Starthilfe.
Philanthropie. Viele Sammler und Investoren hoffen, in Galerien den nächsten Stern am Kunsthimmel zu entdecken. Doch die überwältigende Mehrheit talentierter Absolventen der Kunsthochschulen schafft den Weg dorthin gar nicht. Also organisiert der Hamburger Christian Holle jedes Jahr für junge Künstler einen ersten Auftritt in der Öffentlichkeit – den salondergegenwart.
„Eigentlich wollte ich ja gar nicht“, lächelt Christian Holle. Und als er dann doch wollte, sollte das Engagement auf keinen Fall länger als fünf Jahre dauern. „Es kostet eben viel Zeit und Geld.“ Am 10. November 2017 wird er trotzdem sehr glücklich den 7. salondergegenwart in Hamburg eröffnen und wieder einmal 15 weitgehend unbekannten und ebenso vielen erfolgreichen Künstlern Öffentlichkeit verschaffen. „Das ist meine Art, Kunst zu unterstützen.“
Christian Holle, 51 Jahre alt, ist im Hauptberuf selbstständiger Immobilienmanager. Er optimiert die Wirtschaftlichkeit von Gebäuden. Zeit ist ein rares Gut, und trotzdem organisiert er seit 2011 zusammen mit seiner Frau Margarita den salondergegenwart, investiert Zeit, die er nicht hat, und Geld, das er nicht wiedersieht. Rund 50000 Euro kostet der Salon – und meist findet er nur Sponsoren und Spender, die 20000 davon übernehmen.
Warum macht das einer, der ohnehin beruflich stark eingebunden ist? „Wir geben eine Chance, wo sonst keine ist“, erklärt Holle. Es sei einfach unglaublich schwer für Künstler, nachdem sie das Studium beendet haben, entdeckt oder von einer Galerie aufgenommen zu werden. „90 Prozent der Galeristen geht es ökonomisch nicht besonders gut. Sie können nicht noch einen weiteren jungen Künstler aufnehmen, mit dem sie vielleicht auf unbestimmte Zeit kein Geld verdienen.“
6000 Studenten schreiben sich Jahr für Jahr an den Kunsthochschulen des Landes ein. 500 Meisterschüler, schätzt BVDG-Geschäftsführerin Birgit Maria Sturm, verlassen auch 2017 die Universitäten, um ihr Glück am Kunstmarkt zu versuchen und ein Auskommen zu finden. Diesem Glück will Holle ein bisschen unter die Arme greifen.
„Philanthropie in der Kunst ist keine Seltenheit“, informiert Annette Doms. Doms ist promovierte Kunsthistorikerin und engagiert sich darüber hinaus in der Strategieagentur Independent Contemporary Art Advisors, die Netzwerkaustausch in den Bereichen Kunstmarkt und Kunstsammlungen sowie Kunstberatung anbietet. Seit 2010 vergibt sie zudem den Kunst-Förderpreis ARTWART an junge, vielversprechende Künstler. Sie möchte damit belohnen, dass junge Menschen trotz schlechter Verdienstaussichten ihrer Berufung folgen und die Chance ergreifen, als Künstler zu wachsen.
Meist, sagt die Expertin, finde Philanthropie ihren Ausdruck in Stiftungen erfolgreicher Unternehmer, die der Gesellschaft etwas zurückgeben wollen. Beispiele seien die Stiftung Federkiel e.V. in Berlin, gegründet von Tina und Karsten Schmitz, die Künstlern Darlehen gibt, Reisen ermöglicht und Ausstellungen fördert. Oder Unternehmensstiftungen wie die FAMAKunststiftung – Vermächtnis des Unternehmers, Sammlers und Mäzens Harald Stein. Dazu kämen rund 300 Kunstvereine in Deutschland mit ihren über 120000 Mitgliedern, die Ausstellungen für Künstler organisieren und deren Bilder kaufen.
Und dann gebe es natürlich privates Engagement von Einzelpersonen. „Insgesamt ist das aber höchstens ein Zehntel dessen, was zum Beispiel in die Musik fließt“, erklärt Holle: „Und außerdem spielen manchmal auch durchaus ökonomische Motive eine Rolle. Es werden Geld, Zeit und Kontakte zur Verfügung gestellt und im Gegenzug wechseln Bilder des Künstlers ihren Besitzer.“
Bei Christian Holle gibt es das nicht. Der Hamburger lebt sein philanthropisches Engagement pur. An drei Tagen im Jahr zeigt er die Malerei von 15 jungen, in Deutschland beheimateten Künstlern, die gerade ihr Studium beendet haben. Hinzu kommen 15 Maler, die bereits eine Galerie gefunden haben, aber einem größeren Publikum weitgehend unbekannt sind. Und immer zwei bis drei internationale Künstler, die bereits in Museen zu sehen sind. „Das sind die Zugpferde“, erklärt Holle, „sie zum Kommen zu bewegen ist immer die schwierigste Aufgabe.“
Eines der Zugpferde des ersten salondergegenwart war 2011 der international erfolgreiche Künstler Christian Awe. Für ihn war die Ausstellung „ein rundum gelungenes Ereignis“. Seit der Ausstellung – wenn auch nicht nur ihretwegen – hat er jährlich zehn Prozent mehr Bilder verkauft. „Dort trifft sich das Who’s who der deutschen Kunstszene, so wie es früher in den Pariser Salons üblich war – ein Aushängeschild für die Stadt Hamburg“, ist Christian Awe von Holles Konzept überzeugt. Der Salon sei ein Gradmesser der Kunstproduktion in Deutschland, es sei nicht eben leicht für junge Künstler, sich bekannt zu machen, Christian Holle leiste da einen tollen Beitrag. „Er hat ein gutes Gespür für Kunst und tritt als Berater, Freund und Mentor auf, was wirklich wertvoll für jeden Künstler ist“, so Awe.
Beim Abendessen in den Ausstellungsräumen ist ein Großteil der ausstellenden Künstler anwesend. „Jeder Interessierte kann sich für dieses Essen online anmelden – es kostet 125 Euro und die ersten 180 Anmeldungen erhalten einen Platz“, erzählt Christian Holle. First come, first serve. Für die Kunstliebhaber sei es interessant, die Künstler kennenzulernen. Und für die Künstler sei es spannend, nicht nur ihre Malerkollegen, sondern auch die potenziellen Käufer zu erleben.
„Für mich war es auch gut zu wissen, bei wem meine Werke künftig hängen werden. Das hat es mir leichter gemacht, mich zu trennen“, erzählt Melanie Siegel. Sie hatte vier ihrer Werke 2015 auf dem salondergegenwart ausgestellt und alle Bilder verkauft. „Ein toller Einstieg, ich kam ja frisch von der Uni und hatte erst ein paar kleine Ausstellungen gehabt“, erzählt sie. Wie wichtig die Förderung durch Philanthropen und andere Kunstinteressierte ist, erklärt sie so: „Künstler arbeiten in Nebenjobs, um im Hauptberuf arbeiten zu können – das kostet sehr viel Kraft und geht zulasten der Kreativität.“ Wenn ein Mäzen oder Philanthrop hilft, für Bekanntheit zu sorgen, sodass auch junge Kunstschaffende von ihrer Hauptarbeit leben können, sei das eine große Entlastung.
