Surprise, surprise.
Außenseiterchancen. Überraschungen sind an den Kapitalmärkten besonders relevant. Weil kaum einer mit ihrem Eintreten rechnet, können sie große Auswirkungen auf die Kurse haben. Deshalb befragte private wealth sein Netzwerk – Chefstrategen von Banken, Vermögensverwalter und Family Officer: Was könnte 2017 passieren, das heute noch niemand auf der Rechnung hat?
Die Nummer sieben der „Ten surprises 2016“, die private wealth vor einem Jahr publizierte, trug eine provokante Überschrift: „Donald Trump for president“. „Es wäre nicht das erste Mal, dass Amerika eine ungewöhnliche Wahlentscheidung trifft“, meinte Thomas Domeratzki, Bethmann Bank, damals: „Trump steht für eine nationale Politik der Abschottung. Er würde die weiße Mittelklasse stützen, die sich auf dem absteigenden Ast wähnt.“ Wirtschaftspolitisch seien Steuersenkungen zu erwarten: „Kurzfristig hätte dies wohl einen positiven Effekt auf Firmenerträge und Aktienkurse. Langfristig wäre aber der Schaden durch eine Renationalisierung der US-Wirtschaft größer.“ Querdenken lohnt sich offensichtlich.
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Bei den zehn Überraschungen von private wealth handelt es sich ausdrücklich um Entwicklungen, die denkbar, aber nicht wahrscheinlich sind. Und die, eben weil mit ihnen keiner rechnet, große Auswirkungen an den Kapitalmärkten hätten.
Um einen möglichst breiten Pool interessanter Ideen zu generieren, befragte private wealth sein Netzwerk – Bankiers, Chefstrategen, Vermögensverwalter und Family Officer. Das Ergebnis sind die „Ten surprises of 2017“.
// 01. Boom, Boom.
„Eine deutliche Beschleunigung des globalen Wachstums hat derzeit niemand auf dem Programm“, meint Karsten Tripp, „Auslöser wären Konjunkturprogramme und damit verbunden mehr Vertrauen bei Verbrauchern und Unternehmern. In den USA beginnt dies nach der Wahl, in Frankreich schon vor den Wahlen, um den Wählern zu zeigen: ,Wir haben verstanden.‘ Selbst in Deutschland werden nun Wahlgeschenke verteilt. Weil zudem die Bremsklötze des letzten Wachstumsjahrgangs, Brasilien und Russland, den Weg aus der Rezession gefunden haben, wächst die Weltwirtschaft plötzlich dynamisch. Die Zinsen steigen, die Notenbanken können sich vom Krisenmodus verabschieden.“
„Nachdem die Anleger jahrelang mit Blick auf politische Probleme dem Aktienmarkt nicht so richtig getraut haben, kaufen sie 2017 angesichts der positiven wirtschaftliche Rahmendaten zyklische Werte“, ergänzt Alexander Ruis, SK Family Office. „Auch in Europa erklimmen die Börsen neue Höchststände.“ „Vielleicht entdeckt dann sogar die Politik das Thema Produktivkapital für die Altersvorsorge und fördert die langfristige Aktienanlage steuerlich“, überlegt Gottfried Urban, Bayerische Vermögen: „Die Marktentwicklung könnte die Bundesregierung dann zum Beispiel nutzen, um die Privatisierungspläne der Deutschen Bahn AG zu aktivieren.“
// 02. Immobilien-Crash.
„Den Beginn der Zinswende haben wir wohl hinter uns“, meint Christian Stadermann, Logos Patrimon, „falls nun die Renditen von Anleihen auch in Europa langsam weiter nach oben klettern, könnte es außerhalb von Top-Lagen zu einer Neubewertung von Wohnimmobilien kommen.“ Dabei seien nicht die höheren Hypothekenzinsen entscheidend. „Wichtiger ist, dass dann große Käufergruppen wegfallen würden, die Immobilien statt Anleihen erworben haben. Wer neu investiert, würde höhere Mietrenditen fordern. Und bei gleichbleibenden Mieten bedeutet das: Die Preise fallen.“
// 03. Der Helikopter fliegt.
„Die Staaten der Eurozone könnten das Helikoptergeld beschließen“, überlegt Gottfried Urban: „Das Geldgeschenk – ein zweckgebundener Konsumscheck – wäre mit einem Ablaufdatum versehen und würde nach anfänglichen Protesten auch von Deutschland beschlossen. Die Verschuldung stiege dann erneut, doch Brüssel verkündet offiziell in Absprache mit allen Eurozonenländern eine vorübergehende Aussetzung von Sanktionen bei Verletzung von Schuldengrenzen. Der Weg ist frei für ein Wachstums- und Beschäftigungsprogramm in der Eurozone. Die Börsen haussieren. Rund um das Thema Industrie 4.0, Digitalisierung und Vernetzung entsteht ein Hype.
// 04. Rückkehr der Inflation.
