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  • Gerd Hübner

Der unterschätze Werttreiber.

(Geschätzte Lesezeit: 5 - 10 Minuten)

Wechselkurse. Ein von vielen international agierenden Investoren unterschätzter Aspekt bei der Vermögensanlage ist die Entwicklung der Devisenkurse. Währungsschwankungen werden in der Regel billigend in Kauf genommen. Das kann zu unerwarteten Erträgen ­führen. Oder zu überraschenden Verlusten. Wie intelligentes Währungsmanagement aussieht.

Als Brasilien Anfang 2015 von Korruptionsskandalen, Politkrisen und Rezession erschüttert wurde, ließ die Reaktion der Kapitalmärkte nicht lange auf sich warten. Der Brasilianische Real fiel wie ein Stein. Gegenüber dem Euro büßte er in neun Monaten 36 Prozent seines Werts ein. Mit der neuen Regierung und der wirtschaftlichen Stabilisierung setzte dann eine Trendwende ein. Bis Anfang 2017 wertete der Real wieder um fast 19 Prozent auf. Wer 2015 brasilianische Anleihen in lokaler Währung besaß, machte trotz des Kupons von knapp zehn Prozent einen Verlust von etwa 26 Prozent. Im darauffolgenden Jahr summierte sich der Ertrag per saldo auf 30 Prozent.  „Solche heftigen Bewegungen führen zu starken Kursschwankungen im Portfolio“, macht Ugo Lancioni, Währungsexperte beim amerikanischen Vermögensverwalter Neuberger Berman, klar: „Ich frage mich dann immer: Steht hinter der Entscheidung für oder gegen eine Währung eine Systematik oder vertrauen die Anleger ganz einfach auf den Zufall?“

Tatsache ist: Währungsschwankungen spielen bei der Kapitalanlage eine sehr viel größere Rolle, als viele Investoren meinen. Wie die Experten von Deutsche Asset & Wealth Management in einer Studie festgestellt haben, mussten Anleger aus dem Euroraum zwischen Ok­tober 2000 und April 2008 zum Beispiel bei US-Dollar-Investments einen Wechselkursverlust in Höhe von fast 50 Prozent hinnehmen. Danach wertete der Dollar bis März 2015 um über 34 Prozent auf. In diesem Zeitraum brachte die Währungskomponente also enorme Gewinne.

Aber auch über kürzere Zeiträume beeinflussen Wechselkursschwankungen das Anlageergebnis erheblich.

Der höchste Jahresverlust, den Euro-Anleger seit der Jahrtausendwende im Dollar verkraften mussten, betrug über 22 Prozent. Im Pfund waren es über 25 Prozent, und sogar der immer als sicherer Hafen betrachtete Schweizer Franken wertete zwischenzeitlich knapp 15 Prozent ab. Andererseits gibt es unzählige Beispiele, in denen Anleger aus dem Euroraum zweistellige Jahresgewinne bei verschiedensten Währungen erwirtschaften konnten. „Oftmals ist tatsächlich der Einfluss der Währungen auf die Performance größer als das reine Ergebnis im dortigen Aktien-, Immobilien- oder Anleihemarkt“, macht Lancioni klar.

Anleger haben im Grunde drei Möglichkeiten, sich mit dieser Erkenntnis auseinanderzusetzen. Sie können Wechselkursschwankungen erstens ignorieren, zweitens grundsätzlich komplett absichern oder die Fremdwährungen aktiv managen, also versuchen, die Trends zu nutzen und die Wechselkursrisiken abzusichern, wenn Verluste bei der Fremdwährung wahrscheinlich erscheinen.

„Wir halten die grundsätzliche Absicherung für die schlechteste Variante, weil sie oftmals sehr teuer ist und letztlich Performance kostet. Anleger lassen sich damit nicht nur die Chancen entgehen, die ein Währungsmanagement eröffnen kann, sondern verzichten auch auf positive Diversifikationseffekte, die durch die Beimischung fremder Währungen zustande kommen“, erklärt Lancioni.

