber, warum könnte eine intelligente Maschine der bessere Fondsmanager sein?

Jürgen Schmidhuber Ein Beispiel: Ein guter menschlicher Fondsmanager hat in seinem Leben vielleicht 10000 Geschäftsberichte gründlich gelesen. Darin sieht er Muster und gewinnt Erfahrungen, nach denen er handelt. Eine lernfähige Maschine kann ziemlich flott eine Million Geschäftsberichte, Zeitungsartikel oder Insiderhandel-Dokumente lesen und dabei oft auch schon ganz gut abstrahieren. Wer die Fakten schneller vergleichen und einordnen kann, hat einen Vorteil gegen­über dem, der langsamer liest.

pw Oftmals scheint es aber, als gäbe es an den Kapitalmärkten gar keine immer gültigen Muster.

JS Schon. Vielleicht sieht das aber auch manchmal nur für den Menschen so aus. Vielleicht sind Muster in scheinbar komplexen Zeitreihen verborgen und mit dem bloßen Auge schwer zu sehen. Unsere neuronalen Netzwerke können gewisse nichtlineare Zusammenhänge leichter erkennen als Menschen (oder auch als traditionelle lineare Regressionsmodelle). Viele Muster verstecken sich tatsächlich hinter etwas, das aussieht wie Rauschen. Das neuronale Netz muss deshalb lernen, Lärm und Rauschen zu ignorieren, um die echten Signale herauszufiltern.

pw Welche Daten geben Sie der Maschine, damit sie lernen kann – Kursdaten, Charts fundamentale Faktoren?

JS Letztlich können Sie nehmen, was Sie wollen. Alle Daten, von denen Sie glauben, dass sie eine Auswirkung auf den Preis der Firmen haben könnten, die Sie bewerten wollen. Es wäre zum Beispiel interessant, im Händlerraum Kameras aufzustellen und den Geschichtsausdruck der Leute zu analysieren. Wenn die auf einmal alle erschreckt schauen, ist wahrscheinlich gerade etwas Wichtiges passiert. Ich bin mir sicher, dass sich mit Gesichtserkennung und Emotionsanalyse einiges machen ließe. 

pw Welche speziellen Schwierigkeiten sind beim Einsatz von KI auf dem Finanzmarkt aufgetaucht?

JS Bei Brettspielen wie Schach oder Go kann der Computer jeden Tag eine Million Partien gegen sich selbst spielen und so viele denkbare Spielvarianten verstehen. Im Finanzmarkt gibt es aber nur eine einzige Historie, mit der wir arbeiten können. Wir können nicht ohne Weiteres einen zweiten Aktienmarkt simulieren. Wer Schach oder Go spielt, hat zudem alle relevante Informationen direkt auf dem Brett. Im Finanzbereich dagegen sieht man nur einen Bruchteil der Informationen, die den Markt beeinflussen.

pw Wie lösen Sie das Problem?

JS Damit es gut wird, müssen wir schon ein paar Dinge tun die ich nicht alle verraten darf. Wichtig ist jedenfalls, dass das Modell nicht auswendig lernt und Überanpassung an Datensätze der Vergangenheit betreibt, ohne gelernt zu haben, auf ungesehene Testdaten zu verallgemeinern. Im Rückblick sehen manche Modelle toll aus, weil man hinterher ja weiß, was 2008 während der Finanzkrise gut gelaufen wäre. Nur im echten Leben verlieren Sie mit diesen plötzlich Geld.

pw Wie testen Sie Ihre Modelle?

JS Zwangsläufig anhand vergangener Daten. Denn die Zukunft wird ja erst dann bekannt, wenn sie Vergangenheit geworden ist. Man trainiert zum Beispiel verschiedene Modelle auf der Basis von Daten bis 2007 und testet dann ihre Vorhersagen bis 2008. Die Kunst besteht darin, durch geeignete Algorithmen die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass man sich nicht selbst in die Tasche lügt, nur weil eines der Modelle im Zeitraum von 2007 bis 2008 wirklich gut funktioniert hätte.

pw Steht am Ende dieser Entwicklung dann der effiziente Kapitalmarkt, der an den Universitäten gelehrt wird?

JS Den effizienten Kapitalmarkt gibt es nicht. Ich bin immer wieder erstaunt, wie lange sich dieser Mythos gehalten hat. Ein wesentlicher Zweck des Kapitalmarktes ist es jedoch, vorhandene Ineffizienzen zu entdecken und auszumerzen, und damit dem Ideal des effizienten Marktes näher zu kommen. Das ist gerade der Sinn dieses Spiels. Diejenigen, die dazu beitragen, den Markt effizienter zu machen, weil sie existierende Arbitrage-Möglichkeiten besser verstehen, werden in diesem Prozess wohlhabend.

pw Ein wohl verdienter Lohn?

