Zum Hauptinhalt springen
  • Klaus Meitinger

Potemkinsche Dörfer.

Immobilien. In den vergangenen Jahren haben Bundesbürger zweistellige Milliardenwerte in Zinshäuser investiert. Doch die Sehnsucht nach Sicherheit katapultiert die Portfolios in eine ganz andere Risikodimension. Auf lange Sicht könnte sich das als fataler Fehler herausstellen.

Der Münchner Immobilienmarkt macht Schlagzeilen. Die hohe Attraktivität von Renditehäusern, schreibt der Makler Aigner, mache sich in den weiter steigenden Kaufpreisfaktoren bemerkbar: „In den besonders gefragten Wohnlagen waren Käufer bereit, bis zum 45-fachen der jährlichen Nettokaltmiete zu bezahlen.“ Zinshäuser in wirtschaftsstarken Standorten, erklärt Aigner, böten ihren Eigentümern eben eine inflationsgeschützte Anlage mit sicheren Erträgen.

Ist das wirklich so? „Die Flucht vieler Deutscher ins Zinshaus ist eine der größten Fehlallokationen von Kapital, die wir in den letzten 60 Jahren gesehen haben“, widerspricht Phillip Vorndran, Vordenker beim Vermögensverwalter Flossbach von Storch.

Das bedeutet nicht, dass Vorndran Anlagen in Immobilien grundsätzlich ablehnt. „Wir unterscheiden nur sehr genau zwischen selbstgenutzten Immobilien und vermieteten Wohnimmobilien. Die eigenen vier Wände sind natürlich ein Muss und ein sinnvolles Instrument für die Altersvorsorge, davon jedoch haben die Deutschen viel zu wenig. Und selbst wenn Investoren 25 Prozent ihres liquiden Vermögens in ein Zinshaus stecken, weil sie dort bewusst unternehmerisches Risiko eingehen möchten, geht das in Ordnung. Problematisch wird es aber immer dann, wenn ein Großteil des Vermögens in diesem Segment investiert wird.“

Im Moment, so der Experte, sähen viele Portfolios deshalb „sehr problematisch“ aus. Häufig würden Investoren Zinshäuser oder vermietete Eigentumswohnungen schließlich mit dem Kapital erwerben, das früher in Anleihen oder Festgeld angelegt war. Und dabei nicht selten auch noch eine Menge Fremdkapital aufnehmen.

„Das hat die Portfolios in eine neue Risikodimension katapultiert. Ich glaube nicht, dass sich alle Anleger dessen bewusst sind“, meint Vorndran und fragt: „Kämen Sie auf die Idee, 80 Prozent Ihres Eigenkapitals am Aktienmarkt zu investieren und dieses Engagement dann noch mit 50 Prozent Fremdkapital zu hebeln? Wenn Sie jetzt völlig entgeistert abwinken, sollten Sie einmal genauer über Ihr Zinshaus nachdenken.“

Den Einwand, Immobilien seien mit Aktien nicht zu vergleichen, lässt der Experte nicht gelten: „Vermietete Immobilien, sind dem Wesen nach den Aktien artverwandte Anlagen – nur viel illiquider“. Wer ein Zinshaus kauft, geht im Wohnungsmarkt ein ähnliches unternehmerisches Engagement ein wie der BMW-Aktionär im Automarkt. Bei beiden Anlagen gilt: Im Wirtschaftsaufschwung verdienen die Investoren mehr. Der Vermieter kann höhere Mieten durchsetzen, der Autobauer wird mehr Autos verkaufen. Und in einer Rezession bekommen beide Probleme. Das Unternehmen erwirtschaftet niedrigere Erträge oder macht sogar Verlust. Und Investoren in Zinshäuser werden nur noch geringere Mieten erzielen können, weil die Bürger weniger Geld zur Verfügung haben. „Vermieter haben dann nur die Alternative, die Miete zu senken oder Leerstand in Kauf zu nehmen.“

