Modell-Check
Seit 16 Jahren gibt der Börsenindikator von private wealth wertvolle Hinweise für Anleger am deutschen Aktienmarkt. Da viele Mitglieder unsers Netzwerks aktuell nach den Hintergründen gefragt haben, erläutern wir gerne die Vorgehensweise.
Regelmäßig informiert die Redaktion ihre Leser über die aktuellen Signale des hauseigenen Börsenindikators. Was steckt hinter diesem Modell?
Im Grundsatz geht es darum, herauszufinden, wann das Verhältnis zwischen Chance und Risiko bei der Aktienanlage mittel- bis langfristig positiv ist. Und wann nicht.
Dabei nutzt die Redaktion zwei Indikatoren. Erstens sind Aktienkäufe interessant, wenn der Gesamtmarkt günstig bewertet ist. Und sie sind riskant, wenn der Markt hoch bewertet ist. Zweitens sind Aktienengagements aussichtsreich, wenn zu erwarten ist, dass sich die Konjunktur und damit die Firmengewinne verbessern. Und sie sind weniger lukrativ, wenn zu erwarten ist, dass sich Konjunktur und Erträge verschlechtern.
Die erste Frage – ist der Markt billig oder teuer? – beantwortet die Redaktion anhand eines langfristigen Trendmodells, in das ein breiter Querschnitt volkswirtschaftlicher Daten eingeht. Das private-wealth-Trendmodell spiegelt also eine Art „fairen Wert“ des DAX im Lichte der langfristigen Wirtschaftsentwicklung wider. Ein Vergleich mit den aktuellen Notierungen zeigt dann, ob der Markt günstig oder teuer ist.
Eine günstige Bewertung bedeutet, dass Anleger langfristig höhere Erträge als den langjährigen Durchschnitt von 6-8 Prozent erwarten dürfen.
Eine hohe Bewertung reduziert das langfristige Ertragspotenzial und macht den Markt anfällig für Rückschläge.
Die Antwort auf die zweite Frage – wie entwickelt sich die Wirtschaft? – liefert die monatliche Umfrage des Münchner ifo-Instituts zum Geschäftsklima. Die Forscher befragen rund 10000 Unternehmer nach ihren Geschäftserwartungen für die kommenden sechs Monate. Gingen die Erwartungen nach einem vorherigen Anstieg dreimal hintereinander zurück oder stiegen sie nach einem Abschwung dreimal hintereinander an, wertet das ifo-Institut dies als Beginn eines neuen langfristigen Trends.
In der Vergangenheit ließen sich so Wendepunkte in der Konjunktur gut vorhersagen. Schließlich wissen diejenigen, die am Ruder stehen, am besten, woher der Wind weht.
Die Strategie lautet also: Es ist ratsam, stark in Aktien investiert zu sein, wenn sich der DAX unterhalb seines fairen Wertes befindet UND die ifo-Geschäftserwartungen eine positive Konjunkturwende anzeigen. Aktienengagement und damit das Risiko sollten dagegen deutlich verringert werden, wenn sich der DAX oberhalb seines fairen Wertes befindet UND die ifo-Geschäftserwartungen einen Abschwung signalisieren.
Nicht immer geben beide Indikatoren allerdings gleichlaufende Signale. Ist zum Beispiel der Aktienmarkt günstig bewertet und die Konjunkturforscher werden skeptisch, scheint es sinnvoll, die Aktienquote abzubauen, aber nicht alles zu verkaufen. Eine Konjunkturwende nach oben bei teurem Aktienmarkt wäre dagegen ein Signal, die Aktienquote aufzubauen, ohne gleich Vollgas zu geben.
Der private-wealth Börsenindikator gibt deshalb Bandbreiten für die Aktienallokation an, die angesichts der jeweiligen Kombination beider Faktoren sinnvoll erscheinen.
In den jüngsten Marktturbulenzen hat die Umfrage des ifo-Instituts zu den Geschäftserwartungen allerdings nicht als Signalgeber funktioniert. Der Konjunktureinbruch kam einfach zu schnell. Das ifo-Institut kommentierte am 19. März: Einen stärkeren Rückgang gab es im vereinigten Deutschland noch nie. Der Rückgang der Erwartungen ist mit Blick auf 70 Jahre Umfragen in der Industrie historisch einmalig.
