Zinsanlagen neu denken.
Erträge. Sichere Zinsanlagen werden über Jahre hinaus keinen Ertrag mehr abwerfen. Für Investoren, die auskömmliche Renditen bei angemessenen Risiken suchen, ist eine breite Diversifizierung über eine ganze Reihe alternativer Anlagen die Lösung.
„Wir werden nun“, vermutet Kai Röhrl, Robeco, „noch sehr viel länger als zuvor gedacht mit extrem niedrigen Zinsen leben müssen. Und damit dürften sichere Staatsanleihen für lange Zeit als Anker im Portfolio ausfallen. Also müssen wir für diesen Portfolioteil Alternativen finden. Und da ist immer mehr Kreativität gefragt.“
Ein Fall für den Workshop „Ertrag“. „Bundesanleihen haben in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur attraktive laufende Erträge gebracht. Sie waren auch liquide, schwankten kaum im Wert und lieferten so einen wertvollen Diversifikationsbeitrag im Depot“, eröffnet Thomas Neukirch, HQ Trust die Debatte und stellt fest: „Eine einzelne Anlageklasse, die das alles auch heute noch bietet, gibt es nicht.“ Vielmehr müssen Anleger immer den einen oder anderen Nachteil in Kauf nehmen. „Wer zum Beispiel Rendite und eine ausreichende Liquidität möchte, muss zwingend mit höheren Wertschwankungen und einer stärkeren Korrelation zum Aktienteil leben“, stellt Ulrich Voss, Tresono, fest. „Oder er verzichtet zugunsten von Rendite auf die Handelbarkeit und akzeptiert, dass er eben nicht jederzeit an sein Geld kommt“, ergänzt Thomas Neukirch.
Der gesamte zinstragende Bereich des Depots müsse deshalb heute neu gedacht werden, folgert Röhrl: „Es geht darum, liquide festverzinsliche Wertpapiere, illiquide Strategien, alternative Anlagen, Immobilien und Spezialitäten so zu kombinieren, dass daraus insgesamt ein Block entsteht, der – je nach Situation und persönlicher Risikoneigung – auch in der Nullzinswelt noch Diversifikation und ein vernünftiges Chance-Risiko-Verhältnis bietet.“
// 01. Liquide festverzinsliche Wertpapiere.
„Wer Rendite erwirtschaften will, muss bei Anleihen stärker ins Risiko gehen“, erklärt Michael Gollits, von der Heydt, „und das bedeutet, entweder bei der Bonität des Schuldners Abstriche zu machen oder Währungsschwankungen in Kauf zu nehmen.“ „Wer sich darüber im Klaren ist, für denjenigen bieten Staatsanleihen aus Schwellenländern eine interessante Alternative. Da sind je nach Bonität – im Vergleich zu Bundesanleihen – drei bis fünf Prozentpunkte mehr drin“, informiert Gottfried Urban, Urban & Kollegen, und fährt fort: „Wir machen das vor allem mit Hartwährungsanleihen, die in Euro oder Dollar emittiert wurden, und nur zu einem kleinen Teil mit Anleihen in der jeweiligen lokalen Währung. Dort sind zwar die Renditen noch viel höher, aber es steigt eben auch das Risiko deutlich an.“
„Bei Unternehmensanleihen – einer weiteren beliebten Variante – sind die Renditen schon stark zusammengeschnurrt. Ein vernünftiges Verhältnis zum Risiko finden Anleger bei Schuldnern, deren Bonität sich an der Grenze zwischen dem Bereich ‚Investment Grade‘ und ‚High-Yield‘ befindet“, überlegt Urban (lesen Sie dazu auch Seite 78). Ulrich Voss hält Senior Loans, erstrangige besicherte Unternehmenskredite – umgesetzt über erfahrene aktive Manager – und inflationsindexierte Anleihen (TIPS) ebenfalls für interessant: „Erstere bieten Verzinsungen zwischen 3,2 und 4,2 Prozent. Und Letztere überzeugen mich, weil sie das Depot diversifizieren.“ Das größte Risiko einer Anlage in Anleihen ist es schließlich, dass die Inflationsraten und damit die Renditen steigen. Denn dann fallen ihre Kurse. „Bei TIPS steigen Kupon und Rückzahlung mit der Preissteigerungsrate. Sie sind deshalb gegen Inflation immun“, erklärt Ulrich Voss.
„Wir schauen uns auch im asiatischen High-Yield-Bereich um“, verbindet Gollits beide Anlageideen, „da finden sich qualitativ hochwertige Firmen, deren Anleihen breit gestreut zwischen 5,5 und sechs Prozent per annum bringen. Und selbst wenn ich dann noch einen Prozentpunkt für die Währungsabsicherung ausgebe, ist das nicht viel weniger, als langfristig am Aktienmarkt zu erwarten ist. Das finde ich lukrativ.“
„Der Schlüssel zum Erfolg ist bei all diesen Ideen aber, keine Einzelrisiken einzugehen, sondern breit über aktive Fonds oder ETFs zu streuen“, macht Gottfried Urban klar.
// 02. Alternative Anlagen.
Eine interessante Anlagemöglichkeit findet die Runde im Bereich Mikrofinanz. „Das sind Minikredite, die an Kleinunternehmer – vornehmlich in Entwicklungs- und Schwellenländern – vergeben werden. Das ist eine komplett andere Assetklasse, weil sie kaum Zinsänderungsrisiken unterliegt und der Erfolg davon abhängt, wie gut die Kreditprüfung ist“, so Urban.
