Von Mythen und echten Wahrheiten.

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Wissenschaft. Wann und in welchen Märkten lohnt es sich, sein Kapital aktiven Fondsmanagern anzuvertrauen? Und wann sind passive Investments wie ETFs die bessere Wahl? Der private-wealth-Partner Robeco nahm dieses Thema genauer unter die Lupe. Vorstandsmitglied Hans Rademaker präsentiert Ergebnisse, die konventionelle Weisheiten infrage stellen.

Manche Dinge werden an den Kapitalmärkten offenbar als unverrückbare Glaubenssätze hingenommen. Zum Beispiel, dass es aktive Fondsmanager sehr schwer haben, in den sogenannten effizienten Märkten den Index zu schlagen. Weil wichtige Informationen dort für jedermann jederzeit verfügbar sind und deshalb extrem schnell in den Kursen verarbeitet werden.

Viele Investoren setzen darum in diesen Märkten auf eine passive Anlage über ein ETF oder einen Index-Fonds. „Doch offenbar hat niemand diesen Zusammenhang empirisch getestet“, überlegt Hans Rademaker, Mitglied des Vorstandes bei der Investmentfirma Robeco, „denn als die Ergebnisse unserer Studie zu diesem Thema vorlagen, wurde klar: Diese Annahme stimmt gar nicht.“private wealth Herr Rademaker, warum haben Sie sich des Themas „Aktives versus passives Investment“ angenommen?
Hans Rademaker In den vergangenen fünf bis zehn Jahren waren viele Investoren mit den Ergebnissen der Fondsbranche unzufrieden. Die Mehrzahl der aktiven Fondsmanager schnitt nicht nur schlechter ab als ihr Vergleichsindex, sondern lieferte sogar negative Ergebnisse. Aber auch passive Index-Fonds konnten nicht mit den Indizes mithalten, Gründe hierfür waren die Kosten und die Konstruktion der Portfolios. Es ist verständlich, dass vor diesem Hintergrund Kosten und Managementgebühren kontrovers diskutiert werden. Außerdem wird in der Finanzpresse immer öfter darauf hingewiesen, dass passive Instrumente viel komplexer sind, als sie scheinen. Sie tragen zum Beispiel Risiken in sich, die Anlegern auf den ersten Blick nicht ersichtlich sind. Da geht es um Wertpapierleihe, Swaps oder das Kontrahentenrisiko. Weil die Debatte über aktives und passives Management sehr komplex ist, vermuteten wir, dass unsere Studie einen echten Mehrwert bieten könnte. Außerdem ist das Thema aktuell besonders relevant.

pw Warum?
HR In der Vergangenheit, als die Zinsen viel höher waren und sich risikolos drei bis vier Prozent verdienen ließen, war es völlig in Ordnung, wenn ein aktiver oder passiver Manager 0,5 Prozentpunkte schlechter abschnitt als der relevante Index. Da blieb für den Anleger noch genug übrig. Aber heute können 0,5 Prozentpunkte die Hälfte des Ertrags einer risikolosen Anlage ausmachen. Das ist für Kunden nicht akzeptabel. Und dann geht es noch darum, ob Anleger wirklich das bekommen, wofür sie bezahlen. Viele Fondsmanager kleben sehr eng am Index und berechnen dafür die Managementgebühren eines aktiven Fonds. Wir haben uns gedacht: Es ist Zeit zu analysieren, wie Kunden ihre Entscheidungen verbessern können, wenn sie zwischen einer aktiven und passiven Strategie in einem bestimmten Markt auswählen.

pw Wie sind Sie vorgegangen?
HR Zunächst einmal haben wir nicht Äpfel mit Birnen, sondern Äpfel mit Äpfeln verglichen. Oft werden aktive Manager ja an hypothetischen, nicht-investierbaren Indizes gemessen. Unsere Analyse stellt Strategien aktiver Manager gegen echte Investmentalternativen. Interessant war: 20 bis 40 Prozent der aktiv gemanagten Fonds erwirtschafteten dann über den 20-Jahres-Zeitraum von 1990 bis 2009 eine Überrendite. Das zeigt: Aktive Manager sind tatsächlich besser als ihr Ruf.

pw Das hört sich aber ein bisschen an, als hätten Sie die Basis Ihres Vergleichs so lange geändert, bis die aktiven Manager besser aussahen.
HR Nein – das war ein ehrlicher Vergleich zwischen den Ergebnissen aktiver Fonds und realistischer passiver Anlagealternativen. Ich glaube, die Finanz­indus­trie tut sich keinen Gefallen, wenn sie nicht-investierbare Indizes nutzt, um die Leistung von Managern zu bewerten. Die Performances von Indizes sind einfach nicht 1:1 replizierbar. Es gibt Handelskosten für die Replizierung des Index, es gibt Kosten, die in Zusam­men­hang mit dem Betrieb eines Anlagevehikels entstehen und es gibt Verwaltungsgebühren – auch bei passiven Indexprodukten. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass laut unserer Analyse europäische Index-Fonds und ETFs zwischen 50 und 150 Basispunkten per anno schlechter abschneiden als die jeweilige Benchmark.

