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  • Klaus Meitinger

Überraschung.

Außenseiterchancen. Überraschungen sind keine Prognosen. Sondern das Gegenteil. Weil kaum einer mit ihrem Eintreten rechnet, können sie aber große Auswirkungen auf die Kapitalmärkte haben. Deshalb befragte private wealth sein Netzwerk – Chefstrategen von Banken, ­Vermögensverwalter und Family Officer. Was kann 2015 passieren?

Am 15. Mai 2015 erlebt Tokio seinen schwarzen Freitag. Monatelang haben Premier Shinzo Abe und sein Notenbankpräsident Haruhiko Kuroda immer wieder betont, sie würden alles tun, was nötig sei, um den Yen zu schwächen und so – natürlich – die Kaufkraft der Bevölkerung zu reduzieren. Plötzlich glaubt diese den Ankündigungen. Es kommt zum Yen-Run. Panikartig werden Guthaben in Dollar getauscht. Hedgefonds springen auf den Zug auf. Binnen 24 Stunden verliert der Yen 50 Prozent seines Werts. Am folgenden Samstag verkündet Shinzo Abe Kapitalkontrollen. Der freie Handel in einer der Weltwährungen ist zu Ende.

Unmöglich? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. In der angelsächsischen Welt ist es eine hübsche Tradition, immer am Jahresende Ideen mit großem Überraschungspotenzial zu entwickeln. Interessant für Anleger ist, dass aus diesen intellektuellen Fingerübungen intelligente Anlagestrategien destilliert werden können. So ist es zum Beispiel möglich, an den Optionsmärkten mit kleinen Einsätzen auf derartige Ereignisse zu setzen. Treten sie ein, würden Investoren viel gewinnen. Bleiben sie aus, geht nur die Optionsprämie verloren.

Dies erfordert allerdings spezielles Know-how. Es geht um die Auswahl der richtigen Option, den Ausübungskurs, die Laufzeit und vieles mehr. Wichtig ist es zudem, diese Positionen aktiv zu bewirtschaften. Die Umsetzung selbst sollten vermögende Investoren deshalb immer mit ihren Beratern besprechen.

Um einen Pool interessanter Ideen zu generieren, befragte private wealth sein Netzwerk – Chefstrategen von Banken, Vermögensverwalter und Family Officer. Das Ergebnis sind die „Ten Surprises of 2015“. Treffen Sie Ihre Wahl.

 

01. Yen implodiert.

In Japan machen die Wirtschaftspolitiker Ernst. Der Kampf gegen Rezession und Deflation geht in seine entscheidende Phase. In den letzten 18 Monaten war die Bilanzsumme der Bank von Japan schon um etwa 70 Prozent gestiegen. Die Notenbank druckt Yen und kauft dafür Staatsanleihen und Aktien. Ende Oktober hatte die Bank von Japan nun angekündigt, ihre Wertpapierkaufprogramme weiter zu beschleunigen. Gleichzeitig machten Gerüchte die Runde, die Regierung Abe wolle die für Oktober 2015 geplante weitere Anhebung der Umsatzsteuer verschieben. Die Staatsverschuldung – schon jetzt bei eigentlich untragbaren 240 Prozent in Relation zum Sozialprodukt – würde weiter steigen. Und die Bank von Japan müsste die Schulden weiter finanzieren.

„Am Ende“, meint Michael Reuss, Huber, Reuss & Kollegen, „ist auch der japanische Staatsbankrott möglich.“ Gerät die Abwertung dann irgendwann außer Kontrolle?

Seit Ankündigung der neuen Maßnahmen verlor der Yen schon rund zehn Prozent. Ein Dollar kostet heute 116 Yen. Nun wird es spannend. Denn an den Devisenmärkten spielen Trends und charttechnische Linien eine große Rolle. Bei einem Dollarkurs von 120 Yen liegt zum Beispiel eine Trendlinie, die seit 1986 Bestand hat. Kann es sein, dass die Währungsspekulanten massiv Dollar gegen Yen kaufen, sobald diese Marke durchbrochen wird? „Ich erwarte, dass dies bald passiert“, schreibt Albert Edwards von der Société Générale in London Anfang November und folgert: „Mein Kursziel bis zum ersten Quartal 2015, das historische Schwankungen berücksichtigt, liegt dann bei 145 Yen pro Dollar.“

Inspiration: Optionen oder Optionsscheine kaufen, die von einem deutlichen Kursanstieg des Dollar oder des Euro gegenüber dem Yen profitieren.

