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  • Yvonne Döbler

Das klingt fantastisch.

(Geschätzte Lesezeit: 6 - 11 Minuten)

Instrumente aufmacherPhilanthropie. Wenn sich Kultur und Vermögen auf ein Ziel einigen können, entsteht etwas Besonderes. Der Kauf historischer Streichinstrumente und die Zurverfügungstellung an Spitzenmusiker sind ein Investmentmodell, das der Gesellschaft nutzt und sich sogar rechnet.

„Was für eine Tragödie“, dachte Kent Nagano, als er vor fünf Jahren seine Arbeit beim Philharmonischen Staatsorchester in Hamburg als Generalmusik­direktor aufnahm. Alle historischen Streichinstrumente, über die das Orches­ter – zum Teil seit der Gründung 1828 – verfügt hatte, waren im Krieg zerstört worden. „Das Philharmonische Staatsorchester Hamburg repräsentiert eine der weltgrößten Musiktraditionen. Ich kann die einzigartige DNA im Orchesterklang hören – und fühlen“, erzählt er und lächelt: „Über die herausragenden Fähigkeiten und Talente innerhalb des Orchesters hinaus verfügen die Musiker über eine große Achtsamkeit, Sensibilität und Hingabe zur Musik und ihrer Tradition.“

Dieses besondere Können sollte auf besonderen Instrumenten ausgeübt werden – Kent Nagano möchte den Musikern deshalb die Gelegenheit bieten, wieder auf historischen Streichinstrumenten zu spielen. Seit 2015 unternimmt er immer wieder Versuche, diese für die Philharmoniker zu erwerben. Trotz bester Kontakte und vieler Unterstützer wird ihm schnell klar: Diese Instrumente sind zu teuer, um für ein ganzes Orchester, beispielsweise per Spende, eingeworben werden zu können. Mehr als 250000 Euro kosten historische Instrumente heute. Wenn der Geigenbauer berühmt war, wie etwa ein Antonio Stradivari, sind auch Preise im Millionen-Euro-Bereich möglich.

Doch Nagano, amerikanischer Dirigent mit japanischen Wurzeln, gibt nicht auf – sein jüngster Versuch wird ein Erfolg. „Wir haben in nur einem Jahr mehrere Instrumente von Investoren zur Verfügung gestellt bekommen. Wenn Corona nicht wäre, könnten wir bereits Konzerte mit ihnen geben.“

Maßgeblich dafür sind ein innovatives Investorenkonzept und zwei Partner. Die Idee: Ein Investor kauft ein historisches Streichinstrument und leiht es einem der Hamburger Philharmoniker. Damit es klanglich auf die anderen Instrumente abgestimmt ist, wird es von den Musikern, Maestro Nagano und dem Orchestervorstand gemeinsam ausgesucht. Die Beschaffung erfolgt über J&A Beare in London, dem weltgrößten Handelshaus für historische Musikinstrumente. Die Betreuung der Investoren ist Aufgabe von Christian Reister.

Der 48-Jährige ist im Markt bekannt für die Vermittlung historischer Geigen, Bratschen und Celli. Sein Spezialgebiet: Er bringt hochbegabte Musiker und wohlhabende Investoren zusammen. „Einige Menschen haben Anlagebedarf, sie wollen breit streuen, haben Affinität zur Musik und eine altruistische Ader – sie finden, dass diese Instrumente gespielt werden sollten und nicht in einen Safe gehören. Zu Beginn des Jahres habe ich Darius Preuß, einem talentierten 17-jährigen Nachwuchsgeiger, die hochwertige italienische Geige eines Investors vermitteln können“, erzählt Reister. Musiker und Mäzen hätten sich kennengelernt, beide seien glücklich über ihre Partnerschaft.

Instrumente

Dieses Modell nutzt Nagano nun auch für die Philharmoniker. Für Investoren hat es doppelten Charme: Erstens bieten historische Streichinstrumente eine gute Diversifikationsmöglichkeit, denn die Preise dieser mobilen Sachwerte entwickeln sich vergleichsweise unabhängig zu denen anderer Anlageklassen. Und zweitens kann sich die Wertentwicklung sehen lassen. „Bei hochwertigen Instrumenten lag sie in der Vergangenheit im Schnitt bei fünf bis acht Prozent jährlich – in Einzelfällen auch deutlich darüber“, informiert Reister.

Das Investorenkonzept ist einfach: Der Musiker (im Fall der Philharmoniker ist es der Orchestervorstand) unterschreibt einen Leihvertrag. Er verpflichtet sich darin zu einem sachgerechten Umgang mit dem Instrument und übernimmt häufig auch die Kosten der Allgefahren-Versicherung. Die jährliche Prämie liegt in der Regel zwischen 0,2 bis 0,5 Prozent des Instrumentenwerts. Bei einem 250000-Euro-Instrument sind das weniger als 1000 Euro im Jahr. Dadurch werden Zerstörung, Schäden oder auch das Vergessen in der U-Bahn abgedeckt. „Ich rate dazu, den Versicherungswert alle zwei bis drei Jahre per Wertgutachten nachzuziehen, damit das Risiko immer vollständig abgesichert ist“, verdeutlicht Reister.

Außerdem regelt der Leihvertrag die Wartung des Instruments bei einem zuvor festgelegten Experten – die Kosten dafür übernimmt ebenfalls der Musiker. „Der Investor nennt so ein scheckheftgepflegtes Instrument sein Eigen“, erklärt Reister. Darüber hinaus spielt der Musiker ein jährliches Hauskonzert bei seinem Mäzen – auf diesen Passus wird bei den Philharmonikern allerdings verzichtet. „Es ist eben eine echte Partnerschaft. Dem Musiker eröffnet das historische Instrument neue Klangwelten und die Chance, auf Weltniveau wahrgenommen zu werden. Gleichzeitig sichert er das Kapital des Investors. Historische Streichinstrumente müssen zwar nicht unbedingt benutzt werden, damit sie ihren Wert erhalten, aber ein von Profis gespieltes Instrument bleibt in Schuss. Und der Anleger erhält Zugang zu einem interessanten Umfeld.“ Kent Nagano ergänzt: „Ich wünsche mir mehr Menschen, die investieren und gleichzeitig die vitale Bedeutung von Kultur und Musik für unsere Gesellschaft erkennen. Denn der Wert eines historischen Instruments lässt sich eben nicht nur am Geld bemessen, sondern auch am Klang und an der Wirkung auf die Musiker und unsere gesamte Gesellschaft. Es ist ein Investment, dass die Orchestertradition ins 21. Jahrhundert trägt.“

Reister rät Interessenten dieses Modells, ein historisches Streichinstrument mindestens fünf Jahre zu behalten – je länger, desto besser. „Familienstiftungen kaufen diese Instrumente mit der Perspektive, sie für die nächsten 30 oder 40 Jahre zu halten, also über mindestens eine Generation. Investoren erwirtschaften so zwar keine laufenden Erträge, es entstehen aber auch kaum laufende Kosten. Ein Gewinn wird durch die Wertsteigerung beim Verkauf realisiert.“

Dass dieser erheblich sein kann, belegen Beispiele aus der Vergangenheit. Die 1667 gebaute Stradivari „Tom Jenkins“ wurde 1948 vom Londoner Händler. WE Hill & Sons für 1000 Pfund verkauft. Bei Sotheby’s brachte sie 1995 rund 375000 Pfund. „Das ist ein jährlicher Return von über zwölf Prozent“, erklärt Tim Ingles, ehemaliger Mitarbeiter von Sotheby’s und Mitinhaber des Auktionshauses Ingles & Hayday.

Noch besser entwickelte sich die „Marie Hall“ – eine Stradivari aus dem Jahr 1709, die 1968 für 22000 Pfund verkauft wurde und 1988 bei Sotheby’s für 473000 Pfund den Besitzer wechselte. „Das sind fast 16 Prozent Rendite jährlich“, rechnet Ingles vor und erklärt: „In den 1970er- und 80er-Jahren hatten Inflation und steigende internationale Nachfrage im Geigenmarkt zu diesen großen Preissprüngen geführt – heute halte ich sieben Prozent für eine realistische Renditeerwartung.“

Diese realisiert der private Inhaber des Instruments nach zwölf Monaten sogar steuerfrei. Wer eine Sammlung von Streichinstrumenten vererbt, die der Allgemeinheit dient, kann zudem weitere Steuervorteile nutzen (siehe Text „Historische Streichinstrumente und der Fiskus“ ganz unten).