pw Was haben Sie noch herausgefunden?
HR Als wir uns den Ergebnisbeitrag der aktiven Manager genauer angesehen haben, fanden wir heraus, dass das Potenzial für diese Manager von Land zu Land und von Sektor zu Sektor unterschiedlich ausfällt. Zum Beispiel war das Potenzial im US-Aktienmarkt größer als in den asiatischen Aktienmärkten.

pw Das dürfte eigentlich nicht sein, weil doch der US-Aktienmarkt als der effizienteste der Welt gilt.
HR Genau. Diese Beobachtung war eine Überraschung für alle, die seit Jahren daran glauben, dass das Potenzial, Überrenditen zu erzielen, irgend etwas mit der Markteffizienz zu tun hat. In unserer Untersuchung gab es darauf keinen Hinweis. Die Korrelation war fast null. Es war also egal, wie effizient die Märkte sind. Das widerspricht all dem, was die Investmentgemeinde bisher glaubt.

pw Was ist die entscheidende Variable?
HR Die Erfolgsaussichten für aktive Manager steigen mit der Marktbreite, also mit der Anzahl der unabhängigen Anlagealternativen, aus denen der Manager auswählen kann. Je breiter demnach ein Markt ist, desto mehr Möglichkeiten  hat ein Fondsmanager, seine Ideen umzusetzen und sein Können zu zeigen.

pw Was bedeutet eigentlich „unabhängige Anlagealternativen“?
HR Es kommt nicht nur auf die Anzahl der Wertpapiere an. Es geht um die verfügbare Anzahl nicht gleichartiger Anlagealternativen. Also Anlageoptionen, die sich in unterschiedlichen Marktsituationen nicht gleichartig entwickeln. Über die Periode von 1990 bis 2009 hatte zum Beispiel der Markt für europäische Staatsanleihen wenig Breite. In dieser Zeit, in der sich die Zinssätze in Europa annäherten, verhielten sich die Kurse der einzelnen Staatsanleihen ähnlich. Anlageentscheidungen wurden allein auf Basis der Zinserwartung getroffen. Andere Aspekte wie die Bonitätseinschätzung spielten eine untergeordnete oder gar keine Rolle. Demnach entwickelten sich europäische Staatsanleihen nicht mehr unabhängig voneinander. Fondsmanager konnten sich bei ihren Anlageentscheidungen also eigentlich nur noch durch ihre Prognosen zur allgemeinen Zinsentwicklung abheben.

pw Das hat sich aber dann rasch geändert.
HR Das war eine weitere wichtige Erkenntnis: Dass die Marktbreite über die Zeit nicht konstant bleibt. Nach der Lehman-Pleite beeinflussten schlagartig wieder Dinge wie das unterschiedliche Insolvenzrisiko die Anlageentscheidung. Die Anlagealternativen wurden wieder „unabhängiger“ voneinander.

pw Was haben nun Investoren genau von dieser Analyse?
HR Drei Dinge. Da die Chancen für aktive Manager nicht mit der Markteffizienz korreliert sind, gibt es erstens einen Anreiz, in Märkten nach aktiven Managern zu suchen, in denen bislang vor allem passive Instrumente eingesetzt wurden. US-Aktien sind ein Beispiel. Und Anleger wissen nun, in welchen Märkten sie besser mit Index-Strategien agieren sollten. Weil sich die Markttiefe über die Zeit ändert, sollte die Mischung zwischen aktiven und passiven Mandaten zweitens dynamisch gestaltet sein. Investoren sollten aktive Manager in Märkten auswählen, in denen sich ihrer Meinung nach die Markttiefe verbreitert. Und passive Strategien dort, wo sie glauben, dass diese geringer wird. Und drittens zeigt unser Research: Wenn Anleger nicht daran interessiert oder nicht in der Lage sind, die fähigsten unter den aktiven Managern ausfindig zu machen, ist ein passiv gemanagter Index-Fonds die beste Alternative. In einem gut diversifizierten Portfolio sollten jedenfalls weder aktive noch passive Strategien von vornherein ausgeschlossen werden.

pw Welche Märkte haben große Breite?
HR Das sind beispielsweise Aktien weltweit in den Industrienationen und US Small Cap Equities.    ®