Angesichts dieser Dynamik schien es angezeigt, den Konjunkturindikator direkt auf „Rot“ zu setzen, ohne auf einen dreimaligen Rückgang der Erwartungen zu warten.
Gleichzeitig hatte sich in der Woche der Publikation der ifo-Daten aber auch die Bewertung des DAX massiv verbessert. Am 19.3 notierte das deutsche Aktienbarometer nur noch bei rund 8500 Punkten Auf diesem Niveau notierte der DAX nur noch bei rund 70 Prozent seines fairen Wertes.
In dieser Konstellation – günstige Bewertung, rote Konjunkturampel – riet der Börsenindikator zu einer Aktienquote zwischen 30 und 70 Prozent. Konkret bedeutete das: In dieser Phase sollten strategisch 30 bis 70 Prozent des für Aktienanlagen vorgesehenen Kapitals tatsächlich investiert sein.
Wer zu Beispiel in seiner strategischen Vermögensaufteilung geplant hat, 50 Prozent seines Vermögens in Aktien zu investieren, sollte nach Maßgabe des Indikators nun tatsächlich zwischen 15 und 35 Prozent am Aktienmarkt investiert haben.
Für die genauere, kurzfristige Aktienpositionierung innerhalb dieser Bandbreite nutzen wir die Ergebnisse des Kapitalmarktseismografen. Der Seismograf ist eine Art Wetterbericht für die Börse. Anhand eines komplexen mathematischen Models, in das sowohl ökonomische Variablen als auch direkte Marktindikatoren eingehen, schätzt das Modell die Wahrscheinlichkeit dreier Marktzustände im kommenden Monat. Dabei bedeutet "grün", dass ein ruhiger Markt mit positivem Trend erwartet wird. Ist die Wahrscheinlichkeit für „Grün“ sehr hoch, können Anleger beruhigt investieren. "Gelb" weist auf einen turbulenten Markt mit positiver Erwartung hin – Investieren ist in Ordnung, eine Absicherung aber angezeigt. Und "Rot" signalisiert einen turbulenten Markt mit negativer Erwartung. Der Ratschlag lautet dann: Nicht Investieren.
Anfang der zweiten Märzwoche empfahl der Kapitalmarktseismograf die Aktienquote deutlich abzubauen. Die damals vorliegende Tendenz des massiven Anstiegs der Wahrscheinlichkeit für negative Turbulenzen kommentierte Oliver Schlick, Secaro, – der das Modell gemeinsam mit Professor Rudi Zagst von der TU München entwickelt hat – damals so: „Investitionen in Aktien sind vor diesem Hintergrund einfach zu riskant. Deshalb empfiehlt sich ein deutlicher Abbau der Aktienquote.“
Aktuell hat sich daran nichts geändert. „Die Wahrscheinlichkeit für negativ turbulente Märkte dominiert nach wie vor das Geschehen. Aus Sicht des Seismografen gibt es deshalb aktuell keinen Grund, von der sehr defensiven Gewichtung des Aktienmarktes im Depot abzurücken.“, informiert Oliver Schlick.
Im Zusammenspiel mit den beiden Faktoren des private-wealth-Börsenindikators bedeutet das: Die kurzfristig empfohlene Aktiengewichtung liegt weiter am unteren Rand des mittelfristigen Korridors von 30 bis 70 Prozent. Konkret sollten per heute also nur 30 Prozent des für Aktienanlagen vorgesehenen Kapitals investiert sein. 70 Prozent bleiben als Liquidität in Kasse. Es wird nun interessant sein, wann der Seismograf wieder Entwarnung gibt und dem private-wealth-Börsenindikator dadurch erlaubt, die Aktienquote wieder zu erhöhen.
Ihr
Klaus Meitinger
Hinweis: Trotz sorgfältiger Auswahl der Quellen kann für die Richtigkeit des Inhalts keine Haftung übernommen werden. Die in private wealth gemachten Angaben dienen der Unterrichtung und sind keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren.