Drei Prozent – egal was kommt.
Absolute Return. Immer mehr Investoren entdecken sogenannte Absolute-Return-Strategien als Ersatz für Zinsanlagen. Intelligente Manager sollen erwirtschaften, was mit Staatsanleihen nicht mehr zu erreichen ist – einen stabilen Ertrag um drei Prozent. Die Idee ist gut, doch das Angebot groß. Und die Auswahl schwierig.
Viele Kunden wollen sich einfach nicht mehr um das Auf und Ab an den Märkten kümmern“, erklärt Christoph Kind, Fondsmanager bei Frankfurt Trust: „Sie sagen, ich brauche drei Prozent pro Jahr. Oder vier. Entscheidet ihr, wie ihr das hinbekommt. Ihr seid doch die Experten.“
Willkommen in der Welt des absoluten Ertrags. Positive Renditen in jedem Jahr zu erzielen – egal in welche Richtung die Märkte tendieren –, trifft den Nerv der Zeit. „Für den Vertrieb“, erklärt Joachim Meyer, Geschäftsführer der Meyer & Cie. Allokationsberatung, „ist das tatsächlich fast so etwas wie ein Elfmeter ohne Torwart. Die Investoren haben Anlagedruck. Sie brauchen Rendite. Und fürchten die Schwankungen des Aktienmarkts. Also wird die Nachfrage nach diesen Produkten hoch bleiben.“
Mittlerweile stehen in der Datenbank des Researchhauses Morningstar schon 157 Fonds, die den Begriff Absolute Return oder Total Return im Namen tragen. 45 von ihnen, also fast ein Drittel, wurde erst in den vergangenen drei Jahren aufgelegt. „Die Vertriebsstory Absolute Return fällt derzeit bei Anlegern auf fruchtbaren Boden“, bestätigt Morningstar-Analystin Barbara Claus: „Kein anderes Anlagesegment wies 2014 ein derart starkes prozentuales Wachstum auf.“
Getrieben wird es vor allem von der historischen Sondersituation an den Zinsmärkten. „Die wird wohl noch einige Zeit anhalten. Ich kann den Kunden deshalb heute eigentlich kaum mehr Zinspapiere empfehlen. Wenn ein vernünftig diversifiziertes Rentenportfolio auf Endfälligkeit Renditen zwischen 0,5 und 0,8 Prozent bietet – was soll da nach Kosten noch rauskommen?“, fragt Christian Jasperneite, Chefstratege bei M.M. Warburg in Hamburg: „Absolute-Return-Fonds, die jedes Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit drei oder vier Prozent liefern, sind da eine echte Alternative.“
Grundsätzlich gibt es zwei Wege, um absolute Ertragsziele zu erreichen. „Der erste“, erläutert Christoph Kind, „ist die Steuerung des Investitionsgrads verschiedener Anlageklassen.“ Der Manager variiert im Extremfall die Anlagequoten zwischen -100 und +100. Wenn die Aktienkurse steigen, versuche er zum Beispiel, eine hohe Aktienquote zu halten, in der Baisse sollte seine Aktienquote negativ sein: „Er verkauft dann den Aktienmarkt über Termingeschäfte und profitiert von fallenden Kursen“, erklärt Kind: „Dies zeigt: Wer völlig unabhängig vom Markt Rendite schaffen soll, muss maximale Freiheit haben.“
Weil sich die Strategie grundsätzlich in allen Märkten umsetzen lässt – bei Aktien, Anleihen, Rohstoffen oder auch Devisen –, firmieren viele dieser Vehikel unter der Bezeichnung „Multi-Asset-Fonds“.