JS Im Prinzip schon. Denn ihre Leistung ist es ja, unter persönlichem Risiko herauszufinden, was gehandelte Objekte wirklich wert sind. In dem Maße, wie Erfolgsmodelle sich dann herumsprechen, verschwinden deren Vorteile. Eine Firma, die durch neuronale Netzwerke die Muster besser vorhersagt als andere, wird das höchstens so lange gut machen, wie sie keine genauso guten Gegenspieler hat, die exakt dasselbe tun.

pw Besteht nicht das Risiko, dass bald alle KI-Manager mit ähnlichen Modellen auf dieselben Strategien setzen?

JS Kaum. Wir stehen auch erst ganz am Anfang. Es gibt viele Möglichkeiten, KI-Strategien zu stricken. Mit unterschiedlichen Anlagezielen, diversen Eingabedaten. Bei NNAISENSE entwickeln wir selbstlernende Systeme für verschiedene potenziell lukrative Bereiche.

pw Wenn dieser ganze Bereich derart in Bewegung ist, warum soll ich dann jetzt schon in einen KI-Fonds investieren?

JS Eine faire Frage! Und warum sollten Sie Ihr neues Smartphone jetzt schon kaufen? Sie könnten immer auf das nächste Modell warten. Wer so denkt, wird wohl nie einsteigen.

pw Wo sehen Sie die Grenzen der KI?

JS Falls die Daten keine relevanten Informationen enthalten, kann die Maschine daraus auch nichts lernen. Ein Modell, das nur mit Firmendaten gefüttert wird, kann zum Beispiel kaum auf geopolitische Veränderungen reagieren. Treten solche dann auf, kann es natürlich zu Verlusten kommen.

pw Also sind auch diese „Wundermaschinen“ nicht unfehlbar?

JS Natürlich nicht. Jeder weiß, dass Menschen Fehler machen. Manche  Leute denken erstaunlicherweise, intelligente Maschinen tun das nicht. Doch selbstverständlich tun sie das. Das Wesen der Intelligenz ist es ja gerade, aus dem Scheitern zu lernen.

pw Gibt es Kriterien, anhand derer sich die Erfolgsaussichten einzelner KI-Fonds beurteilen lassen?

JS Es ist schwer, wenn kein langer „track record“ vorliegt, und auch sonst wenig über die Betreiber der Fonds bekannt ist. Einige Anbieter werden erfolgreich und groß werden. Andere halt nicht.

pw Ist es möglich, in Ihre Firma Nnaisense zu investieren?

JS Vor ein paar Monaten haben wir unsere erste Finanzierungsrunde abgeschlossen. Aber längerfristig werden wir unter Umständen weitere Finanzmittel aufnehmen. Sehen wir in 18 Monaten mal weiter. Wenn Sie mögen, halten wir Sie auf dem Laufenden.

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How to invest – mit künstlicher Intelligenz.

Mittlerweile dürfte künstliche Intelligenz einen größeren Einfluss im Asset-Management haben, als viele Anleger meinen. Nicht nur Hedge­fonds nutzen diese Technologien. Auch viele Vermögensverwalter haben Teams im Einsatz, die mit Maschinen arbeiten. Nur sprechen sie sehr selten darüber, um ihren Entwicklungsvorsprung nicht zu gefährden.

„Angesichts niedriger Zinsen und hoher Aktienmarktbewertungen suchen Investoren eben händeringend nach Möglichkeiten, alternative Erträge zu erwirtschaften“, erläutert Lutz Klaus, CIO bei Tungsten Capital Management: „Sie interessieren sich für Manager, die das sogenannte Alpha erwirtschaften können, also einen Zusatzertrag über das Marktergebnis hinaus. Dazu sind herausragende Fähigkeiten nötig. Entweder in der fundamentalen Analyse oder in der technischen Analyse. Bei beidem kann künstliche Intelligenz helfen.“

Allerdings wird der Begriff KI meist nicht sehr trennscharf verwendet. „Oft verbergen sich dahinter alte quantitative Modelle. Ein echter KI-Fonds muss in der Lage sein, aus vorliegenden Datensätzen Schlüsse zu ziehen und Verbindungen innerhalb des Datensatzes her­zustellen. Er ist selbstlernend“, erklärt Klaus. Die Anlagevarianten:

// 01. Tungsten Trycon

„Wir haben bereits im Jahr 2000 angefangen, an diesem Thema zu forschen“, informiert Lutz Klaus: „Zunächst verwendete der Trycon noch ein Trendfolgemodell. Es hat uns einige Jahre gekostet, bis wir sagen konnten, jetzt stellen wir das Trendfolgesystem im Trycon um. Seit September 2013 wird der Fonds nun komplett durch künstliche Intelligenz gesteuert.“ 

