Depots aktiv bewirtschaften.
Optionsstrategien. Je wilder die Kurse an den Aktienmärkten schwanken, desto teurer werden Optionen. Sie verbriefen das Recht, Aktien zu bestimmten Preisen zu kaufen oder zu verkaufen. Investoren können sich dies zunutze machen. Mit intelligenten Stillhalterstrategien lassen sich heute nicht nur überdurchschnittlich hohe Erträge erzielen. Sondern auch intelligente, defensive Anlageideen optimiert umsetzen.
Hauptsache, wild. „Als junger Broker wurde ich auch in die Geheimnisse des Optionshandels eingeweiht“, erzählt Winfried Walter, „das war zunächst etwas kompliziert. Doch nachdem ich dann Bescheid wusste, war mir klar: Eigentlich ist es einfach – sind die Märkte volatil, verdienst du viel.“
Genau dieses Umfeld findet der Vorstand der Vermögensverwaltung Schneider, Walter & Kollegen heute vor. „Die Märkte sind unheimlich volatil, Aktienkurse schwanken massiv. Mit Optionen zu arbeiten ist deshalb sehr, sehr lukrativ.“
Eine Option verbrieft das Recht, aber nicht die Pflicht, eine bestimmte Aktie zu einem späteren Zeitpunkt zu einem vereinbarten Preis zu kaufen oder zu verkaufen. „Jemand, der zum Beispiel glaubt, dass die VW-Aktie künftig stark im Kurs steigen wird, möchte vielleicht das Recht erwerben, den Titel in den kommenden drei bis vier Monaten für 105 Euro zu kaufen“, erklärt Walter: „Aktuell steht VW bei 100 Euro. Für dieses Recht, eine sogenannte Call-Option, wird er etwa acht Euro bezahlen. Das ist die Optionsprämie.“ Investoren, die auf fallende Kurse setzen oder ihre Aktienbestände absichern möchten, sind dagegen am Erwerb von Verkaufsoptionen interessiert. Sie erkaufen sich das Recht, VW-Aktien in den kommenden drei Monaten für 95 Euro zu verkaufen. Für diese sogenannte Put-Option werden sie ebenfalls eine Optionsprämie bezahlen.
Der Clou: Nehmen die Kursschwankungen einer Aktie zu, wird dieses Optionsrecht sehr viel wertvoller. „Schließlich steigt dann ja auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Notierungen innerhalb der Laufzeit ein Niveau erreichen, das dem Optionskäufer einen Gewinn ermöglicht“, erklärt Walter.
Wie drastisch sich die Preise für Optionen in diesem Fall ändern, zeigt eine kleine Rechnung anhand des VW-Beispiels. „In der Regel schwanken die Volatilitäten bei Aktien zwischen zehn und 50. Aktuell ist die Volatilität der VW-Aktie ziemlich hoch. Sie lag Mitte Februar bei 42. Deshalb war die Drei-Monats-Option damals acht Euro wert“, rechnet Walter vor: „Bei einer Volatilität von zwölf würde dieselbe Option nur etwas mehr als die Hälfte kosten. Das ist ein gewaltiger Unterschied.“
VW ist nach den Turbulenzen um Dieselgate natürlich das extremste Beispiel im DAX. „Nach den massiven Kursturbulenzen der letzten Wochen sind die Volatilitäten und damit die Optionsprämien aber bei vielen Aktien überdurchschnittlich hoch“, informiert Christian Stadermann, Geschäftsführer von Logos Patrimon, und folgert: „Wenn etwas an den Kapitalmärkten sehr teuer ist, dann möchte ich es verkaufen. Im Moment ist es also eine gute Idee, Optionen zu verkaufen und die hohen Prämien zu vereinnahmen.“
Wer Kauf- oder Verkaufsoptionen verkauft, geht Stillhaltergeschäfte ein. „Stillhalter, weil der Verkäufer still halten und abwarten muss, was der Käufer der Option macht“, erklärt Stadermann. Dieser habe am Laufzeitende schließlich die Wahl, ob er sein Recht nutzt – oder die Option verfallen lässt: „Der Stillhalter ist dagegen in einer passiven Rolle. Er muss auf Abruf die Aktie liefern oder den Kaufpreis bezahlen.“
Winfried Walter und Christian Stadermann setzen diese Stillhaltergeschäfte an der Optionsbörse Eurex systematisch ein, um Mehrwert für das Wertpapierportfolio zu schaffen. „Grundsätzlich“, erläutert Stadermann, „gibt es dabei drei Möglichkeiten. Durch den Verkauf von Kaufoptionen lässt sich erstens ein bestehendes Aktiendepot bewirtschaften. Der Anleger erzielt so ein interessantes Zusatzeinkommen aus seinem Depot“, erklärt Stadermann. „Der Verkauf von Verkaufsoptionen schafft ebenfalls Zusatzerträge, erlaubt aber außerdem noch die Umsetzung einer intelligenten, disziplinierten Kaufstrategie“, ergänzt Winfried Walter: „Und natürlich lassen sich beide Strategien auch wechselseitig kombinieren.“
// 01. Einkommen aus dem Aktiendepot generieren.
