„Ich bin überzeugt, dass man gewinnen kann.“

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Bankenkonsolidierung. In den vergangenen zehn Jahren wurde aus der Überlebensstory des private-wealth-Partners Bethmann Bank eine ­echte Erfolgsgeschichte. Der Vorstandsvorsitzende Horst Schmidt über das Private Banking von gestern, heute – und morgen.

Der prägendste Moment der letzten zehn Jahre? „Dass alle Mitarbeiter einer Bank unter Generalverdacht gekommen sind“, überlegt Horst Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Bethmann Bank: „Als ich vor mehr als 30 Jahren in der Bank angefangen habe, war das ein ausgesprochen angesehener Beruf.“ Früher sei der Bankier so etwas wie ein Hausarzt gewesen. Eine Person, der Vertrauen entgegengebracht wurde.

„Das war eine Gunst und eine Verantwortung. Daran sollten wir wieder anknüpfen.“ Schmidt redet die Fehler der Branche nicht klein. Man habe unterschätzt, wie schwierig die Kommunikation manchmal sei – „da passieren eine Menge Missverständnisse im wahrsten Sinne des Wortes, nicht selten ohne böse Absicht“. Auch sei in der endlosen Liberalisierung der Märkte die Komplexität von Finanzprodukten übertrieben worden – „weil sich damit ja auch interessante Absicherungsstrategien umsetzen ließen“.

Und vielleicht habe der eine oder andere auch zu Unrecht den Eindruck vermittelt, Bankiers könnten die Zukunft an den Kapitalmärkten vorhersehen. „Dass ein Bankier nur verkaufen will, ist nicht meine Wahrnehmung der Realität. Die überwiegende Mehrheit der Berater gibt sich Mühe mit den Kunden. Aber ich beklage mich nicht. Das Pendel hat nicht ohne Grund in eine Richtung ausgeschlagen.“

Im Private Banking, erklärt Schmidt, herrsche doch eigentlich Interessensgleichheit zwischen Bank und Kunde. „Wenn der Kunde möglichst kein Geld verliert, kann die Bank mitwachsen. Das ist ein langfristiges Geschäft, in dem gilt: Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.“

Dass sich gerade heute viele Institute aus dem Beratungsgeschäft zurückziehen oder sich auf eine sehr wohlhabende Klientel konzentrieren, hält Schmidt für falsch. „Beratung ist zwar heute tatsächlich teuer, kompliziert und aufwendig infolge der Regulierung. Aber zugleich sehen wir in einer Zeit negativer Realzinsen, hoher Aktienkurse und boomender Immobilienmärkte einen enormen Bedarf. Dass ein Sparringspartner helfen kann, die persönlichen Risiken besser verstehen zu lernen, auch wenn er natürlich nicht alles weiß, steht für mich außer Frage. Deshalb investieren wir in die Vermögensberatung.“

Die letzte große Investition ist die aktuelle Übernahme des in Deutschland gebuchten Privatkundengeschäfts der Credit Suisse. Es ist zu erwarten, dass rund 9000 Kunden und zehn Milliarden zusätzlich verwaltetes Vermögen hinzu kommen werden. Danach wird die Bethmann Bank im Privatkunden­geschäft mit ungefähr 35 Milliarden Euro an verwaltetem Vermögen Deutschlands Nummer drei sein.

„Als wir 2004 mit der Vision einer unabhängig beratenden Privatbank angefangen haben, die in allen wichtigen deutschen Wirtschaftszentren zu Hause ist  – wer hätte damals gedacht, wie sich der Markt neu mischt? Ich nicht. Einige namhafte Anbieter haben die Konsolidierung nicht überstanden. Aber so ein Prozess bietet auch viele Gelegenheiten – vorausgesetzt, man übersteht die Krise.“

Was als Überlebenskampf zu kleiner, unprofitabler Privatbanken angefangen hat, ist heute tatsächlich eine Erfolgsgeschichte geworden. Wenn Horst Schmidt den Weg dahin beschreibt, dann klingt das allerdings erstaunlich unspektakulär. „Ich erzähle heute das Gleiche wie vor fünf Jahren.“ Es gehe um kritische Größe und Fokus. „Man darf sich nicht verzetteln. Wir sind die einzige Privatbank, die nichts anderes macht, als für vermögende Privatkunden da zu sein. Dienstleistungskultur und Beratungsqualität sind für uns das Wichtigste, Kostenmanagement spielt eine Rolle. Aber sonst?“

private wealth Herr Schmidt, Sie argumentieren immer mit den Werten einer Privatbank, sind aber tatsächlich die Tochter einer holländischen Staatsbank, der ABN AMRO. Wie passt das zusammen?
Horst Schmidt Klarheit, Leistung und Persönlichkeit sind nicht davon abhängig, welche Gesellschafterstruktur dahinter steht. Es geht darum, wie man ein Unternehmen führt. Eine Privatbank ist gelebte Identität, eine Frage von persönlicher Haltung, Nahbarkeit, Kontinuität und Verlässlichkeit.

pw Was kann dann eine Privatbank leis­ten, das ein Konzern nicht leisten kann?
HS Ich würde die Frage umdrehen: Welche Fehler werden in einer großen Struktur gemacht? Ein Beispiel: nur verlängerte Werkbank einer Produktionsstätte zu sein und die hauseigenen Produkte verkaufen zu müssen. Ein anderes: Retailisierung, also die systematische Einführung von Massengeschäftsprozessen.