Also lieber nichts tun? Tatsächlich, erklärt Stephan Jäggle vom Family Office Münster Stegmaier Rombach, sei dieser Diversifikationseffekt nicht zu verachten. „Die meisten vermögenden Familien sind ja ohnehin über den Immobilienbesitz oder direkte Unternehmensbeteiligungen zum großen Teil in Euro investiert. Oft macht dies 70 bis 75 Prozent des Vermögens aus. In diesen Fällen ist es ohnehin sinnvoll, die restlichen 25 Prozent über das liquide Vermögen global zu streuen und die Währungskomponente als diversifizierendes Element bewusst zu akzeptieren. Nichtstun ist dort grundsätzlich unsere Devise. Deshalb bevorzugen wir im Rahmen unserer Managerauswahl ein globales Anlageuniversum mit offenen Währungskomponenten.“

In besonderem Maß, so Jäggle weiter, gelte das für den Aktienbereich: „Dort kann die grundsätzliche Absicherung der Währung sogar ein zusätzliches Risiko bedeuten.“

Der Hintergrund: Viele Unternehmen sind heute international aufgestellt. Im Jahr 1992 kamen noch rund 60 Prozent der Umsätze von großen Firmen aus dem Heimatland, informiert Cathrine LeGraw, Währungsexpertin des Assetmanagers GMO: „Heute sind es nur noch 35 Prozent.“ Wechselkursänderungen haben deshalb einen starken Einfluss auf das operative Geschäft. Wertet zum Beispiel der Dollar ab, nimmt die Wettbewerbsfähigkeit von US-Firmen zu. Sie machen mehr Umsatz und Gewinn. Der Aktienkurs in US-Dollar steigt. Und kompensiert für Anleger aus dem Euroraum die Wechselkursverluste.

Noch ein zweiter Punkt ist in diesem Zusammenhang wichtig: Das Management dieser Firmen versucht in der Regel auch selbst, seine Währungspositionen zu optimieren. „Diese Unternehmen haben oft Produktionsstätten in anderen Ländern, beziehen Vorprodukte aus dem Ausland oder sichern ihre erwarteten Umsätze in anderen Ländern ab, wenn sie es für angebracht halten“, so die Expertin weiter.

Ein Anleger müsste somit bei jeder Firma, in die er investiert, die Nettowährungsposition kennen, um sein Engagement wirksam gegen Wechselkursschwankungen abzusichern. „Das ist nicht machbar“, so LeGraw weiter. „Viel wahrscheinlicher käme es dann zu einer Über- oder Untersicherung.“ Und das wäre wieder eine – ungewollte – Spekulation. Währungsmanagement sei deshalb im Aktienbereich nur sinnvoll, wenn es sich um binnenorientierte Firmen handelt.

Ganz anders sieht es allerdings bei Anlagen in festverzinslichen Wertpapieren oder alternativen Investments wie Immobilien, Hedgefonds und zum Teil auch Private Equity aus. Denn diese Anlagen liefern alle einen nominalen Einkommensstrom in der jeweiligen lokalen Währung und die Ertragsmöglichkeiten ändern sich nicht bei Wechselkursbewegungen.

Die Herausforderung einer systematischen Wechselkursabsicherung in diesem Bereich ist freilich die Umsetzung. Schließlich gelingt es kaum jemandem, Wechselkurstrends stets richtig zu prognostizieren. Der Grund: Entscheidend für die Wechselkursentwicklung zwischen zwei Währungen sind die Kapitalströme. Diese sind aber insbesondere auf die kurze Sicht kaum vorhersehbar, weil eine Vielzahl an Marktteilnehmern im Devisenhandel tätig ist, deren Entscheidungen von vielen Einflussfaktoren abhängen – Aktionen der Notenbanken, politische und wirtschaftspolitische Entscheidungen oder auch nur ein vermuteter Trend in der Kursentwicklung.