Der Gedanke, in historische Streichinstrumente zu investieren, ist nicht neu. Doch die Nutzung für ein ganzes Orches­ter, wie Kent Nagano es plant, gab es bisher nicht: „Anleger können so gemeinsam in einen noch zu schaffenden Bestand von 25 hochwertigen, klanglich außergewöhnlichen Instrumenten investieren, über den das Philharmonische Staatsorchester leihweise verfügen kann“, erzählt Reister.

Rund 20 Millionen Euro wird das Gesamtinvestitionsvolumen betragen. Wie bei jedem Investment gibt es auch für dieses eine Exit-Strategie: „Frühestens nach fünf Jahren“, sagt Reister. Für das Staatsorchester würde das bedeuten, dass dann neue Instrumente benötigt würden. Deshalb ist auch eine Verlängerung vorgesehen. „Wir als Orchester sind an einer beständigen Partnerschaft interessiert und freuen uns, wenn wir Mäzene finden, die unsere Liebe zur Musik teilen“, bestätigt Naga­no.

Die Idee klingt gut. Doch es gibt auch Risiken. Vor allem müssen Preis und Qualität beim Einkauf stimmen. Wie schwer es ist, den Wert eines historischen Streichinstruments richtig einzuschätzen ist, zeigt ein Beispiel: Im Jahr 2014 sollte die 1719 von Stradivari geschaffene Bratsche „Macdonald“ vom Auktionshaus Sotheby’s für 45 Millionen Dollar versteigert werden. Da nur noch elf dieser Instrumente, aber mehrere Hundert Geigen von Stradivari erhalten sind, schien dieser Preis realistisch. Tatsächlich aber fand sich kein Käufer. „Eines der großen Probleme ist die Intransparenz des Markts. Sehr viele Top-Instrumente werden heute privat verkauft. So lassen sich die erzielten Preise nicht nachverfolgen“, erklärt Experte Tim Ingles.

Um sich einen realistischen Marktüberblick zu verschaffen, empfiehlt Christian Reister die nach ihrem Herausgeber benannte „Fuchs-Taxe“: Sie ist eine seit 1907 geführte Auflistung von Preisen, die für historische Geigen in der Vergangenheit erzielt wurden.

Mindestens genauso wichtig – und schwierig – ist die Einordnung der Qualität: Sie ergibt sich aus dem Zustand, der Provenienz, wem der Instrumentenbau zugeschrieben wird, dem Alter, der Schaffensperiode des Instrumentenbauers, dem Klang, den Vorbesitzern – wer hat’s gespielt, wer hat’s besessen. „Die umfassende Dokumentation der Originalität ist unerlässlich. Wer kaufen will, sollte sich Echtheitszertifikate, CT-Scans, Wertgutachten und dendrochronologische Gutachten vorlegen lassen“, rät Reister, „denn diese Unterlagen wird ein potenzieller Käufer später auch vom heutigen Investor verlangen.“

In den Dokumenten und Zuschreibungen selbst lauern ebenfalls Fallstricke. „Aus der Schule eines bestimmten Geigenbauers heißt nicht, dass es der Geigenbauer selbst war. Deshalb gilt: keine Kompromisse bei den Dokumenten und diese ganz genau lesen“, sagt Reister. 

Nicht zuletzt ist auch die Qualität der Restauration bedeutend. Schließlich sind historische Instrumente so gut wie immer restauriert. „Der Hals ist oft nicht mehr das Original, Korpus und Schnecke sollten aber zumindest vom gleichen Geigenbauer erstellt worden sein. Ein ausführlicher Zustandsbericht von unabhängigen Fachleuten ist in diesen Fällen besonders relevant.“

Historische Streichinstrumente – zu den bedeutenden Geigenbauern gehören Guarneri del Gesù, Antonio Stradivari, Guadagnini, Bergonzi, Guarneri, Montagnana, Amati und Grancino, aber auch Meister wie Gagliano und weitere – sind meist nicht unter 250000 Euro zu bekommen. Und auch zeitgenössische Geigen der Spitzenklasse können eine gute Wertanlage sein. Das nötige Investment liegt dann zwischen 45000 und 80000 Euro – gefragt sind beispielsweise Instrumente von Stefan-Peter Greiner, Martin Schleske, Alessandro Ciciliati oder Francesco Toto. 