Auch die Reaktion auf extreme gesellschaftliche Veränderungen zeigt, wie ähnlich sich die beiden Anlageklassen sind: „Bei einem Systemwechsel von der sozialen Marktwirtschaft in eine kommunistische Wirtschaftsstruktur würden zum Beispiel beide enteignet“, erklärt Vorndran: „Und sollten wir einen Wechsel im Währungssystem bekommen, behalten beide ihren Wert. Dann wird die Immobilie genauso in der neuen Währung bewertet wie die Aktiengesellschaft.“

Dass vermietete Immobilien trotzdem im Vergleich zur Aktie als „viel sicherere“ Anlage empfunden werden, habe wohl vor allem damit zu tun, dass für sie nicht jeden Tag ein neuer Preis aufgerufen werde. „Wer nur einmal in fünf Jahren auf den DAX schaut, würde Aktien vielleicht ebenfalls als schwankungsarmes Investment empfinden“, meint Vorndran.

„Die Frage ist doch: Wie definiere ich ,sicher’?“, überlegt der Experte: „Ist eine Beteiligung am Bayer-Werk wirklich unsicherer als eine vermietete Immobilie in Leverkusen? Ist die BMW-Aktie unsicherer als eine Immobilie in München? Wer diese Frage vorurteilsfrei beantwortet, erkennt schnell, dass vermietete Immobilien auf die lange Frist ein schlechteres Verhältnis zwischen Risiko und Rendite aufweisen als Aktien.“

Ein spezielles Problem sei zum Beispiel die mangelnde Liquidität. „Maximal fünf Prozent der deutschen Immobilien befinden sich in Lagen, die sich jederzeit schnell und ohne Preisabschlag liquidieren lassen, falls Anleger verkaufen wollen oder müssen. Bei allen anderen Objekten wird es schwierig. Aktien von großen Unternehmen oder Fonds sind dagegen täglich handelbar.“

Für Aktien sprächen zudem die Transaktionskosten. „Wer sein Kapital nur über eine gewisse Zeit parken will, hat bei der Immobilie garantiert zehn Prozent an Transaktionskosten verloren – Grunderwerbsteuer, Makler, Notar. Bei der Aktie kosten Kauf und Verkauf maximal einen Prozentpunkt – und dann haben Sie noch nicht gut verhandelt.“

Dazu kommt , was Vorndran „Klumpenrisiko“ nennt. Klumpenrisiken entstehen immer dann, wenn ein sehr großer Anteil des Vermögens in einer Anlageklasse oder in einem Wirtschaftsraum investiert sind. „Das ist manchmal schon bei der Investition in die selbst genutzte Immobilie der Fall. Exponentiell steigt das Risiko aber, wenn zusätzlich noch ein Zinshaus gekauft wird, das meistens sehr nahe am eigenen Arbeitsplatz und Wohnort liegt.“

Schließlich kaufen Anleger in der Regel dort, wo sie sich auskennen. „Kommt es in dieser Region dann zu Verwerfungen am Arbeitsmarkt, sind sie dreifach getroffen – der Job ist in Gefahr, der Wert der selbst genutzten Immobilie sinkt. Und beim Zinshaus steigt das Risiko von Leerständen. Wenn dann noch Fremdkapital im Spiel ist, kann das fatale Folgen für das Vermögen haben.“

Unter Berücksichtigung all dieser Aspekte müssten vermietete Immobilien deshalb eigentlich eine höhere Rendite bringen als Aktien. Doch dem ist nicht so – ganz im Gegenteil. Bei Zinshäusern in erstklassigen Lagen, die zwischen dem 30- und 44-fachen der Nettokaltmiete verkauft werden, liegt der maximale Ertrag zwischen 2,2 und drei Prozent. „In der Praxis werden es aber noch sehr viel weniger sein. Anleger können ja nicht unterstellen, dass sie nur regelmäßig die Miete kassieren müssen. Zu berücksichtigen sind auch noch Reparaturen, Erhaltungsinvestitionen, Leerstände beim Mieterwechsel, Mietausfall, der eigene Arbeitsaufwand oder die Kosten für externe Verwalter. Am Ende des Tages liegt der wirkliche Cashflow deutlich unter der erwarteten Mietrendite.“

