• Yvonne Döbler

Stiften – schnell, flexibel, digital.

(Geschätzte Lesezeit: 5 - 9 Minuten)

Stiftungen Aufmacher

Philanthropie. Die Hürden sind hoch: Anwälte, Notare, die Stiftungs- und auch die Finanzaufsicht sind beteiligt, wenn es um Gründung und Führung einer Stiftung geht. Das kostet Zeit, Geld und oft Rendite. „Doch es geht auch anders“, ist Felix Oldenburg überzeugt. Mit „project bcause“ hat der ehemalige Generalsekretär des Bundesverbands Deutscher Stiftungen einen Versuch gestartet, das „alte“ Modell der Stiftung ins digitale Zeitalter zu transportieren.

„In einer idealen Welt“, sagt Felix Oldenburg, „ist ein Impact-Depot genauso selbstverständlich wie eines für Aktien. Und es lässt sich genauso digital per App führen. In einer solchen Welt kann jedermann mit noch so kleinen Beträgen per Klick gemeinwohlorientierte Projekte unterstützen, gesamtgesellschaftliche Wirkung erzielen und sein Engagement steuerlich absetzen. Alles wird einfach – und das Engagement mit Vermögen nimmt enorm zu.“

Die reale Welt sah bisher anders aus. Es werden zwar weiter Stiftungen gegründet, doch die meisten gehen mit wenig Kapital an den Start. „Insgesamt bleibt das Stiftungskapital bei Weitem hinter dem Wachstum der Vermögen zurück“, informiert der ehemalige Generalsekretär des Bundesverbands Deutscher Stiftungen. „Ich habe mich schon länger gefragt, woran das liegen könnte. Die Menschen sind doch sehr engagiert. Wenn sie nicht mehr so viel stiften, obwohl die gesellschaftlichen Herausforderungen immer größer werden, muss mit der Struktur etwas nicht stimmen.“

Oldenburgs These: Die eigentliche Hürde für Stiftungsgründungen sind die Rechtsform und die vielen Auflagen. Um dies zu verifizieren, beginnt er im Corona-Jahr 2020 einen Dialog und spricht mit über 100 Vermögenden unter anderem aus der Berliner Online-­Szene. Er will wissen: Was müsste passieren, damit sie sich philanthropisch engagieren? „Zusammengefasst waren sich alle einig, dass das Angebot dafür nicht auf der Höhe der Zeit ist. Der Gang zum Steuerberater, der Gang zum Anwalt, dafür haben die gar keine Zeit“, erzählt Oldenburg.

In dieser Zeit spricht er auch Gesche Joost an, Professorin an der Universität der Künste in Berlin und Vorstand der Studienstiftung des Deutschen Volkes: „Wir haben zunächst nur philosophiert: Wie müsste das neue Geben organisiert sein?“, erzählt sie. Dieses Gespräch ist eines von vielen im „Dialog Neues Geben“, den Oldenburg gestartet hat: Einige Hochvermögende beteiligen sich auf Einladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, um herauszufinden, wie sich Hürden reduzieren lassen, damit Engagement einfacher wird.

Fast parallel wird Lukas Bosch auf die Aktivitäten von Oldenburg aufmerksam, funkt ihn über LinkedIn an und bittet um ein Gespräch. Bosch ist Verhaltensökonom, Sozialunternehmer und Spross einer der ältesten Unternehmerfamilien Deutschlands: „Stiften“, sagt der 26-Jährige, „das ist so kompliziert, da muss ich mit Juristen und Notaren sprechen, Steueraspekte berücksichtigen, Geld in einen Sack stecken und für alle Zeiten wegsperren, und dieses Geld muss dann auch noch so bewirtschaftet werden, dass es der Mission der Stiftung nicht gerecht wird. Das will ich nicht, das will die junge Generation nicht.“

„Stiften muss einfach, also digital und schnell, transparent und wirksam sein – das ist es, was sich die Geber wünschen“, fast Oldenburg zusammen.

Digital und schnell, so, wie die Vermögensverwaltung heute stattfindet.

Global, per Tablet oder Smartphone. Transparent, denn Stifter wollen jederzeit wissen, wie es um die Projekte steht, die sie finanzieren. Wirksam, denn Impact ist der Motor für ihr Engagement. Und noch eine Erkenntnis gewinnen die Initiatoren des Dialogs: Was Stiftern heute offenbar nicht mehr wichtig ist, ist das Vermächtnis. „Der Eintrag ins Stiftungsregister, der den eigenen Namen über den Tod hinaus lebendig erhält, hat seine Bedeutung verloren, da die Stifter ihr Engagement jederzeit in den sozialen Medien kundtun können“, erklärt Oldenburg.

