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  • Gerd Hübner, Klaus Meitinger

Vor einem goldenen Jahrzehnt?

(Geschätzte Lesezeit: 3 - 5 Minuten)

Lerbach Gold

Konjunktur. Nach dem Konjunktureinbruch im vergangenen Jahr hat die globale wirtschaftliche Dynamik 2021 zunächst rasant an Fahrt aufgenommen. Nun bremsen Lieferengpässe. Wie sieht die Lerbacher Runde die kurz- und mittelfristige Perspektive der Weltwirtschaft?

„Die Frage nach der Konjunktur steht natürlich immer am Anfang jeder Anlagestrategiesitzung“, skizziert Kai Röhrl, Robeco, „denn Wachstum bedeutet mehr Umsatz und höhere Gewinne. Dies sollte sich dann auch an den Aktienmärkten niederschlagen.“

Obwohl der Aufschwung zuletzt aufgrund von Materialknappheit, Lieferengpässen und einem Anstieg der Corona-Zahlen etwas ins Stocken geraten ist, bleibt die Runde mit Blick auf 2022 zuversichtlich. In den USA haben sie einen realen Zuwachs um 4,2, in Europa gar um 4,5 Prozent auf der Rechnung.  „Damit sollten die Unternehmensgewinne per saldo auch im kommenden Jahr weiter steigen können“, folgert Stephan Kemper, BNP Paribas WM Private Banking.

Bis dahin sei allerdings noch eine Zeit der Unsicherheit zu überbrücken. „Bis die Probleme in den internationalen Lieferketten überwunden sind, wird es sicher noch dauern“, meint Michael Huber, Südwestbank. „Wir haben aktuell zum Beispiel eine massive Knappheit im Halbleiterbereich, und die werden heutzutage überall eingesetzt. Die Kapazitäten entsprechend auszubauen, geht nicht von heute auf morgen.“

„Das wird uns kurzfristig wohl einen Viertelprozentpunkt beim Wachstum kosten“, analysiert Timo Steinbusch, Apobank, „aber das ist nur ein vorübergehender Effekt. Vieles von dem, was heute aufgrund fehlender Komponenten nicht produziert werden kann, wird später umgesetzt.“ Gerade im Fertigungsbereich könne es dann sogar positive Überraschungen geben. „Es kumulieren ja drei Dinge: die generelle Konjunkturbelebung, der Corona-Nachholeffekt und die Notwendigkeit, die leeren Lager wieder aufzufüllen“, erklärt Steinbusch. „Ich kann mir auch vorstellen, dass in den USA mit fortschreitender Impfkampagne mehr Menschen auf den Arbeitsmarkt kommen“, ergänzt Kemper. „Die Unternehmen könnten ihre Kapazitäten dann ausbauen und ihre Auftragsbestände schneller abarbeiten. Gleichzeitig würde das den Lohndruck rausnehmen und die Gewinnmargen erhöhen.“ „Wenn wir lernen, besser mit Covid-19 zu leben und umzugehen, wäre vielleicht sogar doch noch ein boomendes Weihnachtsgeschäft möglich“, überlegt Stephan Pilz, Sand und Schott, „das wäre eine echte, positive Überraschung, da die Grundhaltung derzeit eher pessimistisch ist.“

Bleibe es beim Status quo in Sachen Impfstoff, sei die Entwick­lung bei Konjunktur und Unternehmenserträgen im kommenden Jahr klar vorgezeichnet: aufwärts. „Im Moment sind die niedrige Zinsen, Konjunkturprogramme und Nachholeffekte die dominanten Themen. Es wird sich vermutlich erst 2023 erweisen, wie nachhaltig dieser Aufschwung tatsächlich ist“, erklärt Kai Röhrl dund fragt: „Kommt dann eine Phase des Aufbruchs oder die Rückkehr zu säkularer Stagnation?“

„Ich glaube, dass die Corona-Krise ein Kickstart sein kann, der zur Überwindung der säkularen Stagnation führt“, ist Kemper zuversichtlich, „Politik und Notenbanken arbeiten in dieselbe Richtung, zahlreiche und großvolumige Investitionsprogramme wurden und werden aufgelegt. Das wird Wirkung zeigen.“ „Stimulierungsmaßnahmen wie das Infrastrukturpaket in den USA, der NextGen-Aufbaufonds der EU oder die vielen Milliarden Euro, die hierzulande für das Thema Nachhaltigkeit bereitgestellt werden, sorgen auf jeden Fall für ein anhaltend positives Grundrauschen bei der wirtschaftlichen Entwicklung“, stimmt Timo Steinbusch zu.