Die Alternative zu Zinshäusern in ersten Lagen sind Qualitätsaktien, die heute eine ähnlich hohe Dividendenrendite zwischen zwei und drei Prozent liefern. „Das entspricht aber in der Regel nur der Hälfte des tatsächlichen Gewinns. Der Rest wird in die Zukunft und damit in künftigen unternehmerischen Erfolg investiert, der dann wieder höhere Dividenden bringen sollte. Und es gibt keinen Aufwand für Reparaturen oder Erhaltungsinvestitionen. Während also die Mietrendite den tatsächlichen Ertrag weit überzeichnet, werden Aktien drastisch unterschätzt, wenn Anleger nur die Dividendenrendite betrachten.“

Flossbach von Sturch hat in einer Analyse den reinen Cashflow-Überschuss von Immobilien mit dem einer Qualitätsaktie verglichen. Das Ergebnis: „Bei der Immobilie dürfte in den nächsten 20 Jahren zwar eine kumulierte Rendite von knapp 100 Prozent realistisch sein, dies ergibt aber realistischerweise nur einen kumulierten Cashflow von etwa 65 Prozent. Bei der Qualitätsaktie wird der Cashflow dagegen über 120 Prozent liegen. Diese Differenz dürfte sich bei beiden Investments über den zukünftigen Verkaufspreis auflösen.“

Im Klartext: Auf Sicht von 20 Jahren werden sich die Kurse von Qualitätsaktien sehr viel besser entwickeln als die Preise von Immobilien.

Wer trotzdem heute immer noch aus Renditegründen Zinshäuser kauft, muss zumindest deutliche Mietsteigerungen erwarten. „Dies ist schon aus politischer Sicht fraglich“, winkt Vorndran ab: „Außerdem unterschätzen Investoren einen wichtigen Aspekt des aktuellen Immobilienbooms – die Investitionen in selbst genutzte Immobilien.“

Seit Ende 2009 steigt die Zahl der Baugenehmigungen in Deutschland stetig an. 2015 wurde laut Statistischem Bundesamt mit über 309000 Wohnungen erstmals seit dem Jahr 2000 wieder die Marke von 300000 genehmigten Wohnungen überschritten. Von Januar bis April 2016 setzte sich diese Entwicklung weiter fort. In diesem Zeitraum wurden 117 000 Baugenehmigungen erteilt, gut 31 Prozent mehr als in den ersten vier Monaten des Vorjahrs.

„Als Besitzer eines Zinshauses würde mich das irritieren“, überlegt Vorndran. „Denn Menschen, die sich nun Häuser bauen oder Wohnungen kaufen, sind sogenannte A-Mieter – also diejenigen, die Vermieter sich als Mieter wünschen. Sie migrieren nun aus der Miete in die eigenen vier Wände. Beim Versuch, sie zu ersetzen, hilft ein Bevölkerungszuwachs beispielsweise durch Flüchtlinge aber nur bedingt. Der geht vielleicht in das C-Haus, aber nicht in die Eckwohnung in Grünwald.“

Ganz offensichtlich steht das Argument mit den zwar kleinen, aber immerhin sicheren Erträgen auf wackeligen Beinen. Ist dann zumindest die Erwartung weiter steigender Preise fundiert?

In der Immobilienwirtschaft wird an dieser Stelle immer mit dem Zuzug argumentiert. Angesichts der perspektivisch steigenden Nachfrage nach Wohnraum seien weitere Preissteigerungen in den Metropolen nur eine logische Folge.

Im Hot Spot München ist die Bevölkerung in den letzten 15 Jahren tatsächlich gestiegen. Interessant ist aber: Von 2001 bis 2009 wuchs die Einwohnerzahl laut dem Statistikportal Statista um 8,3 Prozent von 1,22 auf 1,33 Millionen. Doch die Immobilienpreise, das zeigen die Daten des Gutachterausschusses in München, veränderten sich per Saldo kaum. Von 2009 bis 2015 kletterte die Einwohnerzahl dann in ähnlichem Maß – um 8,4 Prozent. Und seither haben sich die Preise für Grundstücke, Häuser und Wohnungen in etwa verdoppelt.