 

02. Japan AG expandiert.

Fällt der Kurs des Yen gegenüber dem Dollar und dem Euro tatsächlich weiter, wird Japans Exportindustrie extrem wettbewerbsfähig. Die Firmen dort haben dann die Wahl. Sie können ihre Preise auf den Weltmärkten dramatisch senken, um Marktanteile zu gewinnen und würden in Yen immer noch genau so viel pro verkauftem Auto, Werkzeugmaschine oder Elektrogerät verdienen wie vorher. Was passiert in diesem Fall mit der deutschen Exportindustrie? Alternativ könnten sich die Japaner auch entscheiden, ihre Preise im Ausland stabil zu halten. Dann würden sie sehr viel mehr Gewinn machen. Egal, wie die Entscheidung ausfällt: Sollte der Yen weiter schwach bleiben, sind wahrscheinlich Japans Exporteure im Vergleich zur deutschen Konkurrenz das bessere Investment. Wichtig ist dabei, das Währungsrisiko zu eliminieren. 

Inspiration: Mit Optionen auf einen relativen Anstieg des Nikkei-Index (nach Möglichkeit währungsgesichert) im Vergleich zum DAX setzen. 

 

03. Unruhen in China. 

Ein weiterer Leidtragender der Abwertung des japanischen Yen könnte China werden. Seit 32 Monaten in Folge sinken die Produzentenpreise im Jahresvergleich schon. Kann China eine zusätzliche Dosis importierter Deflation aus Japan aushalten?

Problematisch ist auch: Chinas Immobilienmarkt zeigt Schwäche. Eine Analyse von Standard Life Investments zeigt: Der durchschnittliche Preis neuer Häuser ging jüngst im Jahresvergleich zurück – zum ersten Mal seit zwei Jahren. „Ein Konjunktureinbruch und Unruhen in China sind nicht völlig auszuschließen“, meint Joachim Meyer, Meyer & Cie. Allokationsberatung. Das Problem für die Welt: Zurzeit liegt das Sozialprodukt im Land der Mitte bei fast 10000 Milliarden Dollar. 7,2 Prozent Wachs­tum – das ist in etwa die Erwartung für 2015 – brächte der Welt 720 Milliarden Dollar mehr Nachfrage. Zum Vergleich: Wächst die Wirtschaft der USA 2015 wie erhofft um drei Prozent, wären das nur 520 Milliarden Dollar zusätzlich. Das zeigt, wie wichtig Chinas Wirtschaft inzwischen geworden ist.

Inspiration: Falls China hustet, bekommt die Welt eine Grippe. Dann wird auch die US-Notenbank FED ihre geplante Zinsanhebung verschieben. Investoren aus aller Welt werden in den sicheren Hafen USA fliehen. Optionen auf einen Kursanstieg lang laufender US-Staatsanleihen kaufen.

 

04. Russland gibt nach.

Für Russland könnte 2015 das Jahr der Wahrheit werden. Zwei Möglichkeiten scheinen plausibel: „Durch den Ukrainekonflikt und den niedrigen Ölpreis steht die russische Wirtschaft am Rand des Ruins“, erklärt Reiner Krieglmeier, Bank Herzogpark. „Wenn sich Putin zurückzieht, fallen die Sanktionen, der russische Aktienmarkt und der Kurs des Russischen Rubel steigen stark an. Gibt Putin nicht nach, ruiniert er Russland wirtschaftlich.“ 

Inspiration: ETFs auf den Russischen Aktienmarkt. Vorsicht: Bleibt Putin stur, ist das Kapital großteils verloren.

 

05. Comeback des Ölpreises.

Der Ölpreis ist im bisherigen Jahresverlauf in Dollar gerechnet um fast 30 Prozent gefallen. Heute stellt Jörg Rahn, Chief Investment Officer beim Family Office Marcard Stein & Co., einige interessante Fragen: Was, wenn es zu einem Erdgaslieferstopp durch Russland kommt, sodass Öl als Ersatzenergie gesucht wird? Ist eine Revolution in Saudi-Arabien, zum Beispiel durch ISIS-Anhänger, möglich? Könnte es zu einer gut organisierten Anschlagserie auf Erdölraffinerien oder Ölförderanlagen kommen? Was würde eine Ausweitung des ISIS-Konflikts auf einen Religionskrieg zwischen Sunniten und Schiiten bedeuten? Ist als letzte Konsequenz nicht sogar ein tiefer Konflikt zwischen der Arabischen Welt und den USA denkbar, der in einem Öllieferembargo kulminiert?

