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  • Professor Henning Vöpel

Weltwirtschaft vor Kontrollverlust.

(Geschätzte Lesezeit: 2 - 3 Minuten)

010 Opinionleader WeltAusserKontrolleWeltwirtschaft vor Kontrollverlust.

Die Welt, meint Professor Henning Vöpel, Geschäftsführer des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts, ist auf der Suche nach einer neuen Ordnung: „Doch der Weg dorthin kann lang und sehr schwierig werden.“

Die Signale der Weltwirtschaft sind besorgniserregend. China, Brasilien und auch Russland stehen vor einem schwierigen Jahr. Ernste Finanz- und Wirtschaftskrisen drohen – auch angesichts des Ölpreisverfalls, der für viele Länder zu einem großen Problem wird. Und Europa steht mit der Flüchtlingskrise und einem möglichen „Brexit“ vor einer Zerreißprobe.

Im achten Jahr nach der globalen Finanzkrise hat die Krisenpolitik zu wenige der strukturellen Probleme abgebaut – im Gegenteil: Sie hat selbst erheblichen Korrekturbedarf erzeugt. Die Geldpolitik senkte die Zinsen weltweit, um für die Politik Zeit zu gewinnen, Schulden abzubauen und Reformen durchzuführen. Doch mit den niedrigen Zinsen ist Zukunft so „billig“ geworden, dass die Politik die nötige Marktkonsolidierung aufgeschoben hat und neuer Korrekturbedarf an den Finanzmärkten entstanden ist.

Alle diese Risiken bilden kein stabiles makroökonomisches Umfeld für private Investitionen, die die Weltwirtschaft zur Stärkung des globalen Wachstums dringend benötigt. Auch der Internationale Währungsfonds hat vor einigen Tagen auf die kritische Verfassung der globalen Ökonomie hingewiesen. Die Vertrauenskrise ist angesichts der ungelösten Probleme geblieben und die „alten“ Institutionen befinden sich am Ende ihrer Möglichkeiten, Antworten auf die Fragen der „neuen“ Welt zu geben.

Darüber hinaus und als Folge dieser Entwicklung gewinnen Renationalisierung und Protektionismus weltweit an Zulauf. Eine solche Entwicklung hatte es nach der ersten großen Welle der Globalisierung vor gut hundert Jahren bereits gegeben – mit katastrophalen Folgen für die internationale Staatengemeinschaft. Angesichts einer solchen Konstellation aus ökonomischer Krise und geopolitischer Konflikte droht der Weltwirtschaft nicht nur ein gefährlicher Kontrollverlust. Die Herausforderung ist noch viel größer: Die Welt befindet sich technologisch und geopolitisch im Übergang in eine neue Ordnung.

Die aktuellen Geschehnisse sind mehr als eine zufällige Koinzidenz. Hinter allen verbirgt sich eine gemeinsame tiefere Ursache. Es handelt sich um eine Systemkrise der Globalisierung. Überall brechen sich Konflikte unter dem Druck systemimmanenter Widersprüche Bahn, für die es kein Ventil und keine Begrenzung ihrer Wirkungen mehr gibt. Die Globalisierung hat Probleme erzeugt, die sowohl nationale als auch inter- und supranationale Institutionen und letztlich auch Gesellschaften überfordern. Sie resultieren aus der Inkongruenz von politischen Grenzen und staatlicher Souveränität.

Exemplarisch ist das in Europa zu beobachten, wo es keine Institutionen gibt, die innerhalb der neu definierten Grenzen ein legitimiertes Gemeinwohl, beziehungsweise einen akzeptierten Interessenausgleich herstellen und durchsetzen könnten. Grenzen wurden aufgehoben, ohne gleichzeitig die entsprechenden Institutionen anzupassen.

Die Bedeutung von Grenzen wird sich im Zeitalter der Digitalisierung weiter verschieben. Die Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft wird ökonomisch und politisch immer schwieriger zu bestimmen sein, Gesellschaften entstehen künftig spontan als temporäre Ordnung, als zweckrationale Konstellation, als situative Koalition von Einzelinteressen. Die Frage von Verfassung und Gemeinwohl sowie der Institutionen, die beides miteinander in Einklang bringen, wird sich in einer digitalen und globalen Gesellschaft völlig neu stellen. In diesem Sinne gezogene „Grenzen“ sind eine notwendige Beschränkung der Globalisierung.

Der Schutz von Freiheit durch Grenzen ist am Ende eine Bedingung von Frieden. Deshalb stehen wir nun vor der existenziellen Frage, wie wir durch kluges Setzen von Grenzen die globalen Probleme beherrschbar und die Welt wieder friedlicher machen können, ohne in ein Zeitalter der Renationalisierung und des Protektionismus zurückzufallen. Gleichzeitig ist die politische Stabilität der internationalen Beziehungen, die erkennbar gefährdet ist, wie selten zuvor die Bedingung dafür, die sich ausbreitende Angst vor dem globalen Kollaps zu beherrschen. Eine geopolitische Deeskalationsstrategie in Verbindung mit nachhaltiger Wirtschaftspolitik ist das Gebot der Stunde.             ®

 

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