Die richtige Perspektive.
Die richtige Perspektive.
Mega-Trends. Wie sieht die Welt in zehn Jahren aus? Weil visionäre Themen sich gut verkaufen, sind Fonds oder ETFs, die Modethemen abdecken, oft überdurchschnittlich in den Depots präsent. „Das ist riskant“, warnt Bernhard Ebert, Leiter der Anlagestrategie der Bethmann Bank: „Mega-Trends können zwar eine gute Idee sein. Doch langfristig erfolgreich werden nur Anleger sein, die diese Themen richtig umsetzen.“
„Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ Diesen legendären Ausspruch des verstorbenen Altbundeskanzlers Helmut Schmidt wandelt Bernhard Ebert in Strategiegesprächen ab und an etwas um: „Wer Visionen einen großen Platz in seinem Depot einräumt, sollte zu seinem Berater gehen.“
Dass viele Anleger gern auf bahnbrechende Erfindungen, Mega-Trends oder visionäre Themen setzen, versteht der Anlagestratege der Bethmann Bank nur zu gut: „Das hört sich zunächst attraktiv an, das Potenzial scheint riesig. Die Finanzindustrie legt spezielle Produkte auf, die Medien schreiben darüber, die Storys klingen sehr überzeugend – doch viel zu oft wird vergessen, dass es sehr lange dauert, bis aus Hoffnungen Umsätze werden. So kommt es am Aktienmarkt regelmäßig zu Enttäuschungen.“
Ein Beispiel: Es ist gerade drei Jahre her, da wurde der 3-D-Druck als neue bahnbrechende Revolution gefeiert. Die Aktienkurse der Unternehmen, die damit zu tun hatten, gingen buchstäblich durch die Decke, Anleger rissen sich um Neuemissionen und die Finanzindustrie brachte spezielle Investmentvehikel auf den Markt, mit denen Anleger an diesem Trendthema partizipieren konnten.
Heute gilt der 3-D-Druck immer noch als Mega-Trend. Nur die Aktienkurse der führenden Firmen liegen mittlerweile 70 bis sogar über 85 Prozent unter ihren Höchstkursen. „Dieses typische Muster, dass wir dazu tendieren, die Effekte neuer Technologien kurzfristig zu über- und langfristig zu unterschätzen, konnten wir in der Vergangenheit immer wieder feststellen“, erklärt der Experte: „Neue Technologien schüren die Fantasie. Es kommt zu irrationalen Übertreibungen. Wird dann deutlich, dass viele der jungen Firmen die hoch gesteckten Erwartungen des Markts nicht erfüllen, brechen die Kurse ein.“ In dieser Phase der Desillusion verschwinden die ehemaligen Lieblinge der Anleger aus dem Blickfeld. „Und erst sehr viel später zeigt sich dann, wer wirklich von dem neuen Trend profitiert.“ (Lesen Sie dazu auch den Kasten auf Seite 58.)
Das größte Problem dieser in Fonds, Exchange Traded Funds oder Zertifikaten verpackten Trendthemen sei aus Anlegersicht, dass sie wie gemalt für eine Buy-and-hold-Strategie scheinen, es aber nicht sind. „Die Kurse schwanken enorm – und niemand sagt den Anlegern, wann die Übertreibung massiv ist und sie besser aussteigen sollten.“
Dazu komme noch ein weiterer Aspekt: „In den vergangenen Jahren wurden viele solcher Trends aufgerufen“, erinnert sich Ebert. „Denken Sie nur an den Internet-Hype Ende der 90er-Jahre, an Wind, Solar oder auch das BRIC-Thema – wenn Sie all diesen Trends folgen, haben Sie am Ende ein Depot aus Aktien von Unternehmen mit hohem Risiko.“
Die Experten der Bethmann Bank gehen bei der Aktienauswahl anders vor. „An erster Stelle muss immer die Qualität der Anlage stehen. Die fundamentalen Daten müssen stimmen, die Marktstellung oder eine hohe Dividendenkontinuität. Wenn ein Unternehmen zusätzlich künftig von einem Trendthema profitieren könnte – umso besser“, erklärt Ebert: „Mega-Trends spielen also bei der Titelauswahl durchaus eine Rolle. Die Diskussion darüber hilft uns zu erkennen, worauf wir die Lupe bei der Analyse richten müssen. Wo es sich lohnen könnte, tiefer zu graben und genauer hinzuschauen.“
Dann könne es durchaus sein, dass die Analysten dort besonders viele attraktive Titel finden. „Nur die Vorgehensweise bei der Zusammenstellung des Depots ist eben komplett anders.“ Megatrends bekommen nicht von vornherein einen bestimmten Anteil im Portfolio. Dieser ergebe sich eher zufällig, „wenn bestimmte Unternehmen wirklich besonders attraktiv sind“.
Dabei wird nicht jeder scheinbare Mega-Trend beachtet. „Wir berücksichtigen nur Dinge, deren Effekt nicht in allzu weiter Ferne liegt. Die spürbar sind und jetzt passieren. Wir müssen sicher sein, dass wir keiner Illusion aufsitzen.“ Momentan sind das zwei Themen – alternative Energien und Industrie 4.0 (unten).