pw Wo ist denn die Trennlinie zwischen gutem Kostenmanagement und schlechter Systematisierung?
HS Die ist tatsächlich schwierig zu ziehen. Konsequente Kostenkontrolle ist  > ja nichts Schlechtes. Wir brauchen beides. Qualitätsgesicherte Beratungsleis­tungen, die quasi im Regal stehen. Und Zeit für den Kunden. Denn wir suchen ja immer nach individuellen Lösungen.

pw Hat sich denn der Kundenanspruch in den letzten Jahren geändert?
HS Laut unserer aktuellen Kundenbefragung stehen heute weder Kosten noch Investmentreturn im Vordergrund, sondern die weichen Faktoren: Ist mein Berater für mich erreichbar, versteht er mich, fühle ich mich bei der Bank wohl? Zuhören, Freundlichkeit, Aufmerksamkeit – da können wir uns viel von der Hotellerie abschauen.

pw Gilt nicht gerade in der Null-Zins-Ära verstärkt: A penny saved is a penny earned?
HS Gute Beratung kostet. Wer daran spart, bezahlt das unter Umständen teuer. Dass wir für die Stunde vergütet werden wie in der Honorarberatung, dazu wird es zwar auf absehbare Zeit nicht kommen. Doch der Grundgedanke ist richtig. Darum vereinbaren wir in der Vermögensverwaltung und in der Anlageberatung Pauschalhonorare.

pw Was hat sich am Beratungsprozess geändert?
HS Früher wurde in der ganzen Branche viel über Produkte nachgedacht. Heute positionieren wir uns über ganzheitliche Beratung. Wir haben schon vor einigen Jahren komplett umgestellt: keine eigenen Produkte, klar verständliche Portfolios, nachvollziehbare Aufteilung der Depots in Aktien und Renten, kostenoptimiert. Mit einer Vermögensverwaltung, die von der Benchmark-Strategie weggeht und stattdessen auf unsere eigene Marktmeinung setzt, auf Ausrechenbarkeit, Transparenz, Klarheit, Kontinuität und Nachhaltigkeit.

pw Gibt es auch ganz neue Themen?
HS Für die großen Vermögen hat die Bonität des Bankpartners eine größere Bedeutung bekommen. Und das Management des Kontrahentenrisikos ist heute Pflicht, also die Antwort auf die Frage: Wo ist mein Geld noch sicher?

pw Wen akzeptieren Sie selbst nicht als Kontrahenten?
HS Wir haben eine Positivliste von rund 15 Instituten, mit denen wir bevorzugt zusammenarbeiten.

pw Was ist die nächste große Herausforderung im Private Banking?HS Das Thema Next Generation. Zu akzeptieren, dass sich der Lebensstil der Menschen ändert. Was bedeutet es, mit dem Puls der Zeit zu gehen? Welche Werte sind der nachfolgenden Generation wichtig? Da geht es um mehr als digitale Gimmicks. Wir laden deshalb zu Veranstaltungen ein, bei denen wir vermögende Erben auf internationaler Ebene zusammenbringen – den saudischen Prinzen mit der deutschen Tochter eines Mittelständlers.

pw Was sind die Inhalte dieser Treffen?
HS Da geht es um praktische Dinge wie Asset Allocation oder Family Gover­nance in unterschiedlichen Kulturen. Wir verstehen die Bethmann Bank als moderne soziale Plattform. Wir möchten den direkten Austausch von Menschen mit gleichen Interessen ermöglichen.

pw Wie hoch ist das Durchschnittsalter der Beschäftigten in der Bank?
HS Das liegt bei etwa 47 Jahren. Wir möchten weiter gezielt junge Talente ansprechen, die neue Projekte anschieben und umsetzen. Wir Älteren sind vielleicht zu sehr im eigenen Wertegerüst gefangen. Mir ist wichtig, junge Leute für unsere Bank zu begeistern und ihnen auch internationale Perspektiven zu bieten. Ein Hauch von Inkubator-Mentalität tut unserer Bank gut.

Horst Schmidt sitzt tatsächlich völlig entspannt in diesem Gespräch. Und vermittelt den Eindruck, ganz anders zu sein als der typische Vorstandsvorsitzende einer Bank. Geerdet ist vielleicht der richtige Ausdruck. Oder unprätentiös. Einer, der sich vor allem offen darüber freut, was ihm und seinem Team da in zehn turbulenten Jahren gelungen ist. „Bethmann und Maffei waren damals zu klein, Delbrück hatte Probleme im Kreditgeschäft, und die ABN AMRO hatte im deutschen Private Banking allein einen schweren Stand. Heute sind wir einer der wichtigsten Konsolidierer im Markt. Das haben uns die Wenigsten zugetraut. Jetzt werden wir wahrgenommen. Auch als Arbeitgeber. Wir generieren Stärke.“

Irgendwie ist es dann auch typisch, wie Horst Schmidt die letzte Frage nach dem Masterplan für die nächsten fünf Jahre beantwortet. Wo andere vielleicht die Gelegenheit für die große visionäre Skizze genutzt hätten, sagt er nur leise: „Besser finde ich: Was schaffen wir in den nächs­ten eineinhalb Jahren? Erst einmal bemühen wir uns um die Kunden und Mitarbeiter der Credit Suisse.“ Und dann? „Wissen Sie: Ich gehe gern zu meiner Bank. Am wichtigsten ist für mich, dass unsere Kunden auch gern dorthin kommen. Genau das zählt doch in einer Privatbank.“    ®