Eine weitere Alternative können Katastrophenanleihen sein, sogenannte Cat Bonds. „Deren Charme besteht darin, dass die Kurse sich unabhängig von Konjunktur oder Börsen entwickeln. Das Anlageergebnis hängt allein von der Höhe der Schäden ab, die die jeweils versicherten Naturkatastrophen verursachen“, erklärt Urban. „Es ist nur schwierig, die Risikoseite in den Griff zu bekommen. Deshalb rate ich zu einer breiten Streuung. Überzeugend ist, dass dort die Versicherungsprämien steigen.“ „Solche Papiere dürften zwei bis vier Prozent bringen und sollten aufgrund der Neigung zu Fat Tails nicht nur diversifiziert, sondern auch mit langem Anlagehorizont investiert werden“, ergänzt Neukirch.
Auch den in der Vergangenheit viel geschmähten Hedgefonds-Sektor lassen die Profis nicht außer Acht. „Viele haben nicht gehalten, was sich Anleger von ihnen versprachen – stabile, von den Trends an den Märkten unabhängige Renditen“, analysiert Neukirch, „vom Set-up her können sie aber unkorrelierte Erträge liefern. Die Kunst ist nur, die fähigen Manager zu finden. Diese können ebenfalls Teil der Lösung sein.“
// 03. Immobilien.
„Bei Investments in Immobilien ist angesichts der Corona-Pandemie eine strikte Analyse nach Standorten und Nutzungsarten nötig“, rät Gollits. „Ich denke schon, dass der Bedarf an Büroflächen angesichts des Trends zum Homeoffice künftig zurückgeht. Gleichzeitig könnten Einzelhandelsimmobilien, auch in den Innenstadtlagen, unter Druck geraten.“ „Sie leiden unter der verstärkten Nutzung des Onlinehandels“, erklärt Voss. „Außerdem besteht die Gefahr, dass sich die Umsätze verlagern, wenn nun mehr Menschen von zu Hause arbeiten und weniger in die Innenstädte pendeln“, ergänzt Urban.
Auf der Gewinnerseite sieht Ulrich Voss dagegen eindeutig Logistikzentren. „Aufgrund des boomenden Onlinehandels sind sie Profiteure der derzeitigen Entwicklung.“
Kaum Auswirkungen seien hingegen auf dem Wohnungsmarkt zu erwarten. „Wir erwarten vor allem in den Kernlagen keinen Rückgang bei Preisen und Mieten. Sie dürften sich weiter stabil entwickeln“, meint Neukirch.
Wohnen und Logistik sollten deshalb bei Direktinvestitionen im Vordergrund stehen. „Und wer auf Fonds setzt, muss vorher prüfen, wo diese ihren Anlageschwerpunkt haben“, erklärt Neukirch. „Vernünftige Nettomietrenditen lassen sich allerdings angesichts gestiegener Preise nur noch durch eine hohe Fremdfinanzierung darstellen – zugegeben zu extrem günstigen Konditionen“, ergänzt Gollits, „das mit der Verschuldung einhergehende Risiko gilt es bei allen Immobilienanlagen zu berücksichtigen.“
„Interessant können auch Immobilienaktien sein“, ergänzt Voss. „Sie bieten stabile Ausschüttungen und sind mittlerweile fast eine Art Zinsersatz.“ Eine weitere Möglichkeit für Investitionen am Immobilienmarkt ist Mezzanine-Kapital. „Das sind Mischformen zwischen Fremd- und Eigenkapital. Kapitalgeber erhalten in der Regel Kontroll- sowie Informationsrechte, sie verzichten aber auf die Möglichkeit, ins operative Geschäft einzugreifen. Die Laufzeiten liegen meist zwischen acht und 48 Monaten“, informiert Gollits, warnt aber auch: „Das ist ein Profigeschäft. Entscheidend ist die Bonität des jeweiligen Projektentwicklers. Die sollten sich Investoren sehr genau ansehen.“
// 04. Illiquide Alternative Anlagen.
Darunter fassen die Profis nicht börsennotierte Anlagen in Beteiligungsstrukturen zusammen, die in der Regel während der langen Laufzeit von zehn bis zwölf Jahren nicht verkauft werden können. „Möglichkeiten sind Investitionen in Infrastruktureinrichtungen – Straßen, Mobilfunkmasten, Glasfaserleitungen, Serverfarmen –, alles, was regelmäßige Erträge abwirft“, erläutert Michael Gollits. Die Herausforderung: „Es gibt auch hier nichts geschenkt. Wenn die laufenden Erträge unter drei Prozent liegen, würde ich es lieber nicht machen, da Rendite und Risiko nicht im Einklang stehen“, sagt Ulrich Voss.
Eine weitere illiquide Alternative ist Private Debt, auch Private Lending genannt. Dabei geht es um direkte Kredite an meist mittelständische Firmen oder zur Finanzierung von Immobilien- und Infrastrukturprojekten. „Das ist deshalb spannend, weil Anleger hier je nach Ausgestaltung noch Renditeaufschläge zwischen 2,5 und fünf Prozent bekommen können“, sagt Gollits. „Da diese Anlageklasse aber sehr komplex ist und Kreditrisiken entscheidend sind, sollten Anleger ausschließlich breit gestreut über Fonds investieren“, rät Neukirch.