Rund 2000 Besucher sehen sich jedes Jahr die junge Kunst an. Erfahrene Sammler erscheinen mittlerweile bereits vor Ausstellungseröffnung, um die Bilder, die sie haben möchten, zu reservieren. „Wir sind aber keine Verkaufsausstellung. Es geht mir darum, jungen Künstlern Aufmerksamkeit zu verschaffen“, betont Holle. Dennoch würden etwa 25 Exponate auf der Veranstaltung den Besitzer wechseln. „Das günstigste Bild wurde im vergangenen Jahr für 1500 Euro verkauft, das teuerste für 52000 Euro.“ Der Ertrag fließt ausschließlich an die Künstler, Holle verdient beim Verkauf nicht mit. „Ich will kein Geld. Der Grenznutzen von 1000 Euro ist bei den Künstlern wesentlich höher als bei mir – das Geld soll bei ihnen verbleiben.“
Der größte Lohn sei es, wenn es einer der Künstler, die Holle immer gemeinsam mit seiner Frau Margarita persönlich auswählt, tatsächlich ganz nach oben schafft: „Eine Künstlerin hat zum Beispiel 2015 bei uns einen Galeristen kennengelernt, ein Jahr später organisierte dieser mit ihren Werken eine Ausstellung in Berlin – alle Exponate wurden verkauft. Und wieder ein Jahr später war sie auf der Art Basel in Miami vertreten. Das ist perfekt gelaufen.“ Tatsächlich hat Holle selbst sogar auch ein Bild der jungen Frau gekauft, er profitiert in diesem Fall also doch ein bisschen. „Aber das war Zufall. Ich kaufe nur, was mir wirklich gefällt. Und nicht mit dem primären Motiv der potenziellen Wertsteigerung.“
Auf dem ersten Salon sei ihm zum Beispiel von einem Galeristen ein Bild für 4000 Euro mit 20 Prozent Nachlass angeboten worden, „bevor ich es mit nach Hause nehme“, sagt der. Doch es gefiel Christian Holle nicht, also kaufte er es nicht. „2016 wurden ähnliche Bilder des Malers für bis zu 96000 Euro bei Christie’s und Sotheby’s versteigert. Das wäre ein gutes Geschäft gewesen. Aber ich bin schließlich nicht Gunter Sachs“, sagt Holle mit einem Augenzwinkern.
Gunter Sachs habe die erste Andy-Warhol-Ausstellung in Hamburg gehabt und kein einziges Bild verkauft. „Das war ihm so peinlich, dass er dann alle Bilder selbst erworben hat. Ich glaube, er hat niemals in seinem Leben wieder ein so gutes Geschäft gemacht.“
Zum besonderen Konzept des Salons gehört, dass es sowohl einen 3-D-Film gibt, der die Ausstellung festhält und damit immer wieder erlebbar macht, als auch ein Buch aufgelegt wird, in dem die Künstler und ihre Exponate abgedruckt sind. „Das Buch erstellt meine Frau ziemlich allein, trotz unserer bald sieben Kinder ist es ihr ein großes Anliegen. Ich kenne keine museale Ausstellung, die es später noch mal zu sehen gibt – das ist etwas, das nur wir machen“, ist Holle stolz.
Der salondergegenwart entstand, weil Christian Holle genau bei diesem Stolz gepackt wurde: Jahrelang war er mit seiner Frau auf die großen europäischen Ausstellungen, die Art Cologne oder die Art Basel, gereist. Jedes Mal wurde er von den Galeristen gefragt, warum außer ihm keine Hamburger Sammler kämen. „Interessieren die sich nur für Buddelschiffe?“, bekommt er zu hören, was ihn ärgert. 2009 verspricht er, im kommenden Jahr zehn Sammler mitzubringen. Er fragt bei seinen Freunden an, alle sind zunächst begeistert von der Idee, haben dann aber doch keine Zeit. „Kaffeetrinken mit der Schwiegermutter, ein wichtiger Zahnarzttermin, beruflich verhindert – Sie kennen das.“ Also reist er wieder allein mit seiner Frau nach Köln und muss sich lustige Sprüche zum fehlenden Hamburger Kunstengagement anhören.