Aus diesem Wunschzettel der Gebenden entsteht 2021 project bcause: „Wer stiften möchte, kann bei uns ab nächstem Jahr ein Konto mit einer Kapitalzusage von mindestens 30000 Euro eröffnen. Dieses Geld wird auf ein Unterkonto einer Treuhandstiftung überwiesen und ist steuerwirksam, sobald der Stifter es möchte“, erzählt Oldenburg. Das Unterkonto ist jederzeit nutzbar, um Geld in den gemeinwohlorientierten Impact-Bereich fließen zu lassen. Die Treuhandstiftung dient den Stiftern also als rechtssichere Struktur und Pool für sinnvolle Projekte, um mit Gleichgesinnten die Realisierung von Vorhaben zu finanzieren. Gleichzeitig übernimmt die Stiftung das Handling des Engagements, sodass Administration und Verwaltung des Vermögens in professionellen Händen liegen.

Ein Beispiel: „Schlägt der Geldgeber vor, dass Geld von seinem Kapitalkonto in einen bestimmten Private-Equity-Fonds fließen soll, setzt der Treuhänder die Transaktion um. Die daraus entstehenden Erträge gehen automatisch ins Engagement-Depot und sind wieder nutzbar“, erklärt Oldenburg. Den Ertrag für den eigenen Vermögensaufbau zu verwenden, ist nicht möglich, es geht ja um gesellschaftliches Engagement.

Da der Treuhänder nie fremdes Kapital verwaltet, sondern das Stiftungsvermögen bewegt, benötigt bcause keine aufwendigen Lizenzen. „Wir können so die Kos­ten begrenzen, das ist im Niedrigzinsumfeld besonders wichtig“, findet Oldenburg.

Vielleicht lässt sich project bcause am besten als digitaler Philanthropie-Dienstleister beschreiben, wie es sie in den USA bereits seit vielen Jahren gibt: Jeder User kann jede einzelne Transaktion selbst über ein Online-Interface steuern. Das Geschäftsmodell sieht eine monatliche Grundgebühr, unabhängig vom Vermögen, vor. 20 Investoren hat Oldenburg bereits für sein Start-up gewinnen können, auf seiner Warteliste für die Eröffnung eines Kontos stehen bereits über 600 Interessenten. Die Initialinvestoren finanzieren den Aufbau des Unternehmens vor. In der ersten Seed-Runde sind so 2,5 Millionen Euro eingeworben worden – „aber wir brauchen vermutlich noch mehr, bis Technik und Content auf aktuellem Stand und wir bei Break-even sind“.

Oldenburg ist überzeugt: „Nur noch Riesenstiftungen benötigen eine Spezialkonstruktion. Der Standardfall der Stiftungen lässt sich anders, nämlich effizient und kostengünstig komplett digital organisieren.“ Bcause könne dafür sorgen, dass die Stiftungswelt einer idealen Welt nahekommt: „Wenn es uns gelingt, dass ein Engagement-Depot Normalität für jeden wird, haben wir die Stiftungsidee von Vermögenden auf alle übertragen. Wir könnten Zehntausende Depots führen – was für ein riesiges Potenzial für den gemeinnützigen Sektor.“

Lukas Bosch hat er damit überzeugt. Der gehört zum Gründungsteam von bcause. Und auch Gesche Joost ist inspiriert: „Ich habe noch nie so viel uneitles Engagement für eine Sache erlebt wie bei bcause. Jeder einzelne unserer Unterstützer ist eine Persönlichkeit und gewohnt, Raum für sich in Anspruch zu nehmen – aber niemand tut es. In unseren Treffen geht es immer nur um den Erfolg der Sache. Es sind schon sehr besondere Menschen, die sich hier engagieren und project bcause vorantreiben.“

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Mehr Möglichkeiten für Stifter.

„Das Interesse an Philanthropie und die Diskussion darüber, wie sich Vermögen und Gemeinwohl neu zusammendenken lassen, ist groß“, informiert Kirsten Hommelhoff, Generalsekretärin des Bundesverbands Deutscher Stiftungen. Im Rahmen dieser Diskussion spiele die Stiftung eine wichtige Rolle „als eine Organisationsform, die sich seit Jahrhunderten bewährt hat und die bis heute immens wichtige Beiträge in unserem Land und für unsere Gesellschaft leistet“. Damit das auch so bleibt, hat der Bundesverband lange auf eine Novellierung des Stiftungsrechts hingewirkt. Denn die Welt ändert sich – doch eine Stiftung konnte darauf bisher nicht reagieren, weil das Stiftungsrecht zu starr und zu kompliziert war. In Zeiten von Nullzins gab es zudem zu wenige Möglichkeiten, Erträge zu erzielen, mit denen der Stiftungszweck erfüllt werden kann.

Zum 1. Juli 2023 tritt nun ein neues Stiftungsrecht in Kraft, das auch für bestehende Stiftungen gültig ist und den geänderten Anforderungen der Stiftungen entgegenkommt. Die wichtigsten Neuerungen hat Kirsten Hommelhoff zusammengefasst:

// 01. Satzungs- und Strukturänderungen

Die Änderung von Satzungen, die Fusion oder die Auflösung von Stiftungen werden künftig erleichtert, wenn eine Stiftung ihren Zweck nicht mehr dauerhaft wirksam erfüllen kann. Damit wird zur Flexibilisierung der Stiftungen beigetragen.