Und das sei kein kurzfristiger Effekt. „Solche Programme laufen über fünf bis zehn Jahre und können deshalb auch die wirtschaftliche Entwicklung lange tragen“, erklärt Stephan Pilz. „Dazu kommen die strukturellen Veränderungen, die sich durch die Corona-Pandemie beschleunigt haben“, meint Huber. Das betrifft zum Beispiel die Digitalisierung. „Denken Sie nur an Cloud-Dienste, Telemedizin, das Online-Streaming von Filmen und Musik und überhaupt alles, was sich auf Online-Plattformen und im Bereich der Subskriptions-Modelle finden lässt“, ergänzt Röhrl. „Gerade Lieferdienste und Online-Händler stellen viele Mitarbeiter ein, was die Verluste in anderen Branchen, wie der Luftfahrt oder dem Beherbergungsgewerbe, kompensiert“, sagt Steinbusch.

Auch für die Unternehmen sei dies eine große Chance. „Wir haben bislang fast nur das enorme Potenzial bei den Firmen gesehen, die an der Entwicklung und Herstellung der Digitalisierung verdienen“, macht Pilz klar, „doch dies wirkt sich auf alle Unternehmen in allen Branchen aus. Es wird künftig zu massiven Effizienzsteigerungen kommen.“ „Allein durch die verstärkte Nutzung von virtuellen Meetings zum Beispiel haben die Unternehmen seit Beginn der Corona-Krise einen zweistelligen Milliardenbetrag an Reisekosten eingespart“, konkretisiert Michael Huber einen wichtigen Aspekt. 

„Neben der Digitalisierung ist auch die Energiewende einer der ganz großen langfristigen Innovationstreiber“, erklärt Kemper. „Diese Herausforderung des Klimawandels erfolgreich zu bestehen, wird nur mit vielen Investitionen und Innovationen möglich sein. Ich bin zuversichtlich, dass dies langfris­tig auch positive Effekte auf dem Arbeitsmarkt haben wird. Dies sollte, was die Konsumnachfrage angeht, dann die Belastungen überkompensieren, die über höhere Energiepreise auf die Verbraucher zukommen“, meint Huber.

Klingt tatsächlich ein bisschen nach dem Beginn eines goldenen Zeitalters. „Wenn ich die Aussagen richtig interpretiere gibt es zwar Risiken – vor allem in Sachen Inflation. Aber möglich ist es.“, fasst Kai Röhrl zusammen: „Wenn die Bevölkerung in den Industrienationen durchgeimpft ist – ich rechne damit, dass dies im März 2022 der Fall sein wird –, wenn wir ein höheres Produktionspotenzial bei Halbleitern aufgebaut haben und und wenn der Rückstau abgearbeitet ist, dann bekommen wir durch die Investitionsprogramme in den Bereichen Infrastruktur, Digitalisierung und Energiewende eine gute Ausgangssituation für anhaltend dynamisches Wachstum.“

// Was bedeutet das Lerbacher Konjunkturbild für Anleger?

Es ist zu erwarten, dass in den nächsten Monaten von den Konjunktur-Frühindikatoren und den Unternehmensergebnissen gemischte Meldungen kommen. „In diesem Fall sollten Anleger die Nerven bewahren und über das Tal hinwegschauen. Denn 2022 wird ein guter Konjunkturjahrgang“, ist Stephan Pilz überzeugt, „Korrekturen sind deshalb mit Blick auf das Wachstum der nächsten Jahre immer Kaufkurse.“

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