Geldtrends 2022 – es wird heiß.
Lerbacher Runde. Einmal im Jahr treffen sich Bankiers, Vermögensverwalter und Family Officer im Schloss Bensberg, um vermögenden Investoren Inspiration und Orientierung zu geben. Stand der Herbst 2020 noch ganz im Zeichen von Pandemie und Konjunkturerholung, so stellen sich heute neue Fragen: Was passiert mit der Inflation? Erleben wir gerade die Zinswende? Was würde das für den Preis von Sachwerten bedeuten, die dank Nullzins einen beispiellosen Boom erlebt haben? Und wie sollen Anleger mit dem Klimawandel umgehen? Die Experten wissen Rat.
"Wir leben in aufregenden Zeiten“, eröffnet Kai Röhrl, Head of Wholesale, Robeco Deutschland, die zwölfte Lerbacher Runde: „Kaum haben sich Wirtschaft und Kapitalmärkte mit dem Virus arrangiert, da irritiert die vierte Welle. Gleichzeitig tauchen neue Unsicherheitsfaktoren für Investoren auf. Lieferengpässe drücken auf die Unternehmensgewinne. Ungewohnt hohe Inflationsraten schüren die Furcht vor einer Zinswende. Und spätestens jetzt müssen sich Investoren auch Gedanken darüber machen, welchen Einfluss der Kampf gegen den Klimawandel auf ihre Anlagestrategie hat.“
Für Investoren ist eine intensive Auseinandersetzung mit diesen Themen so wichtig wie selten. Schließlich waren die letzten zwölf Monate durch weit überdurchschnittliche Gewinne gekennzeichnet. Die großen Indizes kletterten allesamt um mehr als 20 Prozent und brachten so zwei- bis drei mal so viel Gewinn wie im historischen Durchschnitt. Wäre es da nicht sinnvoll, Gewinne mitzunehmen und abzuwarten?
Ein klarer Fall für die Lerbacher Runde. Seit dem Jahr 2010 treffen sich Family Officer, Bankiers und Vermögensverwalter auf Einladung von Robeco und private wealth einmal jährlich, um den Lesern des Magazins Orientierung zu bieten. In den letzten Jahren haben die Profis ihre strategische Aktienquote sukzessive nach oben gefahren. Und aktuell sind sie taktisch noch etwas offensiver aufgestellt (siehe unten). „Wenn es darum geht, langfristig Vermögen zu erhalten, gibt es einfach keine Alternative zu Aktien“, erklärt Marc Vits, Bankhaus Metzler. „Wer sich jetzt an die Seitenlinie begibt, geht auch ein Risiko ein – nämlich das, wertvolle Renditepunkte zu verpassen, die sich dann nicht mehr einholen lassen“, macht Karsten Tripp, HSBC Deutschland, klar.
Ein rundum positiver Konjunkturausblick der Runde stützt diese Einschätzung. Das Wiederaufflammen der Pandemie sowie die Lieferengpässe dämpfen nur kurzfristig. 2022 soll das Wachstum dann weltweit überdurchschnittlich hoch ausfallen. Und langfristig könnte der Kampf gegen den Klimawandel einen Innovationsschub auslösen. „Mit Blick auf die Unternehmensgewinne ist mir deshalb nicht bange“, meint Christian Jasperneite, M.M.Warburg & CO. Bisher würde unterschätzt, dass für die Unternehmen ja nicht das reale, sondern das nominale Wachstum zähle. Und das dürfte angesichts höherer Inflationsraten sehr ordentlich ausfallen – zumindest bei den Firmen, die höhere Preise an ihre Kunden weitergeben können.
Der anstehende Übergang von einer Null-Zins-Welt ohne Inflation in eine Ära mit höheren Preissteigerungsraten ist allerdings nicht ungefährlich. „Sollten die Renditen dann deutlich steigen, hätten wir ein Problem“, sagt Jan Viebig, ODDO BHF. Alles komme nun auf den weiteren Inflationspfad und die Reaktion der Notenbanken an. „An den Zinsen“, bestätigt Philipp Dobbert, Quirin Privatbank, „hängen tatsächlich alle Sachwertpreise.“
Da ist es interessant, dass der deutsche Sachverständigenrat die EZB gerade noch einmal eindringlich gemahnt hat, ein Ausstiegsszenario aus der expansiven Politik vorzubereiten und zügig zu kommunizieren. „Ich fände das auch gut – weil die Negativzinsen enorme Fehlallokationen nach sich ziehen. Leute, die jahrzehntelang Festgeld gehalten haben, kaufen nun geradezu panisch Aktien. Oder zahlen extreme Preise für Immobilien. Es wäre sinnvoll, da ein bisschen die Luft herauszulassen“, meint Daniel Oyen, Plettenberg, Conradt & Cie.