„Ausgangspunkt ist ein bestehendes Depot aus erstklassigen Aktien, das zusätzlichen Ertrag bringen soll“, erklärt Christian Stadermann: „Wer eine Aktie kauft, erwirbt dadurch ja drei Wertquellen – die Kursentwicklung, die Dividende und die Volatilität. Die meisten Investoren kümmern sich nur um Kurse und Dividende. Durch den Verkauf von Optionen können Sie auch die Volatilität bewirtschaften.“
Im obigen Beispiel funktioniert die Strategie so: Ein Anleger ist im Besitz von VW-Aktien, die Anfang Februar bei 100 Euro notierten. Er verkauft das Recht, dass ihm ein anderer Anleger den Titel in den kommenden drei Monaten für 105 Euro abkaufen darf. Dafür kassiert er acht Euro an Optionsprämie.
Nun können drei Dinge geschehen: Erstens, der VW-Aktienkurs steigt über 105 Euro. In diesem Fall würde der Käufer der Option die Aktie am Ende der Laufzeit zum Optionskurs von 105 Euro fordern. „Der Anleger müsste sie ihm zu diesem Preis verkaufen. Ihm bliebe der Kursgewinn von 100 auf 105 Euro und die Prämie von acht Euro als Ertrag. Nachdem das Geschäft abgeschlossen ist, wandert der Verkaufserlös entweder in die Kasse oder er wird neu investiert – in den gleichen Titel oder auch in einen anderen. Danach kann wieder eine neue Option verkauft werden.“
Zweitens könnte der Aktienkurs sich nicht signifikant bewegen und am Laufzeitende unter 105 Euro liegen. „Dann bleibt die Aktie im Depot. Die Option verfällt wertlos. Der Investor kassiert acht Euro Prämie und startet das Geschäft neu.“
Und drittens könnte VW natürlich auch im Kurs fallen. „Dann bleibt die Aktie ebenfalls im Depot – vorausgesetzt natürlich, die fundamentale Bewertung ist weiter positiv. Die Prämie federt den Verlust zumindest ein bisschen ab. Und selbstverständlich kann auch hier nach dem Verfall der alten Option wieder eine neue Option verkauft werden.“
Besonders interessant dabei ist, dass die Optionsprämien, wie auch die Dividenden, auf einem separaten Konto auflaufen. „Sie können vom Anleger als regelmäßige Einkommensquelle genutzt werden“, erläutert Stadermann. Zudem würden regelmäßig und quasi automatisch Buchgewinne realisiert: „Das gibt immer wieder die Möglichkeit, über die einzelnen Werte neu nachzudenken.“
Worauf Investoren achten sollten:
Mit welchem Anteil des Depots soll die Strategie umgesetzt werden?
Weil in Phasen stark steigender Kurse die Aktien relativ „günstig“ verkauft werden müssen, ist es meist sinnvoll, diese Strategie nur mit 30 bis 50 Prozent des Depots durchzuführen. Dann sei von Fall zu Fall zu entscheiden, wie auf den Abruf einer Aktie reagiert wird. „Soll die Aktie teurer zurückgekauft werden, die Cashquote erhöht oder in einen neuen Titel investiert werden?“, erläutert Stadermann die entscheidenden Fragen.
Der Bad Homburger Vermögensberater hat diese Strategie mittlerweile verfeinert. Er kauft Qualitätsaktien mit hoher Dividendenrendite, verkauft Kaufoptionen und sichert die Bestände immer wieder über Terminkontrakte ab. „Bei einem derart integrierten Ansatz ist auch eine Aktienquote von 100 Prozent machbar. Meine Erfahrung lehrt, dass so langfristig eine aktienähnliche Performance mit dem halben Risiko erzielt werden kann.“
Ist es sinnvoll, die Strategie mit Aktien umzusetzen, die besonders stark im Kurs gefallen sind?
„Kommt darauf an“, meint Christian Stadermann. Grundsätzlich seien die Optionsprämien dann besonders hoch. Es könne sich also lohnen, diese Titel zu kaufen und Optionen zu verkaufen – „wenn das Geschäftsmodell der Firma weiter intakt ist. Waren die Aktien vorher schon im Depot, ist es eventuell klüger, ein bisschen zu warten, um sich das Erholungspotenzial nicht abzuschneiden“, erläutert der Experte.