Ziel des Fonds ist es, einen positiven Ertrag unabhängig von der Marktentwicklung zu erzielen. Dafür darf der Computer in 40 Märkten handeln – Währungen, Aktien- und Anleihe­futures. „Unsere Modelle arbeiten teilweise mit mehreren Tausend Variablen. Diese Menge könnte das menschliche Gehirn nicht verarbeiten. In das Modell gehen ausschließlich technische Daten ein – Kurse, Umsätze. Nach drei Monaten wird das Modell mit neuen Börsendaten gefüttert. Er lernt dann dazu und ist auf dem aktuellen Stand, um seine Schlüsse zu ziehen“, informiert Fondsmanager Pablo Hess und ergänzt: „Wir haben mittlerweile schon über 15000 Trades durchgeführt. Dass der Computer dabei öfter richtig lag als falsch, ist für uns ein Beleg dafür, dass es sich nicht um Zufall handelt, sondern um echten Mehrwert.“

// Tungsten Trycon C (ISIN LU0451958309).

Fondsvermögen: 144 Millionen Euro.

Ertrag: Seit 09/13 kumuliert 18,35 Prozent. Dies entspricht 4,71 Prozent per annum.

// 02. Künstliche Intelligenz bei ACATIS

Eine globale Aktienstrategie für die Bayern­Invest wurde von Quantenstein entwickelt, einem Joint Venture zwischen NNAISENSE und dem Vermögensverwalter ACATIS. „Ziel ist es, ein weltweit investiertes Portfolio

aufzubauen und damit jährlich drei Prozentpunkte besser abzuschneiden als der MSCI World Index“, erklärt Kevin Endler, ACATIS-Manager und Geschäftsführer bei Quantenstein. Dabei erhält die KI eine zweistufige Aufgabe. Die erste lautet: Finde aus den Fundamentalkennzahlen von 4000 großen Aktiengesellschaften diejenigen heraus, die mit großer Wahrscheinlichkeit in den nächsten sechs Monaten besser abschneiden werden als der Index. Dafür wird sie mit Daten aus den Quartalsberichten, Geschäftsberichten, Analystenschätzungen und monatlichen Kursen gefüttert. Insgesamt sind es rund 200 Variablen.

Im zweiten Schritt lautet die Aufgabe: Baue die 100 besten Aktien aus dem ersten Modell zu derjenigen Kombination zusammen, die das höchste Sharpe-Ratio aufweisen wird (diese Kennzahl misst die Rendite in Relation zum eingegangenen Risiko). „Wir stellen also eine Mannschaft zusammen, die statistisch hervorragend funktionieren müsste, ohne die Spieler jemals live gesehen zu haben“, erklärt Endler. Der Portfolioansatz ist für die Entwickler wichtig, weil sie nur eine vergleichsweise geringe Datenmenge zur Verfügung hätten, wenn das Modell allein die Frage nach der höchsten Performance beantworten müsste. Wird dagegen ein Portfolio gebildet, gibt es viel mehr Kombinationsmöglichkeiten und deshalb mehr Lernbeispiele, um das Modell zu trainieren. Alle sechs Monate erhält die KI neue Daten.

Die spezielle Aufgabenstellung entspricht den Vorgaben der BayernInvest. „Neben der Outperformance war wichtig, dass wir bei Volatilität, maximalen Kursrückgängen und der Dividendenrendite auf dem Niveau des MSCI World Index liegen. Zukünftige Projekte können andere oder gar keine Nebenbedingungen haben“, erläutert Kevin Endler.

// BayernInvest ACATIS KI Aktien Global-Fonds ISIN: DE000A2AMP25; Mindestanlage: 50000.

Ertrag: Der Fonds ist seit April 2017 live. Er wird aber nur institutionellen Anlegern angeboten. Acatis plant, in Kürze einen Fonds mit dieser Strategie für Privatinvestoren aufzulegen.

// 03. KI-Wikifolios

Quantenstein Bachelor und Quantenstein Junior sind Wikifolios, mit denen die Forscher ihre Fortschritte schon länger unter Live-Bedingungen getestet haben. Beim Quantenstein Bachelor betreibt die KI reine Aktienselektion. Die Performance wird auch in einem Zertifikat abgebildet (DE000LS9JZP1).

// 04. Der Umweg – Profiteure der KI.

Mittlerweile wollen viele Fonds nicht nur mithilfe von KI Rendite schaffen, sondern auch durch Investments in die Profiteure der KI. ImPrinzip sind dies spezialisierte Tech-Fonds. Anleger sollten fragen: Wie viel echte KI steckt im

Fonds, wie viel in der jeweiligen Aktie?

Oft genannte Profiteure: Google, Amazon, Nvidia, Tesla, Facebook, Alibaba, Adobe, ServiceNow, Salesforce.com, Broadcom, Cavium oder Xilinx.

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Autor: Klaus Meitinger

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