Das mag er nicht auf sich sitzen lassen und bietet deshalb an, einen kleinen Salon bei sich daheim in Hamburg zu organisieren. Die Galeristen sind begeistert, Häuser wie Lehmann aus Dresden und Kleindienst aus Leipzig melden sich mit ihren erfolgreichen Künstlern, wie Eberhard Havekost und Norbert Bisky, an. „Plötzlich hätte ich 30 Künstler vor Ort gehabt. Doch dafür reichten meine privaten Räumlichkeiten gar nicht aus“, erinnert sich Holle. Ein Rückzieher kommt natürlich nicht infrage – ein Mann, ein Wort. Also entschließt er sich, eine einmalige, aber richtige Ausstellung zu organisieren.
„Richtig“ heißt, sein Büro für zwei Monate lahmzulegen und den ersten salondergegenwart zu veranstalten. 1500 Gäste kommen, ein gigantischer Erfolg, Holle ist begeistert und weiß doch: Das macht er nie wieder. „Zu viel Zeit, zu viel Kraft, zu teuer.“ Einige Monate später ist der Stress vergessen und das Hochgefühl geblieben. Holle plant mit vier weiteren Ausstellungsjahren, bis 2015 müsse sich der salondergegenwart aber selbst tragen, vor allem durch Spenden. Er gründet eine gemeinnützige Gesellschaft, um den fehlenden Erwerbscharakter festzulegen und Spendenquittungen ausstellen zu können.
Doch nach dem fünften Jahr stellt er fest: Das reicht nicht, es reicht bei Weitem nicht. Und der Zeitaufwand ist unverändert hoch. Er bleibt trotzdem dabei: „Gerade bei den jungen Künstlern bekommen wir so ein tolles Feedback, deshalb möchte ich den salondergegenwart aufrechterhalten – es ist mein Dank an das Leben.“
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salondergegenwart.
Zu den Zugpferden der kommenden Ausstellung gehört Karin Kneffel, eine der höchstdotierten Künstlerinnen Deutschlands, die eines ihrer Werke ausstellen und auch am Abendessen teilnehmen wird. „Sie hat gerade eine Ausstellung in der Galerie Schöttle in München. Als ich am Abend des ersten Veranstaltungstages in die Galerie kam, waren alle 15 Bilder bereits verkauft – die Werke gehen an Museen und große bekannte Sammler“, erzählt Holle.
Ihre Meisterschülerin Melanie Siegel hatte im vergangenen Jahr auf dem Salon vier Bilder ausstellen dürfen, die allesamt verkauft wurden: „Dass ich die Käufer persönlich kennengelernt habe, war sehr schön“, erinnert sie sich. Die Künstlerin Oskar Rink, die im gleichen Jahr ebenfalls erfolgreich ausgestellt hat, erzählt: „Die Veranstaltung ist perfekt organisiert, das ist bei Galerien keine Selbstverständlichkeit.“ Sie hat Christian Holle erst auf dem Salon persönlich kennengelernt und festgestellt: „Er spricht gern über Kunst – so wie ich auch. Wir haben uns wunderbar unterhalten.“
Rund 210 Künstler hat Christian Holle seit Gründung seines Salons kennengelernt und manch Kurioses mit ihnen erlebt. „Eine Künstlerin wollte ein kleines Bild viel teurer verkaufen als ein deutlich größeres und lieferte als Begründung den schönen Satz: ,Ich habe das kleine Bild so lieb.‘ Da musste ich dann doch erst mal erklären, dass der Kunstmarkt so nicht funktioniert“, schmunzelt er. Im letzten Jahr war Matthias Walscher das Zugpferd – er ist einer der bekanntesten Künstler der Leipziger Schule. Von den Jungkünstlern des letzten Jahres hat Jan Muche am meisten verkauft. Wem er in diesem Jahr den größten Erfolg zutraut, verrät Christian Holle nicht.
// Veranstaltungsort ist das Haus Große Bleichen 34, die Bilder hängen im ersten Obergeschoss. Vom 10. bis 12. November wird die nächste Veranstaltung stattfinden. Karten für das legendäre Abendessen gibt es bei
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Autorin: Yvonne Döbler