Wann genau werden die Optionen verkauft? Welche Laufzeit ist optimal? Und wie weit soll der Basispreis der Option – also der Kurs, zu dem der Käufer sein Recht ausüben darf – vom aktuellen Kurs entfernt sein?
„Am interessantesten sind in der Regel kurzfristige Optionen mit Laufzeiten zwischen einem und zwei Monaten. Bei einem systematischen Ansatz ist es das Ziel, etwa acht Mal im Jahr für jeden Basiswert ein Geschäft zu machen“, erläutert Stadermann: „Wichtig ist auch, Optionen nicht in den Monaten zu verkaufen, in denen die Dividende fließt. Denn die wollen Sie ja selbst kassieren.“
Muss ich die Aktie unbedingt besitzen, um eine Kaufoption zu verkaufen?
Grundsätzlich nicht. Wer Kaufoptionen aber verkauft, ohne die Aktie zu besitzen, geht ein hohes Risiko ein. Steigen die Kurse rasant, kann es zu hohen Verlusten kommen, weil der Anleger die Aktie dann teuer kaufen muss, um sie zum vereinbarten Basispreis zu liefern. „Im Rahmen eines systematischen Ansatzes zur Risikoreduktion“, meint Stadermann, „ist das strikt verboten.“
// 02. Einkommen aus Liquidität generieren und günstig Aktien kaufen.
„Viele Anleger haben heute ziemlich viel Liquidität auf dem Konto, wollen diese aber langfristig zu günstigen Kursen in Aktien investieren“, erläutert Winfried Walter, „für sie ist es heute sehr attraktiv, Verkaufsoptionen zu verkaufen.“
Ein Anleger verkauft in diesem Fall das Recht, dass ihm ein anderer Investor die Aktien verkauft – falls deren Kurs gesunken ist. Auch dafür ist eine Optionsprämie fällig.
Winfried Walter geht dabei in drei Schritten vor: „Am Anfang steht immer die Unternehmensanalyse. Ich erstelle eine Liste von Firmen, deren Geschäftsmodell und Bilanz über alle Zweifel erhaben ist. Das sind also Aktien, die ich schon immer langfristig besitzen wollte. Im zweiten Schritt überlege ich mir, zu welchem Kurs ich diese Firmen unbedingt bedenkenlos kaufen würde – im Fall von VW könnten das zum Beispiel 85 Euro sein. Nun verkaufe ich eine Verkaufsoption zum Basispreis von 85 Euro, kassiere die Prämie und warte ab. Ich verdiene so Geld auf meine Liquidität und kaufe die Aktien dann eventuell zu sehr günstigen Kursen.“
Wieder können drei Dinge geschehen: Erstens, der VW-Aktienkurs steigt. „Dann verfällt die Option wertlos. Und der Investor hat einen hübschen Ertrag auf sein Kapital gemacht.“ Zweitens, die VW-Aktie fällt zwar, ihr Kurs liegt aber am Laufzeitende über 85 Euro. „Auch dann verfällt die Option wertlos. Der Investor kassiert die Prämie und startet ein neues Geschäft.“
Drittens, die VW-Aktie fällt unter 85 Euro. In diesem Fall würde der Käufer der Verkaufsoption die Aktie am Ende der Laufzeit zum Optionskurs von 85 Euro andienen. Der Anleger müsste sie ihm zu diesem Preis abkaufen. Ihm bliebe zusätzlich die Optionsprämie. Nur wenn der VW-Kurs am Laufzeitende deutlich unter 85 Euro liegt, produziert die Strategie einen Buchverlust.
„Ich finde das aber nicht schlimm. Denn ich wollte die Aktie ja eigentlich unbedingt zu 85 Euro kaufen. Dass mir die Investmententscheidung in diesem Monet abgenommen wird, ist sogar ein Vorteil“, überlegt Walther: „Wie oft weichen Anleger von ihrem ursprünglichen Plan ab, wenn die Kurse fallen, und warten auf noch niedrigere Notierungen. Mit dem Ergebnis, dass sie dann nie investieren. Das kann Ihnen hier nicht passieren.“
Worauf Investoren achten sollten:
Welche Laufzeiten sind optimal?
Anders als bei der reinen Einkommenstrategie sollten Anleger längere Laufzeiten wählen. „Sechs bis neun Monate sind optimal“, meint Walter, „denn nur dann lassen sich attraktive Prämien und niedrige Basispreise kombinieren. Im VW-Beispiel ist das Recht, bis Ende des Jahres zu 85 zu verkaufen, aktuell immerhin 9,50 Euro wert. Diese Prämie zu kassieren ist interessant.“
Wie viel meiner Liquidität soll ich einsetzen?