„Alternative Energien haben den Euphorie-Enttäuschungs-Zyklus schon hinter sich“, erläutert Bernhard Ebert, „jetzt befreit sich die Branche langsam aus der Phase der Ernüchterung.“ Tatsächlich erlebte dieser Sektor einen dramatischen Ausleseprozess. Die Kurse sind seit 2008 massiv eingebrochen, etliche Solar- und Windkraftfirmen sind verschwunden. Gut ablesen lässt sich dies am Aktienindex Renewable Energy Industrial Index World (Renixx). Er hat seit seinem Höchststand bei rund 2000 Punkten über drei Viertel seines Werts eingebüßt und notiert heute nur noch bei 474 Punkten.
Bemerkenswert ist eben aber auch, dass sich dieser Index von seinem Tiefpunkt im Jahr 2013 bei rund 150 Punkten verdreifacht hat. „Auch das ist typisch. In der ersten Phase, in der nicht sicher ist, wer den Ausleseprozess übersteht, winken hohe Gewinne. Nun beginnt die Phase des ,normalen‘ Geschäfts. Sie wird lange anhalten und für Anleger profitabel sein“, meint Ebert.
Den Strategen beeindruckt vor allem die globale Perspektive. „Auf dem letzten G-7-Gipfel in Elmau vereinbarten die sieben führenden Wirtschaftsnationen tatsächlich, ihre gesamte Energieversorgung bis 2050 weitgehend auf erneuerbare Energien umzustellen. Das ist eine ganz neue Dimension.“
Auch die Schwellenländer ziehen beim Klimathema mit. „Chinas Parteiführung hat sich auf dem jüngsten Parteikongress klar zum Ausbau der alternativen Energien bekannt“, sagt Ebert. Tatsächlich sind dort schon heute Anlagen mit einer Leistung von rund 400 Gigawatt > installiert, fast doppelt so viel wie in den USA und viermal so viel wie in Deutschland. Dieser Umfang soll laut dem neuen Fünfjahresplan der Regierung in Peking bis 2020 noch einmal verdoppelt werden, um von traditionellen Energieträgern unabhängiger zu werden und die Umweltverschmutzung im Reich der Mitte zu begrenzen.
„Wir haben heute eine Industrie mit sehr hohem Technologiestand und zum ersten Mal nicht nur in Deutschland, sondern weltweit eine Bewegung in diese Richtung“, erklärt Ebert. „Das macht die Nachfrage kalkulierbar und diesen Bereich interessant.“
Das zweite große Thema, mit dem sich die Experten der Bethmann Bank auseinandersetzen, ist das „Internet der Dinge“ – Industrie 4.0. „Da beginnt eine echte Revolution, die unsere Industrie und die gesamte Wirtschaft nachhaltig verändern wird. Es geht um Effizienz und riesige Einsparpotenziale.“
Als Beispiel skizziert Ebert die Entwicklung im Hamburger Hafen. „In Häfen mangelt es immer an Platz und Zeit. In Hamburg sind nun Kräne, Schiffe, Container und Lastwagen mit Chips ausgestattet. Alle Einheiten kommunizieren über einen zentralen Rechner miteinander. Dieser Rechner sorgt für einen optimalen und hocheffizienten Ablauf.“ Nach Angaben der Hamburg Port Authority wurde die Produktivität schon um zwölf Prozent gesteigert. Es soll aber künftig noch mehr möglich sein.
Bald, ist Ebert überzeugt, würden alle Maschinen, Werkzeuge, Autos oder Haushaltsgeräte mit Sensoren ausgestattet und über einen zentralen Rechner oder über das Smartphone miteinander kommunizieren. „Wir sehen das heute schon in den Fabriken, die sich Richtung Smart Factory bewegen, an selbst fahrenden Autos und vielem mehr“, erklärt Ebert. „Und das macht Unternehmen, die Sensoren oder Chips bauen, Cloud-Anbieter, Hersteller von Sicherheitssoftware und vieles mehr attraktiv.“
Besonders interessant ist, dass das Internet der Dinge nach Analyse des Technik-Consultants Gartner Group heute an der „Spitze der inflationierten Erwartungen“ steht. Dort, wo sich vor 15 Jahren das Internet und vor acht Jahren die erneuerbaren Energien befanden. Sitzt Ebert vielleicht doch einer Illusion auf? „Davor schützt uns unser Aktienselektionsprozess“, widerspricht der Frankfurter, „wir investieren ja nicht in Fonds oder ETFs, die dieses Thema möglichst breit abbilden. Wir analysieren, welche Firmen jetzt schon – vielleicht auch indirekt – profitieren. Da finden sich dann viele interessante Unterthemen.“
Im ersten Schritt wird ein Industrieunternehmen sehr viele Dinge mit Sensoren bestücken. „Wir fragen uns also, wer diese herstellt“, so Ebert. Im zweiten Schritt benötigt das Unternehmen Sicherheitssoftware. „Woher kommt die? Wer macht den Service? Dann müssen die Daten gesammelt und gespeichert werden. Wer macht das und welches ist das richtige Medium?“
„Auf dem Weg zur Smart Factory entstehen immer irgendwo handfeste Umsätze bei bestimmten Unternehmen. Diese interessieren uns“, erklärt Ebert: „Letztlich muss bei einem Aktienportfolio das Verhältnis zwischen Chance und Risiko stimmen. Das verbessert sich nicht, wenn Investoren auf einen bestimmten Mega-Trend setzen. Sondern nur, indem sie diesen zum Anlass nehmen, um weiterzudenken.“ ®
Sonderveröffentlichung:
Bethmann Bank AG
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