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  • Jochen Felsenheimer

Griechische Tragödie.

(Geschätzte Lesezeit: 2 - 3 Minuten)

Jochen Felsenheimer ist Geschäftsführer der XAIA Investment und denkt über die langfristigen Konsequenzen des Politikwechsels in Griechenland nach.

Überall an den Märkten wird derzeit wild darüber spekuliert, welche Effekte der Linksruck in Griechenland auf die europäischen Finanzmärkte haben dürfte. Dabei ist das gar nicht so schwer zu beurteilen. Die ökonomischen Tatsachen sind schließlich seit einigen Jahren bekannt.

Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass Griechenland in den nächsten Jahren ohne monetäre Transfers seine Verbindlichkeiten bedienen kann. Der dafür notwendige Primärüberschuss im griechischen Staatshaushalt wird noch schwieriger zu erzielen sein, wenn Syriza die im Wahlkampf angekündigten Lockerungen des Sparprogramms umsetzt. Sollte sich also Europa nicht dazu durchringen, weitere Hilfsmaßnahmen einzuleiten, kann nur eine weitere Restrukturierung der griechischen Schulden die laufenden Zinskosten reduzieren und einen ausgeglichenen Haushalt schaffen. Sonst geht Griechenland als das Land in die Geschichte ein, das innerhalb kürzester Zeit zwei Mal einen Zahlungsausfall erleidet.

Die griechische Situation wird also weiter schwierig bleiben und ich gehe davon aus, dass ein Grexit – ein Austritt aus der Europäischen Union, ein singulärer Austritt aus der Eurozone ist ja nicht möglich – noch länger als potenzielle Maßnahme diskutiert wird. Die immer noch ineffizienten Verwaltungsstrukturen und die überschaubaren Erfolge der Sparmaßnahmen – zumindest in Relation zu den Herausforderungen – sprechen dafür, dass Griechenland weiter die Rolle des Damoklesschwerts in Europa innehaben wird.

Trotzdem scheinen alle entspannt. Der Grexit, so ist zu hören, sei beherrschbar. Mag sein. Ich möchte die Erkenntnisse der Krisenliteratur nicht überstrapazieren. Wichtig ist aber doch die Unterscheidung zwischen Erstrundeneffekten und dem, was in der zweiten oder dritten Runde passiert.

In der ersten Phase von Finanzkrisen treten negative Effekte in einem Marktsegment auf – zum Beispiel die durch den Rückgang der Häuserpreise in den USA verursachten Ausfälle im US-Subprime-Markt 2008. Diese bleiben sehr beschränkt. Zweitrundeneffekte – die Marktreaktionen auf den Zusammenbruch des Subprime-Markts wie sinkende Aktienkurse, eine Ausweitung der Credit-Spreads und die Dysfunktionalität des Interbankenmarkts – bedingen sehr viel höhere Verluste. Im Anschluss an diese Phase treten Drittrundeneffekte auf, die auf die Realökonomie wirken, wie ein Wachstumsrückgang oder steigende Arbeitslosigkeit. Diese Drittrundeneffekte haben den größten Anteil an den durch Finanzkrisen verursachten Kosten.

Nun ist der Erstrundeneffekt eines Grexit tatsächlich überschaubar. Das Problem sind die Zweit- und Drittrundeneffekte. Eine Sonderbehandlung Griechenlands liefert für alle Peripherieländer ein Argument, eben diese auch in Anspruch nehmen zu wollen. Die ohnehin zahlreicher werdenden Gegner einer strikten Sparpolitik sehen sich bestätigt, dass diese ineffizient ist, und haben dadurch einen geringeren Anreiz, weitere Strukturreformen umzusetzen.

Gleichzeitig eröffnet die EZB mit der Ankündigung des Anleihekaufs eine äußerst angenehme Art der Refinanzierung für ihre Mitgliedsländer – es scheint schwer vorstellbar, wie in diesem Umfeld eine spürbare Reduktion der Schuldenstände gelingen sollte. Ich möchte nicht zynisch klingen, glaube mich aber erinnern zu können, dass der Auslöser der europäischen Schuldenkrise ein zu hoher Schuldenstand in Kombination mit extrem niedrigen Zinsaufschlägen – die diesen Schuldenstand ja erst ermöglicht haben – in den Peripherieländern war.

Natürlich wirken die Maßnahmen der EZB in der kurzen Frist positiv. Neben Aktienmärkten auf Rekord- oder Mehrjahreshöchstständen und extrem niedrigen Renditeniveaus sind eben auch die Refinanzierungskosten der Peripherieländer auf dem tiefsten Stand seit der Einführung des Euros. Ist das aber der richtige Anreiz? Die Peripherieländer werden tendenziell weniger sparen, mehr Schulden machen und somit genau das Umfeld schaffen, in dem eine Erhöhung der Refinanzierungskosten irgendwann in der Zukunft die nächs­te Schuldenkrise auslösen muss.

Es scheint zwar eher unwahrscheinlich, dass dies schon 2015 der Fall sein wird. Aber lassen Sie sich nicht täuschen. Der eingeschlagene Weg der EZB wirkt langfristig alles andere als stabilitätsfördernd.   ®

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