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  • Carsten Mumm

LaGarde, Hüterin des Geldes?

A letter from ... Carsten Mumm. Der Chefvolkswirt des Bankhauses Donner & Reuschel macht sich Gedanken über die Geldpolitik der nächsten Dekade.

Am 1. November hat Christine Madeleine Odette Lagarde die Präsidentschaft der Europäischen Zentralbank übernommen. Sie wird nun vermutlich acht Jahre lang die Stabilität unserer Währung verantworten. Ich bin ziemlich sicher: Das werden sehr spannende acht Jahre.

Zunächst einmal übernimmt Lagarde einen schweren Ruck¬sack. Ihr Vorgänger, Mario Draghi, hat sich unzweifelhaft Meriten als „Retter des Euro“ erworben. Aber die Senkung des Leitzinses bis auf null Prozent, die Einführung eines negativen Einlagensatzes sowie der Beschluss eines umfangreichen Kaufprogramms von Staats- und Unternehmensanleihen hat auch massive negative Wirkungen gehabt. Mit ihren Anleihekäufen dehnte die EZB ihr Mandat zumindest ziemlich weit. Die indirekte Staatsfinanzierung durch dieses Programm hinterlässt einen faden Beigeschmack. Schließlich kann eine Währungsunion nur erfolgreich sein, wenn sie das Vertrauen der Bürger genießt. Dies wird außerdem durch die anhaltende Niedrig- und Negativzinspolitik beschädigt. Denn dadurch funktionieren unsere kapitalgedeckten Altersvorsorgesysteme nicht mehr. Der Schaden wird dann offensichtlich werden, wenn die BabyBoomer-Generation in Rente geht.

Ich glaube einfach, dass die EZB nicht mehr acht Jahre lang so weitermachen kann. Zu groß würden die preislichen Verzerrungen. Zu hoch die Zahl von Zombie-Unternehmen, die nur durch den Niedrigzins am Leben gehalten werden und Volkswirtschaften fragiler machen. Zu massiv wären die gesellschaftlichen und politischen Friktionen.

Deshalb wird Frau Lagarde versuchen, das Steuer auf Teufel komm raus herumzureißen. Die EZB trägt das Zwei-Prozent-Inflationsziel ja nicht umsonst wie eine Monstranz vor sich her. Sie will dieses Ziel um jeden Preis erreichen.

Die Millionen-Euro-Frage ist nun, wie das gehen soll. Der Internationale Währungsfonds hat im April 2019 ein interessantes Arbeitspapier veröffentlicht – deep negative rates. Im Grundsatz geht der IWF dabei der Frage nach, ob deutlich negative Leitzinsen – sagen wir: minus zwei Prozent und tiefer – konjunkturell etwas bewirken und Inflation anheben könnten. Das Ergebnis der Verfasser ist da eindeutig: Ja, das kann funktionieren.

Besonders pikant ist, dass Christine Lagarde direkt von der Spitze des IWF zur EZB gewechselt ist. Sie hat dieses Papier sicherlich in ihrem Koffer.

Die Hoffnung dieses Ansatzes ist, dass die EZB die minus zwei Prozent nur kurz setzen müsste, schnell einen deutlichen konjunkturellen Aufschwung initiieren und dann wieder zur Normalität übergehen könnte.

Diese Reihe von Konjunktiven findet sich heute auch in anderen geldpolitischen Ideen, die wir vor Jahren nicht einmal zu denken gewagt hätten. In der Modern Monetary Theory aus den USA wird die Notenbank unter die Fittiche der Regierung gestellt. Diese nähme sich so viel Geld, wie sie brauche. Und falls es tatsächlich zu Inflation käme, würde sie ganz einfach die Steuern erhöhen.

Beim Helikoptergeld würde die Notenbank allen Bewohnern der Eurozone ein Konto einrichten und darauf 1000 Euro buchen. Oder sie würde Geldtöpfe zur Verfügung stellen, aus denen sich Staat, Unternehmen und Private bedienen könnten. So lange, bis die Inflation käme.

Mir bereitet das große Bauchschmerzen. Auch die EZB dürfte diese haben. Aber sie ist eben mit Vollgas in die Sack¬gasse gefahren, weil sie vor zehn Jahren die Welt retten musste. Und kommt da nun nicht mehr heraus. Zu groß ist die Angst, dass die ganzen Asset-Preisblasen platzen, wenn sie signalisiert, sie macht nicht mehr so weiter. Das hätte Rück¬wirkungen auf Banken, Arbeitsmarkt, Konsum – die Wirtschaft würde erst recht einen Schlag bekommen.

Die EZB weiß aber auch: Je länger sie die gleiche Politik weiterfährt, desto problematischer wird das tatsächliche Ende. Die Strategie ist wohl, dieses möglichst weit nach hinten zu schieben – in der Hoffnung, dass ein Wirtschafts- oder Produktivitätswunder das Problem löst.

Die Notenbanken werden die Kapitalmärkte auf diese Weise noch eine ganze Zeit nach vorne treiben. Christine Lagarde wird so vielleicht nicht die Hüterin des Geldwertes sein aber bestimmt die Hüterin unser aller Kapitalanlagen.

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