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  • Klaus Meitinger

„In Deutschland fehlt ein Kapitalmarkt für die Biotech-Branche.“

(Geschätzte Lesezeit: 3 - 5 Minuten)

Investment in Biotechnologie. Seit die Hexal-Gründer Andreas und Thomas Strüngmann ihr Unternehmen 2005 für 5,6 Milliarden Euro an ­Novartis verkauft haben, gehören die beiden Brüder zu den wichtigsten Investoren im deutschen Biotech-Sektor. Im Winter 2010 hatte ­Thomas Strüngmann in private wealth erklärt, wie er Unternehmen auswählt und warum sein Schwerpunkt in Deutschland liegt. Heute warnt er: „Wir müssen aufpassen, dass die Zukunftsbranche Biotech nicht vollständig ins Ausland abwandert.“

„Das darf doch eigentlich gar nicht sein“, schüttelt Thomas Strüngmann den Kopf und zeigt auf eine Biotech-Studie der Unternehmensberatungsgesellschaft Ernst & Young. Danach haben im Jahr 2013 die Familien Hopp und Strüngmann 80 Prozent der Biotech-Finanzierung in Deutschland gestemmt. Ohne das Engagement der beiden Unternehmensfamilien sähe es wohl düster aus in der deutschen Biotechnologie.

„In Deutschland haben wir zwar eine sehr gute Grundlagenforschung“, erklärt Strüngmann, „und die Unterstützungen zur Gründung von Biotech-Start-ups wie GoBio und die Clus­ter­initiative des Bundesministeriums sind ebenfalls sehr hilfreich. Es klappt aber mit der Anschlussfinanzierung nach erfolgter Gründung nicht mehr. Denn bei uns fehlen sowohl Spezialisten bei den Investmentbanken als auch Analysten mit speziellem Biotech-Know-how.“

Das Resultat: Während in den USA derzeit eine große Aufbruchstimmung in der Branche herrsche, sei davon in Deutschland überhaupt nichts zu spüren. „Seit 2006 haben wir in der Biotechnologie keinen einzigen Börsengang mehr gehabt; in den USA waren es allein im letzten Jahr 40“, informiert Strüngmann. Das Innovationspotenzial in Deutschland sei dank der breiten und großzügigen Förderung von akademischer Forschung zwar sehr hoch, ohne ausreichend Kapital gelänge es aber nicht, die Innovationen am Markt umzusetzen. „Viele Firmen sind heute gezwungen, Dienstleistung für andere zu betreiben, um zu überleben. Diese Kapazitäten fehlen dann im Kerngeschäft.“ In den USA dagegen stehe nicht nur der Kapitalmarkt den Biotech-Start-ups offen. „Wir treffen dort auch auf zunehmende Akzeptanz für junge Biotech-Firmen als fokussierte, flexible Forschungseinheiten. Sie werden von Big Pharma später oft als modulare Partner in die eigene Wertschöpfungskette integriert. Und können dadurch sehr viel schneller Ergebnisse liefern“

Wie lässt sich dieser Standortnachteil beheben? „Im ersten Schritt sind die Steuergelder effektiver einzusetzen“, macht Strüngmann klar: „Es nützt wenig, große Förderprogramme für akademische Forschung (die als solche nicht zu kritisieren ist) aufzulegen, wenn nicht mit gleichem Engagement sichergestellt wird, dass sich daraus ergebende Innovationen konsequent in Richtung Vermarktung begleitet werden. Wir müssen zum Beispiel geeignete Rahmenbedingungen schaffen, um privates Kapital zu mobilisieren. Anleger und Investoren brauchen Incentives. Schon die steuerliche Gleichstellung mit anderen EU-Ländern bei der Anrechnung von Verlustvorträgen würde helfen.“

private wealth Herr Strüngmann, wie sieht die Bilanz der letzten vier Jahre Ihrer eigenen Beteiligungen aus?
Dr. Thomas Strüngmann In einzelnen Bereichen konnten wir große Fortschritte erzielen. Im letzten Jahr haben wir mit unserem ersten Investment AiCuris einen der größten Lizenzverträge in der europäischen Biotechnologie abgeschlossen. Es handelt sich um eine Substanz, von der wir erwarten, dass sie ganz neue Behandlungsmöglichkeiten gegen einen Virus bietet, das für Transplantierte äußerst gefährlich ist. Außerdem hat AiCuris ein Antibiotikum mit entwickelt, das gegen gefährliche, resistente Krankenhauskeime sehr effektiv wirkt. Bei Firmen wie Ganymed und Glycotope haben wir klinische Projekte in die Phase II gebracht. Und auch aus verschiedenen anderen Biotech-Beteiligungen erwarten wir interessante Lizenz- und Kooperationsabkommen. Aber wir mussten natürlich auch einige Projekte stoppen und Firmen restrukturieren. ­­

pw Was haben Sie in den vergangenen vier Jahren gelernt?
TS Gerade in der Forschung bewahrheitet sich die einfache „Weisheit“, dass alles doppelt so viel kostet und mindestens doppelt so lang dauert wie ursprünglich gedacht. Zum anderen hat sich aber auch gezeigt, wie trendgetrieben der Pharmamarkt ist. Als wir vor acht Jahren AiCuris, die Antiinfektiva-Forschung von Bayer, übernahmen, sind wir oft noch belächelt worden. Heute wäre manche Firma froh, solche Entwicklungsprojekte in den eigenen Reihen zu haben.

pw Hat sich Ihr Investitionsverhalten geändert?
TS Na ja, wir haben uns vorgenommen, in unserem Verhalten konsequenter zu sein und uns nur noch Themen anzunehmen, die wir kennen und verstehen. Neue Investments in der Biotech müssen Synergien zu den bestehenden Firmen in unserem Porte­feuille liefern. Nachdem wir in den letzten Jahren die Basis unserer Beteiligungen geschaffen haben, versuchen wir nun, uns auf diese zu fokussieren und sie weiterzuentwickeln.

pw Ohne Börsengänge wird es schwer mit dem Verkauf. Wie stellen Sie sich den Exit vor?
TS Wir haben bei keiner unserer Firmen eine explizite Exit-Strategie. Bei einer Biotech-Firma prüfen wir zurzeit den Börsengang. Wir verstehen unsere Investments als langfristige Investition. Die jeweilige Entscheidung werden wir zu gegebener Zeit mit dem Management und den Mitgesellschaftern treffen. Auf jeden Fall werden wir uns von keinem Investment unter Druck trennen. Unser unternehmerischer Ansatz ist frei von Börsenzyklen, da wir langfristig investiert sind.

pw Welche Fortschritte sind aus Sicht der Patienten in der näheren Zukunft zu erwarten?
TS Neue therapeutische Ansätze und Technologien, wie zum Beispiel die Immuntherapie, erwecken zu Recht große Hoffnungen und werden meiner Meinung nach die Krebstherapien zukünftig maßgeblich beeinflussen.     ®

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