Bei der zweiten Strategie geht es um den relativen Wert verschiedener Titel in einer Anlageklasse. „Dabei konzentriert sich der Manager auf die Einzelauswahl“, erläutert Kind. Das einfachste Beispiel sind sogenannte Long/Short-Strategien am Aktienmarkt. Der Manager identifiziert in einem bestimmten Segment zunächst die aussichtsreichsten und die am wenigsten aussichtsreichen Aktien. Im zweiten Schritt leiht er sich die unattraktivsten Titel von einer Bank oder einem Broker und verkauft sie am Markt. Den Erlös investiert er in die seiner Meinung nach besten Papiere. Am Ende eines bestimmten Anlagezeitraums veräußert er diese wieder, erwirbt mit dem Erlös die geliehenen Aktien und gibt diese dem Verleiher zurück. Haben seine Favoriten tatsächlich besser abgeschnitten, erwirtschaftet er einen Gewinn – egal ob der Aktienmarkt insgesamt in dieser Zeit haussierte oder kollabierte. „Ähnliche Strategien lassen sich auch mit größeren Einzeltitelportfolios im Vergleich zum Aktienmarkt umsetzen. Oder mit Zinspapieren unterschiedlicher Laufzeit und Bonität“, erläutert Kind. „Es kommt ausschließlich auf die Selektionsfähigkeit des Investors an.“
Als Wege zum Ziel dienen dabei völlig unterschiedliche Strategien. Einige Manager stützen ihre Entscheidungen auf Prognosen, andere vertrauen auf komplizierte Computermodelle, die völlig prognosefrei aus historischen Mustern Kauf- und Verkaufsentscheidungen generieren. Die einen setzen bei der Auswahl von Papieren auf Analyse und Markterfahrung. Andere schwören auf einen computergesteuerten Selektionsprozess, um der zunächst fast unendlich großen Informationsmengen Herr zu werden. Die einen setzen nur ihr Eigenkapital ein. Andere versuchen, kleinste Kursunterschiede zu nutzen, und müssen deshalb eine Menge Fremdkapital einsetzen, um insgesamt auf auskömmliche Renditen zu gelangen.
„Egal, welche Strategien die Manager verfolgen, in der täglichen Arbeit funktioniert das dann so“, erläutert Christoph Kind weiter: „Am Anfang des Jahres stellt der Manager die Uhr auf null und versucht vorsichtig, mit kleinen Investments ein paar Erträge zu machen. Gelingt das, wird er mutiger. Ist das Renditeziel erreicht, schaltet der Manager dann wieder auf Defensive, um es nicht zu gefährden.“
Das hört sich überzeugend an. Die Frage bleibt, ob dieser Ansatz auch in der Realität so gut funktioniert.
Tatsächlich dämpfen die Fakten aus der Morningstar-Datei die Hoffnung auf den stetigen absoluten Ertrag gewaltig. „Etwa ein Drittel der Fonds, die 2008 schon am Markt waren, haben in diesem Jahr der Finanzkrise Verluste von mehr als zehn Prozent erlitten. Kann das denn wirklich noch als absoluter Ertrag durchgehen?“, fragt Barbara Claus und weist darauf hin, dass diese Statistik sogar noch besser aussieht, als sie tatsächlich ist: „Einige der erfolglosen Fonds wurden daraufhin geschlossen und tauchen heute gar nicht mehr in der Datenbank auf.“
Tatsächlich, räumt auch Christian Jasperneite ein, hätten 80 Prozent der Produkte in der Vergangenheit enttäuscht. Die Selektion der Fonds wird so zur wichtigsten Aufgabe von vermögenden Privatinvestoren und ihren Beratern. „Angesichts der Vielzahl und Komplexität der Strategien ist es allerdings nicht möglich, jeden Fonds genau unter die Lupe zu nehmen. Der Aufwand wäre einfach zu hoch“, erklärt Jasperneite.
Anleger brauchten einen Plan, um die Anzahl der infrage kommenden Fonds einzugrenzen. Konkret schlägt der Kapitalmarktexperte dabei ein zweistufiges Verfahren vor. „Im ersten Schritt interessiert uns gar nicht, was der Manager tatsächlich macht. Wir sehen uns allein den Kursverlauf und seine statistischen Eigenschaften an.“
In erster Linie zähle dabei die Entwicklung relativ zu den Aktien- oder Rentenmärkten. „Wir wollen ja in Manager investieren, die tatsächlich dauerhaft unabhängig von den Märkten Rendite machen und nicht nur ein oder zwei Mal mit ihrer Markteinschätzung Glück gehabt haben.“
Diese Analyse ist heute besonders wichtig, weil die Flut – steigende Kurse am Aktien- und Anleihemarkt – mittlerweile alle Boote gehoben hat. „Und mancher Manager behauptet eben nur, er mache Absolute Return. Tatsächlich hängt er sich aber nur an den Markt an“, erläutert Meyer: „Das will ich aber als Investor nicht. Ich möchte einen Manager, der Performancequellen nutzt, die nicht mit dem Markt korrelieren. Denn sonst wird er keinen absoluten Ertrag liefern können, falls die Märkte einmal wieder den Rückwärtsgang einlegen.“
Dieser erste Schritt reduziert die Anzahl der infrage kommenden Investments schon erheblich. Danach analysieren die Profis die verschiedenen Ertrags- und Risikokennziffern. „Wichtiger als der Ertrag ist dabei der maximale Kursverlust in der Vergangenheit“, erklärt Jasperneite: „Denn er zeigt mir, wie gut das Risikomanagement funktioniert. Mehr als drei bis vier Prozent sollten es innerhalb eines Jahres nicht gewesen sein.“
Am Ende dieses Auswahlprozesses bleiben nur noch ein oder zwei Dutzend Fonds übrig. „Diese werden nun qualitativ analysiert – wir schauen uns die Manager an, ihre Prozesse, prüfen die Plausibilität der Strategie und das Risikomanagement“, erläutert Jasperneite. Und dann kommt es zum Schwur: „Irgendwann sind die Analysemöglichkeiten erschöpft. Danach bleibt nur zu sagen: Ich traue es dem Manager zu. Oder eben nicht“, schließt Joachim Meyer.
Sind die potenziellen Investmentkandidaten identifiziert, gelte es, vier bis fünf Fonds mit völlig unterschiedlichen Strategien zu kombinieren. „So ist das Absolute-Return-Portfolio auch in sich diversifiziert. Die Wahrscheinlichkeit, die Anlageziele zu erreichen, steigt dann signifikant“, meint Christian Jasperneite.
Heute machen Absolute-Return-Fonds bis zu zehn Prozent in den Portfolios seiner Kunden aus: „Wir wissen, dass die Umsetzung dieses Themas komplex ist und viel Analysearbeit bedarf“, schließt Jasperneite: „Aber es nützt nichts. Die gute Performance der letzten Jahre im Zinsbereich wird sich nicht mehr fortschreiben lassen. Wir müssen dafür eine Alternative finden.“
Absolute Return statt Aktien?
„Genervt von den starken Schwankungen am Kapitalmarkt, fragen immer mehr Kunden: Wenn Absolute Return so eine gute Idee ist, warum ersetzen diese Fonds nicht auch die Aktienquote im Depot?“, erzählt Christian Jasperneite, Chefstratege bei M.M. Warburg.
Nach den Turbulenzen der vergangenen Jahre seien offenbar immer weniger Investoren bereit, eine langfristige Perspektive einzunehmen und darauf zu vertrauen, dass scharfe Kurseinbrüche am Aktienmarkt wieder aufgeholt werden. Nur noch das Ergebnis im Kalenderjahr zählt.
„Ich halte diesen ,verkürzten‘ Anlagehorizont für bedauerlich“, erklärt der Profi: „Es ist ja gerade der große Vorteil des Privatanlegers, dass er sich einen mittel- bis langfristigen Zeithorizont leisten kann – im Vergleich zum institutionellen Investor, der jedes Jahr isoliert betrachten muss.“ Denn auf Sicht von zehn Jahren sei die Wahrscheinlichkeit, mit einem diversifizierten Aktiendepot einen Verlust zu erzielen, „nahe null“.
Wer auf Absolute Return statt auf Aktien setze, werde vielleicht Verluste auf Jahressicht vermeiden. Aber er müsse dafür wohl langfristig mit unterdurchschnittlichen Ergebnissen bezahlen.
Die Statistik stützt auch diese Aussage: Der Durchschnitt aller Fonds aus der Absolute-Return-Datei von Morningstar hat in den letzten fünf Jahren 3,62 Prozent per annum gebracht. Sie haben so ihr Ziel erreicht.
Mit einer breiten Mischung von Aktien aus aller Welt konnten aber 12,5 Prozent jährlich erzielt werden. Und der DAX brachte in diesem Zeitraum gar eine jährliche Rendite von knapp 15 Prozent. „Ein langer Anlagehorizont“, schließt Jasperneite, „ist letzten Endes der beste Absolute Return.“
How to invest: In Absolute Return.
Was ist bei der Fondsauswahl zu beachten? Welche Fragen sollten Anleger und ihre Berater stellen? Welche Fehler vermeiden? Barbara Claus, Christian Jasperneite, Christoph Kind und Joachim Meyer präsentieren zehn Regeln im Umgang mit dem Thema Absolute Return.
// 01. Realistische Renditeerwartungen formulieren.
Manager von Absolute-Return-Fonds können nicht zaubern. In diesem Marktumfeld sind fünf Prozent per annum schwer zu erreichen. Drei Prozent ist realistischer. Und auch die Null wird nicht in jedem Jahr stehen. Geben Sie den Managern dafür drei Jahre Zeit. Und akzeptieren Sie zwischenzeitliche Rückschläge.
// 02. Mogelpackungen meiden.
Nicht überall, wo Absolute Return draufsteht, ist Absolute Return drin. Auch viele defensive oder flexible Mischfonds werden unter diesem Label verkauft. In diesen Fonds wird der Manager aber immer eine gewisse Aktienquote halten. In Stresssituationen können empfindliche Verluste auftreten.
// 03. Risiken hinterfragen.
Die Kursentwicklung der Vergangenheit, der sogenannte Track-Record, kann in die Irre führen. Es gibt Optionsstrategien, die lange Zeit einen Kursanstieg ohne große Schwankungen möglich machen. Doch wenn es dann schiefgeht, geht es richtig schief. Fragen Sie den Manager, in welcher Marktsituation er viel Geld verlieren würde.
// 04. Historie prüfen.
Viele Hedgefonds werden nun im Rahmen von regulierten UCITS-Fonds angeboten. Das ist prinzipiell positiv, weil diese transparenter und liquider sind. Problematisch ist, dass im Vertrieb meist die langjährige Kurshistorie des Hedgefonds gezeigt wird. Im UCITS-Fonds sind aber erstens die Kosten höher und zweitens müssen die Manager Kompromisse machen. Sie dürfen zum Beispiel keine Rohstoffe handeln. Lässt sich dann die gleiche Leistung erbringen? Am Ende zählt nur das Ergebnis des UCITS-Fonds. Dabei ist wichtig, sich nicht nur auf das Resultat im Kalenderjahr zu konzentrieren, sondern rollierende Zwölf-Monats-Zeiträume unter die Lupe zu nehmen. Und zu prüfen, wie der Fonds in konkreten Stressphasen der Vergangenheit abgeschnitten hat.
// 05. Performancezahlen relativieren.
Der Ertrag ist kein gutes Maß für die Qualität eines Absolute-Return-Fonds. Wichtiger sind Stetigkeit im Kursverlauf, die Höhe des maximalen Verlusts, wie lange er gebraucht hat, diesen wieder aufzuholen, und die Unabhängigkeit von der Kursentwicklung an den Kapitalmärkten. Performance kann auch durch eine erfolgreiche Wette kommen, die nicht systematisch wiederholbar ist.
// 06. Kosten beachten.
Wenn das Renditeziel nur bei drei oder vier Prozent liegt, kommt den Kosten eine entscheidende Rolle zu. Wie hoch ist die feste Managementgebühr? Ab welcher Ertragshöhe (Hurdle Rate) erhält der Manager eine Erfolgsbeteiligung? Eine Hurdle Rate in Höhe des Geldmarktsatzes ist inakzeptabel. Denn der liegt bei null.
// 07. Strategie verstehen.
Der Manager muss in ein paar Sätzen plausibel erklären können, wie seine Strategie funktioniert. Kann er das nicht, ist sie wahrscheinlich zu komplex, als dass Sie sich als Anleger damit wohlfühlen würden. Der Manager muss auch klar machen, warum seine Strategie in Zukunft funktionieren wird. Wer zum Beispiel in der Vergangenheit vom Zinsrückgang profitiert hat, wird künftig ein Problem bekommen.
// 08. Liquiditätsfalle vermeiden.
Im Jahr der Finanzkrise scheiterten viele Manager, weil sie in wenig liquiden Werten investiert waren. Als dann alle zur gleichen Zeit verkaufen wollten, um das Risiko zu reduzieren, funktionierte das nicht. Lassen Sie sich erklären, wie der Manager diese Falle vermeidet.
// 09. Strategie kontrollieren.
In den Halbjahres- und Jahresberichten der Fondsgesellschaften können Anleger nachlesen, wo der Fondsmanager tatsächlich investiert. Und welche Optionen und Derivate er konkret eingesetzt hat. Stimmt das mit dem überein, was er angekündigt hat?
// 10. Depot diversifizieren.
Ein Absolute-Return-Portfolio sollte aus vier bis fünf Fonds bestehen, die sich in ihren Strategien deutlich unterscheiden.
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