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  • Klaus Meitinger

Yes – we can.

(Geschätzte Lesezeit: 4 - 7 Minuten)

CO2. Bisher war es für Investoren sehr schwierig, den CO2-Fußabdruck ihrer Depots zu kontrollieren und zu reduzieren. Neue Indizes sollen ­künftig den Weg in eine kohlenstoffärmere Anlagewelt eröffnen.

„Seit 25 Jahren wird in der Politik über den Klimawandel gesprochen. Aber das Ergebnis ist frustrierend. Die Regierungen haben es nicht geschafft, eine weltweite Vereinbarung zu finden“, erklärt Frédéric Samama, verantwortlich für das Geschäft mit institutionellen Anlegern bei Amundi in Paris: „Es ist Zeit, dass wir Investoren uns dieses Problems annehmen.“

Eigentlich ist das Thema Klimawandel aus Anlegersicht ja ein „No brainer“. Eine glasklare Sache, über die es wenig zu diskutieren gilt. Der Klimawandel ist Fakt. Er bedroht die Menschheit. Deshalb werden die Politiker etwas dagegen unternehmen. Firmen, die viele Treibhausgase ausstoßen, erleiden irgendwann Ertragseinbußen. Ihre Aktien werden langfristig deshalb vergleichsweise schlecht abschneiden. Anleger sollten diese aus den Depots verbannen und nur Anteile von Firmen kaufen, die helfen, das Klimaproblem zu lösen. Punkt.

„So einfach ist es leider nicht“, erklärt Samama. Investoren hätten das Problem zwar schon lange auf dem Radarschirm. „Aber tatsächlich wird es nur von den wenigsten in der Anlagestrategie umgesetzt.“

Der Grund dafür ist in den beiden Wörtchen „irgendwann“ und „langfris­tig“ verborgen. „Alles, worüber im Zusammenhang mit dem Klimawandel gesprochen wird, liegt außerhalb des Investmenthorizonts der meisten Manager“, erklärt Samama. Gerade hat zum Beispiel der Weltklimarat veröffentlicht, dass der CO2-Ausstoß bis 2050 weltweit um 40 bis 70 Prozent reduziert werden müsste, soll das Ziel erreicht werden, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. „Doch 35 Jahre nach vorn denkt kaum ein Fondsma­nager.“

Noch wichtiger sei aber, dass die Politik bislang keine verlässlichen Rahmenbedingungen setze. Tatsächlich wird viel geredet und wenig Konkretes getan. Was 1997 hoffnungsvoll mit dem Kyoto-Protokoll begann, schleppt sich seither mühsam von Kompromiss zu Kompromiss. Auch dafür gibt es natürlich Gründe. Der wichtigste: Klimaschutzmaßnahmen greifen nur, wenn sie weltweit bindende Mengenbeschränkungen für CO2-Emissionen beinhalten. Die einzige tragfähige Lösung wäre es, dafür zu sorgen, dass die fossilen Energieträger in der Erde bleiben.

Wie dieses Problem mit den Schwellenländern verhandelt werden könnte, die zu Recht darauf hinweisen, dass sie „ihren fairen“ Anteil an den Emissionen, die bei der wirtschaftlichen Entwicklung anfallen, noch nicht gehabt haben, ist noch unklar. Außerdem, merkt Samama an, seien eben auch nicht alle Länder gleichermaßen vom Klimawandel betroffen. Und weil die Kosten kurzfristig anfallen, der Nutzen aber nur langfristig zu spüren sei, würden Politiker bisher dazu tendieren, Entscheidungen auf die lange Bank zu schieben, um keine Wählerstimmen zu verlieren.

„Für Anleger hat das natürlich Konsequenzen“, erklärt der Experte. „Solange die Politik keinen klaren Kurs vorgegeben hat, ist es für Investoren schwer, vorzupreschen. Wer zum Beispiel völlig auf Ölwerte verzichtet, geht eine riskante Wette ein.“ Das Problem: Der Energiesektor hat in den gängigen Aktienindizes ein großes Gewicht. Und genau daran werden die Leistungen der meis­ten Fondsmanager gemessen. „Die sagen deshalb: Meine vorrangige Aufgabe ist es, höhere Erträge zu erzielen als der Vergleichsindex. Ich kann es mir gar nicht leisten, die Energiewerte außen vor zu lassen.“

Diese Bedenken, überlegte Samama, gelte es zu zerstreuen. Gemeinsam mit dem schwedischen Pensionsfonds AP4, dem französischen Fonds de Réserve pour les Retraites (FRR) und dem Indexanbieter MSCI arbeitete Amundi lange an einem Low-Carbon-Index. „Wir wollten einen neuen Index konstruieren, in dem das Gewicht der größten CO2-Emittenten reduziert wäre. Und der sich gleichzeitig im aktuellen Umfeld ähnlich verhält wie der alte Index. Dann hätten wir doch etwas sehr Elegantes geschaffen.“

Investoren würden wissen: Wenn wir unrecht haben mit unserer Furcht vor den Auswirkungen des Klimawandels, dann ist das kein Problem. Denn wir sind in einem Index investiert, der sich fast genauso entwickelt wie der bisherige Vergleichsmaßstab. Sollte der Markt aber irgendwann einmal das Klimarisiko bei den betroffenen Firmen richtig im Preis widerspiegeln, würden deren Aktienkurse relativ zu den anderen fallen. Und der neue Index würde besser abschneiden als der alte, weil in diesem eine Menge der am stärksten betroffenen Firmen gar nicht enthalten sind. „Anleger bekommen so eine Art kostenlose Option“, erklärt der Franzose.

