Wohlstand für alle.
A letter from … Manfred Wittenstein, Aufsichtratsvorsitzender der Wittenstein AG. Er vertraut darauf, dass Ingenieure einen Beitrag zu einer besseren Welt leisten.
Es geht uns gut. Wir hier in Deutschland haben das Glück, in eine Region geboren zu werden, die nicht von existenzbedrohenden Naturkatastrophen heimgesucht wird, in der Kriege nicht ganze Dörfer und Städte vernichten, wo fast alle ein Dach über dem Kopf haben und genug zu essen bekommen. Wie gehen wir mit diesem geschenkten Glück um? Sollen wir es mit Macht gegen all die verteidigen, die weniger Glück hatten? Oder können wir Möglichkeiten finden, von denen alle profitieren? Es ist heute noch ein Traum, aber ich bin sehr wohl davon überzeugt: Wir können einen lebenswerten Wohlstand für alle erreichen.
Wittenstein, mein Technologieunternehmen, das sich aus einem kriselnden Familienbetrieb entwickelt hat, sah sich immer als Teil der Gesellschaft. Wir haben unseren Beitrag dazu geleistet, unsere Region, unser Taubertal, zu einem attraktiven Standort für all die Menschen zu machen, die hier leben und einen Arbeitsplatz finden.
Ähnlich verantwortungsvoll haben wir versucht, unser Engagement in den Ländern zu gestalten, in denen wir unsere Tochtergesellschaften gründeten. So schien es uns beispielsweise sinnvoll, über die Struktur der Berufsausbildung an unseren Standorten in Rumänien und in den USA mit den zuständigen Organisationen ins Gespräch zu kommen. Zumindest für die USA kann man derzeit den Eindruck gewinnen, dieser gemeinschaftliche Weg sei an seinem Ende angekommen. Oder brauchen wir nur abzuwarten, bis das Pendel in die andere Richtung ausschlägt? Haben wir die Zeit, darauf zu warten?
Ich habe immer wieder versucht, diesem besonderen Geist unseres Unternehmens zu seinem Recht zu verhelfen. In unserer Philosophie stehen dafür die Worte „Verantwortung, Vertrauen, Offenheit, Innovation und Wandel“. Sie benennen, wie wir handeln und wie wir leben möchten. Unsere Werte sind nicht statisch, sondern müssen ständig weiterentwickelt und mit neuem Leben erfüllt werden.
Vor der gesamten Menschheit, liegen viele schwierige Aufgaben. Nur zwei Beispiele: Wie nah sind wir dem Punkt, an dem sich die Überhitzung unseres Planeten durch CO2-Emissionen nicht mehr umkehren lässt? Oder: Was ist zu tun, um möglichst vielen ein lebenswertes Dasein zu ermöglichen? Wir können versuchen zu verstehen, was ein Mensch erhofft, der sich auf die gefahrvolle Reise übers Mittelmeer nach Europa begibt. Sie flüchten doch nicht, weil sie den Deutschen ihre Butter auf dem Brot nicht gönnen. Sie brauchen ein paar Chancen, wenigstens auf ein besseres Leben.
Seit dem Beginn meines Studiums bin ich davon überzeugt, dass Technik einen Beitrag zu einer besseren Welt leisten kann. Doch was uns, den Ingenieuren und Wissenschaftlern, dazu einfällt, muss sich zwingend immer wieder der gesellschaftlichen Diskussion stellen und ist nur dann ein sinnvoller Beitrag zur Zukunft, wenn es von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen wird.
Technik ist nie einfach nur gut oder einfach nur schlecht – das ist immer nur eine Behauptung von Demagogen. Der Hammer liegt genauso geschmeidig in der Hand des Heimwerkers, der einen Nagel einschlägt, wie in der Hand des Verbrechers, der seinem Opfer den Schädel zertrümmert. Trotz gegenteiliger Behauptungen ist es bis heute unmöglich, die Langzeitfolgen technologischer Entwicklungen abzusehen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie toll es anfangs war, Lebensmittel mit Folienverpackungen länger frisch halten zu können. Und heute? Treibt der Plastikschrott in riesigen Wirbeln durch die Ozeane.
1972 veröffentlichte der Club of Rome das Buch „Die Grenzen des Wachstums“, eine bemerkenswerte und ziemlich düstere Abhandlung über die Zukunft der Weltwirtschaft. Viele der Voraussagen sind nicht eingetreten. Aber nicht, weil der Club of Rome damals Unrecht hatte. Sondern weil der Bericht viele kluge Menschen aufrüttelte und Überlegungen in Gang setzte. Ich bin zutiefst davon überzeugt: Solange wir die Augen offenhalten, können wir es schaffen. Der menschliche Geist hat ein unglaubliches Reservoir und Potenzial und wir werden Lösungen finden, wenn wir uns gemeinsam darum bemühen. Natürlich ist das ein sehr optimistischer Blick in die Zukunft. Ja, ich bin Optimist. Nichts Anderes hätte einen Sinn.