„Wer sich für Währungsmanagement interessiert, sollte deshalb immer auf die mittel- bis langfristige Perspektive abzielen“, macht Lancioni deutlich: „Denn es gibt durchaus eine Art fairen Wert einer Währung, der sich an der sogenannten Kaufkraftparität orientiert.“

Die Idee hinter dem Konzept der Kaufkraftparität ist einfach. Sie gibt den Devisenkurs an, der sich einstellen würde, wenn in zwei Ländern für den exakt gleichen Warenkorb derselbe Preis bezahlt werden müsste. Gern wird für diesen Kaufkraftvergleich auch der sogenannte Big-Mac-Index herangezogen. Da ein Big Mac überall auf der Welt aus den exakt gleichen Zutaten besteht, wäre ja eigentlich zu erwarten, dass er – wechselkursbereinigt – überall dasselbe kostet.

„Zwar können Währungen kurz- bis mittelfristig stark von ihrer Kaufkraftparität abweichen, längerfristig aber kommen sie immer wieder zu diesem Punkt zurück“, erklärt Lancioni. In den vergangenen 15 Jahren, so haben die Anlageprofis von Neuberger Berman herausgefunden, wiesen Währungen zwar zwischenzeitlich Fehlbewertungen von bis zu 20 Prozentpunkten auf. Innerhalb von drei bis fünf Jahren wurden diese aber in der Regel wieder ausgeglichen. „Genau das können Anleger ausnutzen.“

Diese Beobachtung ist die Grundlage eines Modells, das der Währungsexperte Dynamic Ideal Hedge Ratio nennt: „Die Idee ist es, den Anteil am gesamten im Ausland investierten Vermögen zu bestimmen, der idealerweise zu einem bestimmten Zeitpunkt abgesichert werden sollte.“

Grundsätzlich gelte: Ein Anleger sollte die Absicherung erhöhen, wenn eine Fremdwährung bezogen auf die Kaufkraftparität deutlich überbewertet ist und umgekehrt. Zusätzlich werden im Modell noch zwei weitere Faktoren berücksichtigt. Einer davon sind die Kosten der Absicherung. Diese entsprechen der Differenz der kurzfristigen Zinsen in zwei Wirtschaftsräumen.

Aktuell liegen diese zum Beispiel auf ein Jahr bei einem Prozent in den USA und bei null in Europa. „Es kostet also einen Prozentpunkt, den Dollarkurs für ein Jahr abzusichern“, erläutert Lancioni: „Je höher diese Kosten, desto unattraktiver ist die Absicherung.“ Der dritte Pfeiler ist der Diversifikationseffekt. Wenn zu erwarten ist, dass die Beimischung einer Fremdwährung das Portfolio stabilisiert, sollte das Absicherungsniveau ebenfalls zurückgefahren werden – und umgekehrt.

„Konkret bedeutet das, dass im Fall der Überbewertung des Dollars bei hohen Absicherungskosten und geringen Diversifikationseffekten auf das Portfolio das Engagement in der US-Währung auch komplett abgesichert werden sollte“, fasst Lancioni zusammen.

Ein Ansatz, der sich, zumindest in der Rückrechnung, offenbar gelohnt hätte. So konnte ein Euro-Investor zwischen Januar 2003 und Dezember 2015 bei Engagements im MSCI World vollkommen abgesichert eine jährliche Rendite von 4,6 Prozent erzielen. Wer die Währungen in diesem Zeitraum pauschal zur Hälfte abgesichert hätte, wäre auf ein Plus von 5,1 Prozent gekommen, ohne Absicherung auf 5,4 Prozent. Mit der Dynamic-Ideal-Hedge-Methode hätten Investoren eine Rendite von 6,1 Prozent pro Jahr erwirtschaftet.

Im Anleihebereich waren die Ergebnisse in der Vergangenheit ebenfalls überzeugend. Die Analysten von Neuberger Berman haben das anhand des Barclays Global Aggregate Index World nachgerechnet, der den weltweiten Staatsanleihemarkt aus dem Investment-Grade-Bereich abbildet.

Wer dieses Engagement zwischen 2003 und 2015 vollständig abgesichert hätte, hätte nur 2,9 Prozent verdient. Ein ungesichertes Investment in diesen Index hätte eine jährliche Rendite von 4,1 Prozent gebracht. Mit der Dynamic Ideal Hedge Ratio wiederum wäre ein Durchschnittsertrag von 4,8 Prozent möglich gewesen, bei sehr viel geringeren Kursschwankungen. In der Niedrig-Zins-Welt, in der jeder Prozentpunkt zählt, ist das eine ganze Menge.