Ausgangsbasis der Low-Carbon-Indizes sind die großen Aktienindizes von MSCI – der MSCI North America und MSCI Europe. Im ersten Schritt werden alle Firmen eliminiert, die zu den 20 Prozent der größten Treibhausgasemittenten gehören. Ausschlaggebend dabei ist der Anteil der Treibhausgasemission relativ zum Umsatz. „Diese Firmen wären ja am stärksten betroffen, falls sich die Weltgemeinschaft zu einer weitergehenden Regulierung des CO2-Ausstoßes zusammenfindet“, erklärt Samama.

Völlig ausgeschlossen ist das nicht. Schließlich haben die wichtigsten Wirtschaftsregionen der Welt zuletzt ehrgeizige Ziele formuliert. So haben sich China und die USA im November auf neue Klimaziele verständigt. China will bis 2030 den Anteil der erneuerbaren Energien auf etwa 20 Prozent steigern und nach diesem Termin mit dem Abbau der CO2-Emissionen beginnen. Die USA wollen den Ausstoß an Kohlendioxid bis 2025 um 26 bis 28 Prozent reduzieren – gegenüber dem Stand von 2005. Und die Europäische Union plant, die Emissionen bis zum Jahr 2030 um 40 Prozent unter den Wert von 1990 drü­cken. Sollten den Plänen konkrete Maßnahmen folgen, wird CO2 vielleicht künftig doch ein wichtiger Faktor bei der Unternehmens- und damit auch bei der Anlagestrategie.

Im zweiten Schritt werden die Eigentümer der größten fossilen Reserven – in Relation zum Marktwert der jeweiligen Firma – aus dem Index gestrichen. Und zwar so lange, bis die Bedeutung der fossilen Reserven im Index um mindes­tens 50 Prozent reduziert ist.

Die Bewertung von Reserven fossiler Brennstoffe ist tatsächlich ein interessantes Thema. An den Finanzmärkten scheint es zumindest noch nicht angekommen zu sein. „Soweit ich weiß, hat noch kein Finanzanalyst das Problem der ,Stranded Assets‘ in sein Modell aufgenommen“, informiert Samama. Beim Konzept der Stranded Assets geht es um die Möglichkeit, dass eben nicht alle bekannten Öl- und Gasreserven tatsächlich ausgebeutet werden können.

„Wir haben eine grobe Rechnung aufgemacht“, informiert Frédéric Samama: „Die Nutzung aller aktuell nachgewiesenen Reserven an fossilen Brennstoffen auf der Erde würde die Emission von 2800 Gigatonnen CO2 nach sich ziehen. Um mit einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit das Zwei-Grad-Ziel bis 2050 einzuhalten, dürfte der maximale Betrag der Emissionen aber nur bei 1400 Gigatonnen liegen. In anderen Worten: Die tatsächlich nutzbaren Reserven der Ölfirmen liegen – falls sie gezwungen werden, diese im Boden zu lassen – vielleicht nur bei 50 Prozent der nachgewiesenen Reserven. Und da die Aktien auf Basis dieser Reserven bewertet sind, bekommen Anleger vielleicht künftig mit diesen Titeln ein Problem.“

Im letzten Schritt werden die Gewichte der verbliebenen Firmen im Index so neu zusammengesetzt, dass der sogenannte Tracking Error – die Abweichung vom relevanten Ursprungsindex – möglichst gering wird. „Wir können nun zu allen Investoren in der Welt sagen: Keine Angst – auch falls der Energiesektor sehr gut abschneiden sollte, hat das keinen Einfluss auf eure Ergebnisse. Eure Depots verhalten sich noch immer wie der große MSCI-Index. Gleichzeitig reduziert ihr aber euer Risiko in Sachen Klimawandel. Ihr könnt so euer gesamtes oder einen großen Teil eures Aktienportfolios problemlos und einfach ,entkarbonisieren‘.“

Setzt sich dieser Gedanke durch, könnte die Finanzindus­trie vielleicht sogar tatsächlich erreichen, was die Politik bislang ver­geb­lich versuchte. Die großen Pensionsfonds, Versicherungen, Stiftungen und Staatsfonds verwalten zusammen 8000 Milliarden Dollar. Ändern sie ihre Strategie, bewegt sich etwas. „Wahrscheinlich hätte schon die Erwartung, dass sie ihre Anlagepolitik umgestalten, einen Einfluss auf die Aktienkurse.“

Investoren, die schon jetzt ihr Portfolio umgestellt haben, würden belohnt. Und die Manager der Firmen, die aus dem Low-Carbon-Index eliminiert wurden, hätten einen Anreiz, CO2 einzusparen. „Denn nur dann haben sie eine Chance, wieder in den Index zurückzukommen und bei künftigen Kapitalerhöhungen die Finanzkraft dieser Investoren zu nutzen“, erklärt Samama.

Nun gelte es, einen ersten Dominostein umzuwerfen und eine positive Spirale in Gang zu setzen. Amundi, AP4, FRR, die Vereinten Nationen und das Carbon Disclosure Project – eine Initiative, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den CO2-Fußabdruck von Firmen zu messen – haben deshalb eine gemeinsame Initiative gegründet.

„Bis Dezember 2015 wollen wir den Fußabdruck von Portfolios im Wert von 500 Milliarden Dollar offenlegen. Und diesen dann um 20 Prozent reduzieren“, erklärt Samama: „Wenn der Klimawandel ein Risiko für die Gesellschaft ist, dann ist er auch eine Gefahr für die Vermögenswerte, die wir managen. Dagegen tun wir nun etwas.“  ®

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