„Bis jetzt hat die enorme Geldmengenausweitung der Notenbanken ja keinen Einfluss auf die Inflationsraten gehabt, weil die Nachfrage einfach zu schwach war“, meint Jörg Hundhausen, Tresono Family Office: „Stellen wir uns nun einmal vor, das Wachstum in der Weltwirtschaft zieht wirklich an. Unternehmer investieren. Konsumenten konsumieren. Und plötzlich findet all diese Liquidität den Weg in den Wirtschaftskreislauf.“
// 05. EZB kauft Aktien.
„Bekannte Vorbilder wie die Bank of Japan (BoJ) und die Schweizerische Nationalbank (SNB)“, erklärt Jörg Hundhausen, „haben in den letzten Jahren bereits erhebliche Aktienpositionen aufgebaut. 2017 könnte die EZB folgen.“
„Die Befürworter bringen portfoliotheoretische Argumente ins Spiel“, informiert Jörg Laser, Donner & Reuschel. Im Rahmen des laufenden Wertpapierkaufprogrammes stoße die EZB zunehmend an Grenzen. Der Ankauf von Anleihen im Gegenwert von 80 Milliarden Euro monatlich habe die Liquidität an den Anleihemärkten schon deutlich eingeschränkt. Wolle die EZB das Kaufprogramm über den März 2017 hinaus verlängern, könnte die Erweiterung des Universums auf Aktien ein Ausweg sein. Die Beimischung von Aktien brächte zudem einen Risikodiversifikationseffekt. Und: Dividenden würden die laufenden Erträge der Notenbank anheben. Durch Aktienkäufe bedingte Kurssteigerungen könnten zudem Firmen eine Kapitalerhöhung erleichtern und über Vermögenseffekte den Konsum stimulieren.
Allerdings bleiben Bedenken vor der Verstaatlichung unternehmerischen Vermögens. Und auch die Frage nach den Möglichkeiten einer späteren Veräußerung ist unbeantwortet. „Die Wertung eines solchen Unfugs unter geldpolitischen Aspekten “, schließt Laser darum, „erspare ich Ihnen und mir.“
// 06. Frexit, Nexit und Dexit.
„Auch wenn dies nicht unserem Szenario entspricht, könnte in Europa 2017 einiges schiefgehen“, meint Lars Ellermeier, Bethmann Bank: „Nehmen wir an, der Brexit wird Realität. Nach Beginn der Austrittsverhandlungen entscheiden sich vielleicht auch die Niederlande und Dänemark per Referendum gegen die EU. Marine Le Pen verliert die Präsidentschaftswahl in Frankreich zwar knapp. Sie erzwingt aber eine Volksabstimmung. Der Frexit bedroht die europäische Idee nun ernsthaft. Turbulenzen an den Kapitalmärkten wären die Folge. Um einen Zinsanstieg bei Staatsanleihen Frankreichs und der Peripherieländer zu verhindern, gibt die EZB noch mehr Gas. Investoren fliehen in Bundesanleihen. Deren Rendite fällt auf minus zwei Prozent.“
// 07. Wasserstoff-Revolution.
„Eine Vision könnte auch sein: Kostengünstige Brennstoffzellen für den Einsatz von Wasserstoff werden massentauglich“, überlegt Gottfried Urban: „Der Ölpreis fällt dann auf 20 Dollar. Anleihen und Aktien aus dem Energiebereich brechen ebenso ein wie die vieler Zulieferer im Automobilsektor. Banken sowie Anleihegläubiger aus den arabischen Staaten und Russland bekommen Probleme. Schlagworte wie Ölkrise 2.0 und Destructive Technologies machen die Runde. Die Staatsfonds von Ölländern müssen Aktien verkaufen, die EZB kauft diese, um eine Infizierung der Realwirtschaft zu vermeiden.“
// 08. Schwellenländer leiden.
„Im Moment werden ja Schwellenländer-Aktien von fast allen zum Kauf empfohlen“, informiert Alexander Prochnow-Ast, Family Office Volksbank Kraichgau, „aber nehmen wir an, durch fiskalpolitische Impulse des neuen Präsidenten Trump steigt die Beschäftigung in den USA deutlich stärker als erwartet. In diesem Fall geriete die Notenbank FED in eine schwierige Lage, weil sie mit Blick auf die eigene Wirtschaft die Zinsen schneller anheben müsste. Der US-Dollar würde weiter aufwerten und es käme zu massiven Kapitalabflüssen aus den Schwellenländern.“
// 09. Donald Trump gibt auf.
„Donald Trump gibt Ende 2017 entnervt auf, da er mit der hohen Komplexität der Aufgaben nicht klarkommt und die ständigen Querschüsse seiner republikanischen ,Parteifreunde‘ im Kongress satt hat“, überlegt Christian Jasperneite, M.M. Warburg & Co. Eine Zeit großer Unsicherheit bricht an. Ökonomen und Analysten fragen entsetzt: „Wer ist eigentlich Mike Pence?“
// 10. Der Brexit fällt aus.
„Das oberste Gericht in Großbritannien ordnete an, das finale Austrittsersuchen aus der EU müsse vom Parlament gebilligt werden“, informiert Joachim Meyer, Meyer & Cie.: „Das wird knifflig. Vielleicht kommt es zu Neuwahlen. Die Euro-Befürworter gewinnen und fordern ein neues Referendum.“
Autor: Klaus Meitinger
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