China schafft die Wende nicht.
„In China liegt die größte Gefahr für eine Fortsetzung des Aufschwungs der Weltwirtschaft“, meint Axel Angermann, Chef-Volkswirt der FERI Gruppe. Anleger sollten deshalb bei chinesischen Aktien vorsichtig sein.
Ich will ja gar nicht abstreiten, dass es der chinesischen Führung nach den heftigen Turbulenzen zu Jahresbeginn gelungen ist, die wirtschaftliche Lage zu stabilisieren. Und ich kann auch nicht leugnen, dass sich die Aktienmärkte dort seitdem kaum nach oben bewegt haben, weshalb sie auf den ersten Blick verlockend günstig aussehen.
Dennoch rate ich Anlegern, dieser Verlockung zu widerstehen. Denn das Risiko, dass wir erneute Turbulenzen aus Richtung Ost bekommen werden, ist einfach zu groß.
Was mich zu dieser Vermutung bringt? Der erste wichtige Punkt ist die Art und Weise, wie die politische Führung in Peking die wirtschaftliche Lage stabilisiert hat. Sie setzte auf eine sehr expansive Geldpolitik und massive fiskalpolitischen Interventionen und auf eine Kreditausweitung.
Das sind die gleichen Maßnahmen, mit denen das Land schon auf die Finanzkrise und deren Folgen reagiert hat. Damals ist es ebenfalls auf den ersten Blick gelungen, die Krise zu bewältigen, wie sich an den rasanten Wachstumsraten von neun bis zehn Prozent in den Jahren 2009 und 2010 zeigte. Zugleich, und das übersehen viele, wurde mit dieser Art der Politik aber die Basis für das grundlegende Strukturproblem der chinesischen Wirtschaft geschaffen: Die Ungleichgewichte in der Wirtschaft, die sich in der massiv gestiegenen Verschuldung im Unternehmenssektor manifestieren. Sie liegt inzwischen bei rund 160 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Mit dieser Politik liefert Peking Anreize, die Verschuldung noch weiter nach oben zu fahren – anstatt die so dringend notwendige Bereinigung am Markt zuzulassen.
Gleichzeitig will Chinas Führung die eigene Wirtschaft in Richtung eines nachhaltigeren Geschäftsmodells umbauen – weniger Export und Infrastrukturinvestitionen, mehr Binnennachfrage. Dieser Plan ist natürlich sinnvoll – ich frage mich dann aber, wie dieses Ziel zu der Unterstützung der bestehenden Strukturen durch die fortgesetzten wirtschaftspolitischen Interventionen passt.
Pikant daran ist, dass die chinesische Führung damit eigentlich signalisiert, dass sie den Strukturwandel eben doch nicht im Griff hat. Gelingt es ihr jedoch nicht, die Investoren vom Gegenteil zu überzeugen, dürfte es zu erneuten massiven Kapitalabflüssen aus dem Land kommen. Und das wäre für die Aktienmärkte des Landes eine denkbar schlechte Entwicklung. Anleger müssten dann mit heftigen Kurskorrekturen rechnen – unabhängig davon, ob die Aktien günstig bewertet sind oder nicht.
Dazu kommen die Blase am Immobilienmarkt, die jederzeit platzen kann, und – aktuell fast noch wichtiger – der Einfluss der Politik des neuen US-Präsidenten. Donald Trump hat schon im Wahlkampf angekündigt, auch gegen China Strafzölle einführen zu wollen. Ob er dies tatsächlich tun wird, ist natürlich noch offen. Aber Anleger sollten diese Möglichkeit zumindest in Betracht ziehen.
Natürlich wären protektionistische Maßnahmen vonseiten des künftigen amerikanischen Präsidenten für die gesamte Weltwirtschaft ein Rückschritt. Aber gezielte Strafzölle gegen China würden die Unternehmen dort ganz besonders hart treffen. Immerhin sind die USA der wichtigste Handelspartner Chinas. Der Anteil an den Ausfuhren, der in die Vereinigten Staaten geht, liegt bei rund 18 Prozent.
Chinas Wirtschaftswachstum würde sich in diesem Fall massiv abschwächen, die Umsätze und Gewinne vieler Unternehmen gerieten enorm unter Druck. Ich bin ohnehin sehr überrascht, dass die chinesischen Aktienmärkte nicht sehr viel stärker auf die US-Wahlen reagiert haben. In Mexiko – dem anderen Ziel von Trumps Handelspolitik – sind Aktienkurse und Währung um jeweils sieben und zehn Prozent gefallen. In China hat die Währung dagegen nur etwa 1,4 Prozent verloren, der Shanghai A Shares hat seit der US-Wahl sogar zugelegt.
Anleger sind gut beraten, heute sehr vorsichtig zu sein, wenn es um Investments in China geht. Das Land befindet sich an einem Scheideweg. Ob der Strukturwandel funktioniert, ist noch völlig offen. Und die US-Handelspolitik schwebt wie ein Damoklesschwert über dem Land. Auch wenn chinesische Aktien günstig sind – die Risiken überwiegen derzeit eindeutig die Chancen.
Autor: Axel Angermann, Feri Gruppe