Inspiration: Ein Anstieg des Ölpreises ließe sich durch Call-Optionen auf den Ölpreis ausnutzen. Interessant könnten auch Call-Optionen auf ein Ölaktienportfolio sein. Hier sollten sich Anleger auf Unternehmen konzentrieren, die möglichst wenig Quellen in Krisengebieten haben.

 

06. Ende des High-Yield-Boom.

Die Emission sogenannter Junk-Bonds in den USA ist in den vergangenen Jahren dramatisch gestiegen. Renditehungrige Investoren suchen schließlich verzweifelt nach ein bisschen Extrarendite. Entsprechend gering sind mittlerweile auch die Risikoaufschläge, die Anleger verdienen.

Nun, beobachtet Chris-Oliver Schickentanz, Leiter Investmentstrategie der Commerzbank, habe sich die Liquiditätssituation im globalen High-Yield-Segment signifikant zugespitzt. Es könne deshalb jederzeit zu einer Art „Mini-Crash“ kommen, wenn mehrere Großinvestoren gleichzeitig durch die mittlerweile enge Tür einen Exit suchen. Dies gelte umso mehr, als viele Institutionelle aktuell besonders stark übergewichtet in High Yield seien und somit schnell ein Dominoeffekt ausgelöst werden könne.

Ein Auslöser könnte die Fracking-Indus­trie sein. Den größten Anteil im Boom-Markt High Yield haben laut einer Analyse von Bloomberg mittlerweile Öl- und Gasfirmen, die so ihre kapitalintensiven Bohrungen finanzieren. Ihr Anteil an den Anleihe-Emissionen stieg von 9,7 Prozent Ende 2007 auf aktuell 15 Prozent. Das Problem: Bei Ölpreisen unter 80 Dollar lohnen sich viele Bohrungen nicht mehr. Können die Schuldner ihren Verpflichtungen weiter nachkommen, wenn die Geschäftsbasis bröckelt?

Inspiration: Auf eine Ausweitung des Renditeabstands von High-Yield-Anleihen im Vergleich zu Staatsanleihen setzen. Oder einfacher: High-Yield-Bonds aus dem Depot verbannen.

 

07. Achterbahn extrem.

Früher, erklärt Alexander Kapfer, Geschäftsführer des Fondsberaters Capanum, hätten zum Beispiel Lebensversicherungen viel höhere Aktienquoten gefahren und so zur Stabilisierung der Märkte beigetragen: „Heute investieren sie eher in nicht börsennotierte Vehikel wie Infrastruktur.“ Gleichzeitig würden immer mehr Marktteilnehmer auf automatische Stop-Loss-Programme setzen, bei denen die Marktschwankungen – die Volatilität – eine große Rolle spielen. „Steigt die Volatilität an, wird der Anteil risikoreicher Anlegen, wie Aktien, verkauft. Dadurch fallen die Kurse, die Volatilität steigt weiter und es wird dann weiter verkauft.“ Kapfers Schlussfolgerung: Sollte wieder Stress in den Anlagemärkten auftauchen, wird plötzlich überall die Liquidität fehlen. Die dann dramatischen Kursausschläge werden viele Investoren überraschen.

Inspiration: Den Anteil kleiner, illiquider Aktien im Depot reduzieren und mehr Cash halten. Kaufen, wenn die Kanonen donnern. In der Vergangenheit hat es sich bewährt, in diesem Zusammenhang den Volatilitätsindex VStoxx zu beobachten. Sobald dieser über 40 notiert, ist es Zeit, ETFs oder Optionen auf den Euro Stoxx zu kaufen. 