Mit dieser Meinung findet Oyen große Zustimmung in der Runde. „Aber wir müssen unsere Anlageentscheidungen nicht darauf gründen, was wir uns wünschen und was intellektuell richtig wäre. Die EZB müsste ihre Politik straffen. Aber sie wird es nicht tun“, ist Bernd Meyer, Berenberg, überzeugt und argumentiert: „Dazu sind die Restriktionen zu groß. Die Staaten haben zu hohe Schulden und die Notenbanken zu viel Angst vor Verwerfungen an den Finanzmärkten.“ „Die EZB mag ihre Anleihekäufe ein wenig einschränken, aber bei den Zinsen wird sie noch lange stillhalten. Eine Erhöhung des Einlagenzinssatzes und damit das Ende der Verwahrgelder ist relativ weit weg“, meint Carsten Mumm, Donner & Reuschel.
Anleger, so die Profis, sollten sich deshalb nur auf eine Zinswende light einstellen. Und auf eine lang anhaltende Phase, in der die Zinssätze unter den Inflationsraten liegen.
Eine solche Ära negativer Realzinsen ist eigentlich der Stoff, aus dem die richtigen Blasen gemacht werden. Zinspapiere verlieren an Kaufkraft, der Run in die (knappen) Sachwerte könnte anhalten. „Tatsächlich sind Aktien dann die beste Alternative im gesamten Kanon der verfügbaren Anlagen“, erläutert Lutz Welge, Bank Julius Bär, „sie werden umso stärker laufen, je länger die Notenbanken Zins- und Inflationsentwicklung entkoppeln können.“
Eine Einbahnstraße dürfte dies 2022 aber nicht sein. „Sollte sich herausstellen, dass die Inflation nicht nur vorübergehend hoch bleibt, wird zumindest die Diskussion aufkommen, ob die Notenbanken nicht doch mit einer strafferen Geldpolitik reagieren müssen. Und das kann zu Turbulenzen führen“, warnt Axel Angermann, FERI Trust. „Aber das wären Kaufgelegenheiten“, schließt Thomas Neukirch, HQ Trust.
Das ist – holzschnittartig – die Welt, wie sie die Lerbacher Runde sieht. Konkrete Ratschläge für Investoren geben die Experten anschließend in sechs Workshops: Was bedeutet die wachsende Dominanz des Staats, wie sind Konjunkturperspektiven, Inflation und Asset-Boom einzuordnen? Und wo finden Anleger Klimaanlagen und Alternativen für Zinspapiere? Die Ergebnisse lesen Sie auf den folgenden Seiten.
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Die Lerbach-Strategie.
So strukturiert die Lerbacher Runde das liquide Vermögen eines durchschnittlich risikobereiten Investors. Dabei unterscheiden die Profis zwischen Strategie und Taktik. Besonders interessant ist die vergleichsweise hohe taktische Kassenhaltung. Dieses Cash soll bei Kursrückschlägen in Aktien investiert werden.
Gewichtung Strategie Taktik
Aktien 53 % 54 %
Zinspapiere 33 % 28 %
Alternative Anlagen 8 % 8 %
Edelmetalle und Rohstoffe 3 % 4 %
Kasse 3 % 6 %
Regionale Aufteilung des Aktienanteils
USA 23 % 22 %
Europa 20 % 23 %
Emerging Markets 8 % 7 %
Japan 2 % 2 %
Aufteilung der Anlagen im Zinsbereich
Unternehmensanleihen 17 % 16 %
Euro-Staatsanleihen 10 % 6 %
US-Staatsanleihen 3 % 2 %
Emerging-Markets-Anleihen 3 % 4 %
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Die Prognosen der Lerbacher Runde.
// 01. Wirtschaft: In Deutschland liegt das reale Wachstum 2022 bei 4,7, in den USA bei 4,2 Prozent. Die Inflationsrate fällt hierzulande bis Mitte 2022 wieder auf 2,4, Ende 2022 auf 2,0 Prozent. In den USA liegt sie Mitte 2022 bei 3,5, Ende 2022 bei 3,0 Prozent.
// 02. Zinsen: Die Notenbanken werden 2022 ihre Anleihekäufe reduzieren. Die EZB hält trotzdem am Einlagensatz von minus 0,5 Prozent fest. Bei den US-Leitzinsen sehen zehn der 16 Bankiers ein bis zwei Zinsschritte nach oben. Die Renditen von Anleihen klettern deshalb bis Ende 2022. Bei Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit geht es leicht in den positiven Bereich, bei US-Staatsanleihen auf zwei Prozent. Am Bondmarkt kommt es darum zu Kursverlusten.
// 03. Aktien: Die Firmengewinne steigen 2022, bezogen auf den DAX, auf ein Niveau zwischen 1130 und 1245 Punkte. Beim S&P 500 werden es zwischen 205 und 227 Punkte. Dadurch sinken die Kurs-Gewinn-Verhältnisse an den Aktienmärkten.
Die Kurse klettern weiter, doch Anleger müssen Schwankungen aushalten. Sie sollten beim DAX im Bereich von 14200 Punkten zukaufen. Erste Gewinnmitnahmen sind bei 17300 Punkten ratsam. Beim US-Index S&P 500 liegen diese Marken bei 4000 und 4900 Punkten.
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Autor: Klaus Meitinger