Aktuell empfiehlt der Experte Euro-Investoren, sich bei ihren Fremdwährungsengagements grundsätzlich vollständig abzusichern. Mit anderen Worten: Er geht davon aus, dass der Euro wieder stärker werden wird.

Vor allem im Verhältnis zum US-Dollar ist das momentan eine interessante Minderheitsmeinung. Die Mehrzahl der Auguren rechnet schließlich mit einem weiter steigenden Dollarkurs. „Gemessen an der Kaufkraftparität ist der Euro gegenüber dem Dollar derzeit um zehn Prozent unterbewertet“, widerspricht Lancioni. Dazu komme, dass aufgrund der zu erwartenden Zinserhöhungen die Absicherungskosten der amerikanischen Währung steigen würden. Und drittens seien die Diversifikationsvorteile, die der US-Dollar einem Euro-Investor bietet, in den vergangenen zwölf Monaten von den Spitzenwerten im Jahr 2010 auf eher moderates Niveau zurückgegangen.

Den Rat, Dollar im Depot abzusichern, gibt der Experte allerdings schon länger. Die Trump-Rally im Dollar hätten Anleger deshalb zumindest in den vergangenen Monaten nicht mitgemacht. „Warten wir es ab“, sagt Ugo Lancioni: „Unsere Strategie ist längerfristig und strategisch zu sehen. Anleger dürfen nicht vergessen, dass in dem derzeit starken US-Dollar viel Optimismus eingepreist ist. Sollten die kommenden Daten diesen insbesondere im Hinblick auf die Umsetzung der Politik von Donald Trump nicht rechtfertigen, wird der Dollarkurs leiden.“

Vorsicht Falle: Die Rolle der Währung bei Fondsanlagen.

Bei der Anlage in Fonds wird der Faktor Währungen besonders häufig unterschätzt. In den vergangenen drei Jahren haben beispielsweise Anlagen im Dollarbereich allein wegen der Umrechnung in Euro 20 Prozent zusätzlichen Ertrag gebracht.

Wichtig für Anleger ist: Die Rennlisten, die oft für die Fondsauswahl herangezogen werden, wurden so extrem durcheinandergewirbelt. Viele Manager, die in der Anlagewährung Dollar arbeiten, hatten einfach Glück, weil der Greenback gegenüber dem Euro aufwertete und die Datenanbieter die Dollar-Fondsklassen in Euro umgerechnet haben. Mit einer aktiven Managemententscheidung hatte dies nichts zu tun.

Besonders problematisch ist dies beispielsweise beim Vergleich verschiedener Rentenfonds oder Vehikel für alternative Investments. Schließlich kaufen Anleger hier in ers­ter Linie die Expertise eines bestimmten Managers – und nicht eine mehr oder weniger zufällige Währungskomponente. Bei der Fondsauswahl gilt es also immer zu hinterfragen: Was ist Managementleistung? Und was ist Währungseffekt?

Da Investoren in den letzten Jahren vom starken Dollar profitierten, verschwand dieses Thema immer mehr vom Radar. Schließlich brachte der Währungsaspekt Anlegern Erträge und wurde nicht als Risiko wahrgenommen. Heute, nach den deutlichen Gewinnen des Dollar in der Vergangenheit, sollte dieser Aspekt wieder in den Fokus rücken. Schließlich halten viele Experten offene Währungspositionen in einem Anleihefonds grundsätzlich nicht für sinnvoll.

Anleger sollten fragen: In welcher Währung legt ein Manager an? Und welche Meinung zur Entwicklung von Wechselkursen habe ich selbst? Es gilt, sich bewusst für eine Dollar- Anlageklasse zu entscheiden. Oder eine Euro-Anteilsklasse zu halten, in der die Währungsrisiken aller Papiere grundsätzlich abgesichert sind. Soll das Währungselement bei Dollar-Fonds ausgeschaltet werden, empfiehlt es sich, in Tranchen mit dem Kennzeichen „Euro-Hedged“ zu investieren.

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Autor: Gerd Hübner

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