 

08. Eurokrise reloaded.

„Die Schulden der meisten Staaten in Euroland haben sich in den letzten Jahren weiter erhöht statt reduziert, die Banken müssten im Zweifel nach wie vor auf Kosten der Steuerzahler gerettet werden. Würde die Wirtschaft in Europa 2015 in eine Rezession abrutschen, stiegen die Schuldenquoten weiter an“, informiert Alexander Daniels, Knapp Voith Vermögensverwaltung.

Dass sich derzeit trotzdem niemand eine neuerliche Eurokrise vorstellen mag, liege allein am Versprechen der Europäischen Zentralbank, im Notfall alles zu tun, was nötig ist, um die Wirtschaft am Laufen zu halten und die Eurokrisenstaaten zu finanzieren. Was aber, wenn Mario Draghi sein Versprechen nicht halten kann oder darf?

Ein Auslöser könnte auch die Präsidentschaftswahl Griechenlands im Februar 2015 sein. Gelingt es der Regierung Samaras nicht, die für die Wahl des Staatspräsidenten benötigten 180 Abgeordneten zusammenzubringen – die Koalitionsregierung verfügt über 154 Sitze –, drohen im Frühjahr 2015 Neuwahlen. Übernehmen dann die extremen Parteien das Ruder?

Inspiration: In einer neuen Eurokrise würde Gold seinen Status als Krisenwährung zurückerlangen. Deshalb bietet sich ein gehebeltes Investment auf den Goldpreis an. Weitere Möglichkeiten sind der Kauf von Credit Default Swaps – Kreditversicherungen – auf südeuropäische Staatsanleihen sowie eine Spekulation auf das Fallen folgender Indizes:

- iTraxx CrossOver Eur, ein Index auf Euro-High Yield-Anleihen.

- iTraxx Euro Subordinated Financials, ein Index, der die Entwicklung nachrangiger Bankanleihen nachbildet.

Sollte im Fall des Falles Deutschland einer Haftungsgemeinschaft zustimmen, könnte es im weiteren Verlauf der Krise zu einem Vertrauensverlust bei Bundesanleihen kommen, überlegt Michael Reuss. Diese würden dann nicht mehr als sicherer Hafen angesehen. Die Kurse würden fallen. Mögliches Investment: weit aus dem Geld liegende Put-Optionen auf den Bund Future.

 

09. Freundschaft gekündigt.

Aus dem Dunstkreis von Google, Amazon oder Facebook meldet sich ein Whistleblower vom Format eines Edward Snowden. Er beweist, wie die Kunden von großen Internetanbietern oder in sozialen Netzwerken systematisch ausgespäht werden. Daraufhin findet ein radikales Umdenken statt. Die Nutzer wenden sich von den großen Anbietern ab und suchen Alternativen.

Inspiration: Mit Venture Capital lässt sich gezielt in die Unternehmen investieren, die von einer solchen Entwicklung profitieren. Beispiele sind kleine europäische Firmen mit neuen Kommunikationstechnologien oder Handelsplattformen im Frühstadium. Interessante Möglichkeiten ergeben sich für Investoren, die sich in bestimmten Bereichen sehr gut auskennen, bei Direktbeteiligungen. Eine Alternative sind Venture-Capital-Fonds. Dabei ist es sinnvoll, auf Branchen- und Sektor-Spezialisten zu setzen. 

 

10. Computer-„Bashing“.

In einer Analyse vom November 2014 wies die Credit Suisse auf einen Computerfehler hin, der seit Jahrzehnten besteht. Das Softwareprogramm Bash Shell aus dem Jahr 1987 enthält einen Softwarefehler namens Shellshock. Ein Teil des Programmes könnte offenbar dazu genutzt werden, die weltweite Kontrolle über Millionen von Geräten zu erlangen, möglicherweise auch über PCs und Smartphones. Dazu seien nicht einmal umfassende Programmierkenntnisse nötig. Besonders problematisch sei, dass diese Software in über 70 Prozent der mit dem Internet vernetzten Geräte verwendet werde.

Inspiration: Für Anleger ist interessant, dass sich die IT-Budgets in den vergangenen Jahren in vielen Unternehmen rückläufig entwickelt haben. Dies könnte sich schlagartig ändern. Rückt das Anlagethema „Cybersicherheit“ in den Fokus, könnten die Aktien führender IT-Sicherheitsunternehmen wie Qualys, Proofpoint, Palo Alto Networks, FireEye, Verint Systems und Symantec profitieren.      ®

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