// Die Änderung des Zwecks wird künftig möglich sein, wenn eine Stiftung ihren Zweck nicht mehr dauernd und nachhaltig erfüllen kann. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn keine ausreichenden Mittel vorhanden sind und auch nicht in absehbarer Zeit erworben werden können. Auch Änderungen von sogenannten prägenden Satzungsbestimmungen – also Sitz, Art und Weise der Zweckerfüllung, Regelungen zur Verwaltung des Grundstockvermögens – werden künftig machbar sein. Nicht prägende Satzungsänderungen können schon heute beschlossen werden, wenn sie die Erreichung des Stiftungszwecks erleichtern.

// Künftig kann eine Ewigkeitsstiftung in eine Verbrauchsstiftung durch Satzungsänderung gewandelt werden. Voraussetzung: Die Stiftung kann ihren Zweck in der alten Rechtsform nicht mehr erfüllen und dies lässt sich durch eine Umwandlung ändern.

// Die Auflösung von Stiftungen wird künftig einfacher sein, wenn sie ihren Zweck endgültig und dauerhaft nicht mehr erfüllen kann.

Tipp: Überprüfen und ändern Sie Ihre Satzung noch vor Inkrafttreten der neuen Regelungen, falls sie nicht Ihren aktuellen Bedürfnissen entspricht oder strengere Regelungen vorsieht als das künftige Gesetz.

// 02. Stiftungsvermögen und Umschichtungsgewinne

Der Gesetzgeber definiert den Vermögensbegriff neu und einheitlich. Unterschieden wird künftig bundesweit das (unantastbare) Grundstockvermögen von dem sogenannten sonstigen Vermögen.

// Künftig sind Zuwächse aus der Umschichtung des Grundstockvermögens – sogenannte Umschichtungsgewinne – als sonstiges Vermögen klassifiziert und zur Erfüllung des Stiftungszwecks verwendbar. Umschichtungsgewinne entstehen, wenn außerordentliche Erträge wie das Heben stiller Reserven beim Verkauf von Immobilien oder auch Wertpapieren erzielt werden. Bisher konnten nur Erträge – Zinsen, Dividenden – zur Erfüllung des Stiftungszwecks benutzt werden.

Es gibt allerdings zwei Ausnahmen. Erstens: Enthält die Satzung einen Passus, der dieses verbietet, ist die Regelung der Satzung bindend. Zweitens: Gerät der Erhalt des Grundstockvermögens durch die Zweckausgabe in Gefahr, dürfen Umschichtungsgewinne nicht für den Stiftungszweck verwendet werden.

Tipp: Wer einen Passus in seiner Satzung hat, der die Verwendung von Umschichtungsgewinnen begrenzt, sollte die Satzung in diesem Punkt frühzeitig anpassen.

// Die Verwaltung des Grundstockvermögens wird mit dem neuen Stiftungsrecht flexibler. Künftig darf die Satzung bestimmen, dass das Grundstockvermögen temporär für die Erfüllung des Stiftungszwecks genutzt wird – bei gleichzeitiger Pflicht zur Wiederauffüllung.

// 03. Haftung der Stiftungsorgane

Die bestehenden Haftungsregelungen für Vorstände und Beiräte (Organe der Stiftung) werden um die Business Judgement Rule ergänzt. Ziel ist es, mehr Rechtssicherheit für die handelnden Personen, insbesondere bei der Vermögensanlage, zu garantieren.

// Es gibt künftig einen haftungsfreien Ermessensspielraum der Organmitglieder.

// Die Haftung von Organmitgliedern kann in der Satzung eingeschränkt werden.

// Organmitglieder agieren künftig bei Entscheidungen mit Prognosecharakter nicht pflichtwidrig, wenn sie „unter Beachtung der gesetzlichen und satzungsgemäßen Vorgaben vernünftigerweise annehmen durften, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Stiftung zu handeln“.

// Ehrenamtlich tätige Organmitglieder haften nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Die Satzung kann eine weitere Befreiung von der Haftung vorsehen.

Damit haben Vorstände einen Ermessensspielraum, innerhalb dessen sie sich bei ihrer Entscheidung bewegen. Gleichzeitig müssen Stiftungen den Spielraum definieren. Dies kann geschehen, indem sie Entscheidungsgrundlagen definieren oder das Einholen von fachlichem Rat oder eine schriftliche Zusammenfassung und Vorlage von Pro- und Kontraargumenten vorschreiben. Die Dokumentation des Vorgangs sichert die handelnden Personen ab.

// 04. Stiftungsregister

Zum 1. Januar 2026 wird ein öffentliches Stiftungsregister eingeführt. Neu- und Altstiftungen müssen dort registriert werden.

Dieses elektronische Register hat Publizitätswirkung und wird beim Bundesamt für Justiz geführt. Sein Ziel ist es, für mehr Transparenz und Rechtssicherheit zu sorgen. Vorstandsmitglieder werden im Geschäftsverkehr – unter Umständen mit dort eingetragenen Einschränkungen ihrer Vertretungsmacht – als Vertreter der Stiftungen identifiziert. Auf die bisher zu erstellenden Vertretungsbescheinigungen (Aktualitätsproblem) kommt es dann nicht mehr an.

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Autorin: Yvonne Döbler

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