„Im Ernstfall müssen Sie die Aktien ja kaufen. Dann sollte die Aktienquote im Depot nicht Ihr persönliches Wohlfühlmaß überstiegen“, rät Walter.
Ist es sinnvoll, Optionen während der langen Laufzeit zu bewirtschaften?
„Absolut“, meint Winfried Walter, „wenn die Volatilität wieder sinkt, gehen die Prämien schnell wieder deutlich zurück. Dann kann ich die Option zurückkaufen, beispielsweise für zwei bis drei Euro, und den Gewinn sichern.“
Muss ich das Kapital unbedingt besitzen, um die Aktien im Ernstfall abnehmen zu können, um eine Verkaufsoption zu verkaufen?
„Theoretisch nicht. Praktisch schon“, erklärt Walter. „Sie wollen ja nicht spekulieren, sondern im Ernstfall günstig Aktien kaufen. Ich achte darauf, dass die nötige Deckung auf den Konten ist.“
// 03. Die Kombi-Strategie.
Die hohe Schule der Aktiendepotbewirtschaftung, so die Experten, sei es, diese Optionsstrategien auf beiden Seiten anzuwenden. Der besondere Charme lässt sich am VW-Beispiel illustrieren. „Angenommen, ein Investor hält VW in seinem langfristigen Aktiendepot. Beim Kurs von 100 Euro verkauft er eine Kaufoption mit kurzer Laufzeit zum Basispreis von 105 Euro und kassiert die Prämie von fünf bis sechs Euro“, rechnet Walter vor. Steigt der Aktienkurs, muss er den Titel verkaufen.
Der Verkaufserlös von 105 Euro pro Aktie wandert auf sein Konto. „Im zweiten Schritt verkauft er nun eine Verkaufsoption auf neun Monate zum Basispreis von 100 Euro. Falls die VW-Aktie zu diesem Zeitpunkt bei 115 Euro notiert, würde diese Option etwa zehn Euro bringen.“
Diesmal gibt es nur zwei Fälle: Erstens, der VW-Aktienkurs steigt weiter. Dann verfällt die Verkaufsoption wertlos. Der Investor hat insgesamt 20 bis 21 Euro kassiert – die beiden Prämien und fünf Euro Kursgewinn – und braucht nun eine neue Anlageidee.
Alternativ könnte die VW-Aktie auch wieder unter 100 Euro fallen. Dann würde der Käufer der Verkaufsoption die Aktie am Ende der Laufzeit zum Optionskurs von 100 Euro andienen. „Der Anleger hätte dann seine VW-Aktie, die er ja als Langfrist-Engagement betrachtet, wieder zu 100 Euro im Depot. Sein Aktiendepot sieht also noch genauso aus wie vor zehn Monaten. Nur, dass er zwischenzeitlich die beiden Optionsprämien von 15 Euro erwirtschaftet hat. Und zusätzlich den ersten Kursgewinn von 100 auf 105 Euro vereinnahmte“, erläutert Christian Stadermann und schließt: „Besonders wenn die Aktienmärkte stark schwanken, kann dies unheimlich gut funktionieren.“
Angesichts dieser Perspektiven ist es erstaunlich, dass derartige Strategien noch nicht von sehr viel mehr Investoren genutzt werden. „Es ist eben ein bisschen kompliziert“, erklärt Christian Stadermann, „und Anleger müssen in ihrer strategischen Allokation auch aus dem üblichen Schubladendenken heraus, das in den Kategorien Aktien, Anleihen, Kasse stattfindet. Mit diesen Strategien sind sie immer mit einem Bein in der Aktie und mit einem Bein in der Kasse. Die Gegenpartei hat ja das Recht, etwas zu tun. Wenn sie handelt, ändert sich meine Vermögensaufteilung automatisch.“ Ein weiterer Grund sei im großen Feld der Verhaltensökonomie zu finden. „Menschen tendieren dazu, sich zu ärgern, wenn sie eine Aktie abgeben müssen, und deren Kurs dann weiter steigt. Ein solcher Ansatz lässt sich zudem eigentlich nur im eigenen Depot darstellen. Banken tun sich in den Beratungsdepots aber oft aus Kosten- und Compliancegründen schwer mit der Umsetzung.“
Wer diese Hürden meistert, findet in Optionsstrategien außergewöhnliche Möglichkeiten. Richtig eingesetzt, sind Optionen dann keine riskanten Anlageinstrumente. Stattdessen sorgen sie dafür, dass das Risiko der Aktienanlage reduziert wird. Besonders für konservative Anleger und Stiftungen sei dies attraktiv, macht Winfried Walter klar: „Wer diese Ansätze langfristig verfolgt, wird richtig Spaß haben – und zwar besonders, wenn es an den Märkten wild zugeht.“ ®
Autor: Klaus Meitinger