Kann es sein, dass ganz andere Faktoren hinter der Preisexplosion stehen?

„Sie ist eindeutig eine Kombination aus zwei Gründen: der Zinsentwicklung und der Verbreiterung der Investorenbasis“, erklärt Vorndran: „Bis 2008 investierte eine rein deutsche Klientel in Zinshäuser. Heute sind Standorte wie Berlin, Hamburg, München klassische ‚places to be’. Investoren sind mittlerweile sogar chinesische Institutionelle.“ Diese Käufer, so der Experte, würden allein auf die Differenz zwischen ihren Einnahmen und dem Fremdkapitalzins schauen: „Vor fünf Jahren, als Hypotheken fünf Prozent kosteten, waren sieben Prozent Mietrendite nötig. Liegt die Hypothek bei einem Prozent, können sie auch einen ,Dreier‘ akzeptieren“.

Der mächtigste Treiber der Immobilienpreise ist also die Geldpolitik der Notenbank. In Verbindung mit der Sehnsucht nach Sicherheit privater Investoren hat sich daraus in Deutschland ein explosives Gemisch entwickelt. Das Problem: Eigentlich passt die EZB-Zinspolitik überhaupt nicht zur heimischen Wirtschaftsentwicklung. Reale Wachstumsraten zwischen 1,5 und zwei Prozent, niedrige Arbeitslosenzahlen und deutliche Reallohnerhöhungen sind eher Anzeichen eines Booms als einer Krise, die mit Negativzinsen bekämpft werden müsste.

Eine zu expansive Geldpolitik, die nicht zur Binnenwirtschaft passte, hatte zwischen 2000 und 2007 schon Spanien, Portugal und Irland einen Immobilienboom beschert, für den die Länder später teuer bezahlen mussten. Jetzt ist offenbar Deutschland an der Reihe.

Das größte Risiko für Investoren in Zinshäuser liegt deshalb darin, dass sich die aktuelle Ausnahmesituation – Wirtschaftsboom bei gleichzeitigem Negativzins – irgendwann normalisiert. Dass die Sonderkonjunktur Deutschlands endet und ein Abschwung einsetzt. Oder dass sich Europas Wirtschaft fängt und die Zinsen wieder steigen.

„Ein Abschwung würde Vermietungen natürlich schwieriger machen und auch die Nachfrage nach Immobilien verringern. Noch problematischer wäre allerdings eine Veränderung des Zinsniveaus“, erläutert Vorndran: „Stellen Sie sich vor, die Hypothekenzinsen lägen wieder bei vier Prozent. Potenzielle Investoren würden dann nur noch zu einer Mietrendite von sechs Prozent kaufen – statt zu drei Prozent. Die Preisreaktion darauf ist einfache Mathematik. Entweder die Mieten müssten sich verdoppeln. Oder der Preis der Immobilie halbiert sich. Der Immobilienmarkt würde dann – ich möchte es vorsichtig ausdrücken – ziemlich stark abwerten.“

Den Trend zum Zinshaus hält Vorndran darum für eine Wette auf dauerhaft tiefe Zinsen und stabiles Wachstum, „was durchaus nicht ganz unwahrscheinlich ist. Wenn dies allerdings so kommt, wird die Flut der tiefen Zinsen die Preise aller Realwerte nach oben heben“.

Und falls es anders kommt? „Das weltweite Wirtschaftsumfeld ist sehr anspruchsvoll. Da gilt es, das Vermögen möglichst robust aufzustellen – die eigenen vier Wände gehören dazu, 15 Prozent Cash-Reserve, 30 bis 40 Prozent globale Qualitätsaktien, ein bisschen Gold, maximal 15 Prozent vermietete Immobilien. Wer glaubt, durch einen höheren Anteil von Immobilien im Depot sein Vermögen sicherer zu machen, unterliegt einer großen Illusion.“ ®

Autor: Klaus Meitinger

Verlagsanschrift

  • Private Wealth GmbH & Co. KG
    Montenstrasse 9 - 80639 München
  • +49 (0) 89 2554 3917
  • +49 (0) 89 2554 2971
  • Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Sprachen

Soziale Medien