Skip to main content
  • Rebekka Haller

„Schwellenländer sind noch zu riskant.“

(Geschätzte Lesezeit: 2 - 4 Minuten)

046 hvhl glas 0216 schwellenland„Ein Ende der wirtschaftlichen Turbulenzen in den Schwellenländern ist nicht in Sicht“, meint Rebekka Haller, Analystin im Makro Research bei M.M. Warburg & CO: „Es ist noch viel zu früh, dort wieder zu investieren.“

Eigentlich ist unser Schwellenländerglas ja momentan ganz leer. Wir sind schließlich seit geraumer Zeit in den BRIC-Staaten überhaupt nicht mehr investiert. In drei dieser vier Länder – Brasilien, Russland und China – sehen wir eine ausgeprägte Wirtschaftsschwäche. Lediglich Indien sieht aktuell etwas stabiler aus.

Nun werden Sie vielleicht sagen: „Na ja, aber der Begriff Schwellenländer umfasst doch viel mehr als nur die BRIC-Nationen.“ Das stimmt schon. Aber diese Länder sind für Investoren am wichtigsten. Wer heute in ETFs auf den MSCI Emerging Markets Index investiert, kauft zu 43 Prozent Aktien aus diesen vier Ländern. Zudem geben die großen Schwellenländer den Takt für die jeweilige Region vor. Wenn China niest, bekommt Asien Schnupfen. Osteuropa hängt aufgrund der engen Handelsbeziehungen von Russland ab. Und in Lateinamerika dominiert Brasilien.

Das Land am Zuckerhut erlebt derzeit eine ausgeprägte Rezession. Daran wird sich auch 2016 nichts ändern. Denn dass die Rohstoffpreise seit einem halben Jahr noch einmal stark unter Druck geraten sind, verschärft die prekäre Situation dort weiter. Ähnlich stark betroffen ist Chile vom Preisverfall für Kupfer, Peru von der Schwäche beim Eisenerz. Und selbst der Ölstaat Mexiko bekommt nun Probleme. Der Abschwung in vielen Ländern Lateinamerikas verstärkt sich wechselseitig.

Russland hat mit Sanktionen und sinkenden Ölpreisen zu kämpfen. Die russische Zentralbank rechnet bei einem Ölpreis von 35 Dollar mit einem Minus beim Sozialprodukt von zwei bis drei Prozent im laufenden Jahr. Besonders bedenklich ist: Dieses Worst-Case-Niveau liegt immer noch 15 Prozent über dem aktuellen Ölpreis.

Das größte Problem ist trotzdem momentan China. Dort ist der Transformationsprozess eindeutig aus dem Ruder gelaufen. Regierung und Wirtschaft sind offenbar noch nicht bereit, im Konzert der Industrieländer mitzuspielen. Viele Zahlen sind so offensichtlich geschönt, dass heute niemand etwas Fundiertes über das genaue Wachstum im Reich der Mitte sagen kann. Das schürt Unsicherheit.

Gleichzeitig zeigt sich China im Umgang mit Investoren – vorsichtig ausgedrückt – unklug. Die Liberalisierung, und damit die erste Abwertung des Renminbi im Spätsommer 2015, kam ohne adäquate Vorbereitung der Märkte. Das Ziel – die Aufnahme in den Währungskorb des Internationalen Währungsfonds – mag ja richtig gewesen sein. Doch die Umsetzung war unprofessionell. Auch die Maßnahme, den Aktienhandel bei Kursturbulenzen zu stoppen, spricht für wenig Erfahrung im Umgang mit internationalen Anlegern. Wer investiert schon, wenn er im Ernstfall nicht mehr verkaufen kann?

Wir gehen davon aus, dass das Währungsthema früher oder später wieder auf die Agenda kommt. In den letzten Wochen konnte China nur durch den erheblichen Einsatz von Währungsreserven einen weiteren Absturz des Renminbi verhindern. Langfristig ist dies aber nicht durchzuhalten. Irgendwann werden die Verantwortlichen einsehen (müssen), dass es unsinnig ist, Reserven in den Markt zu pumpen, um einen zu hohen Wechselkurs zu verteidigen. Sie werden das Problem anders lösen. Und diese Lösung kann nur Abwertung heißen.

Das wird dann an den Kapitalmärkten als erneutes Zeichen für Chinas Wirtschaftsschwäche interpretiert werden und auf alle anderen Schwellenländer abstrahlen. Machen Sie sich auf eine Abwertungsspirale und die Fortsetzung der Kapitalflucht aus den Schwellenländern gefasst.

Das einzige Argument, das derzeit für die Schwellenländer spricht, ist die schiere Dynamik der bisherigen Abwärtsbewegung. Dadurch sind Aktien und Währungen tatsächlich günstig geworden. Ist es nicht sinnvoll zu kaufen, wenn sprichwörtlich die Kanonen donnern?

Mittelfristig sehe ich das auch so. Kurzfristig wird die nächste Abwertungsrunde aus China aber für Turbulenzen sorgen. In einem ohnehin unsicheren Umfeld in besonders volatile Märkte einzusteigen, und das sind die Schwellenländer, halte ich für zu gewagt. Investoren müssen jetzt nicht den Helden spielen. Sie werden dazu im Verlauf des Jahres genug Gelegenheit bekommen – bei niedrigeren Kursen.   ®

 

Verlagsanschrift

  • Private Wealth GmbH & Co. KG
    Montenstrasse 9 - 80639 München
  • +49 (0) 89 2554 3917
  • +49 (0) 89 2554 2971
  • Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Sprachen

Soziale Medien