Tim Ingles möchte Investoren aktuell vor allem für Geigen aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert begeistern: „Insbesondere bei qualitativ hochwertigen italienischen und französischen Instrumenten sehe ich das größte Wertsteigerungspotenzial.“ Zu seinen Favoriten gehört der französische Geigenbauer Jean Baptiste Vuillaume: „Als ich 1994 meine Karriere bei Sotheby’s begann, wurden seine Geigen für rund 30000 Pfund, sehr selten für 40000 Pfund versteigert. Heute bringen sie regelmäßig 150000 Pfund. Auf einer unserer Auktionen im Oktober 2020 konnten wir einen neuen Rekordpreis von 312000 Pfund erzielen.“ Weniger überzeugt ist er von den meisten anderen Geigenbauern aus Frankreich und Deutschland, die Anfang des 20. Jahrhunderts arbeiteten: „In den vergangenen 27 Jahren, die ich im Geschäft bin, haben sie kaum Wertsteigerungen erzielt.“

Für Privatanleger, die die Auswahl einem Experten überlassen möchten, wird Reisters Dienstleistung so noch interessanter. „Ich finde nicht nur die passenden Instrumente für Investoren, sondern stelle Mäzenen auch talentierte Nachwuchsmusiker vor, die von Professoren oder berühmten Dirigenten empfohlen werden. Und bei Orchester-Projekten wie dem von Maestro Nagano denke ich gerade über eine neue Investitionslösung nach, vielleicht sogar via Tokenisierung“, verrät er und schmunzelt: „Das wäre doch charmant – in Instrumente von gestern mit der Technik von morgen zu investieren.“ ®

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Historische Streichinstrumente und der Fiskus.

„Investments in historische Streichinstrumente sind auch unter steuerlichen Aspekten interessant“, erläutert Philipp Windeknecht, Rechtsanwalt und Steuerberater bei Flick Gocke Schaumburg, und nennt die Details:

// 01. Einkommensteuer

Meist werden die Streichinstrumente im steuerlichen Privatvermögen gehalten. Ein Verkaufsgewinn ist daher nur dann steuerpflichtig, wenn Erwerb und Veräußerung innerhalb eines Jahres erfolgen. Die Spekulationsfrist verlängert sich auf zehn Jahre, wenn aus der Nutzung der Instrumente steuerbare Einkünfte gezogen worden sind. Das ist bei entgeltlicher Vermietung der Fall. Der Verkauf von Teilen einer größeren langfristig gehaltenen und/oder geerbten Instrumentensammlung ist nicht steuerwirksam, da es nicht zur Annahme eines Gewerbebetriebs kommt. Eine „Drei-Objekte-Regel“ wie bei Immobilien, existiert ebenfalls nicht.

// 02. Erbschaft- und Schenkungsteuer

Grundlage für die Besteuerung ist der im Vergleichswertverfahren ermittelte Händlereinkaufspreis zum Stichtag. Dieser Wert wird um die vom Verkäufer bei Auktionen zu tragenden Kosten wie Abgeld, Verkäuferkommission, Transport, Versicherung, Marketing und Illustrationskosten verringert.

Das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz sieht eine (teilweise) Steuerbefreiung für Kulturgüter vor, unter die auch historische Streichinstrumente fallen können. Die kleine Befreiung (60 Prozent) gilt für wissenschaftliche Sammlungen – das können auch historische Streichinstrumente sein. Sie zeichnen beispielsweise die historische Entwicklung des Streichinstrumentenbaus nach. Aufgrund des äußerst kleinen Markts wird bereits bei einer Handvoll exklusiver Instrumente von einer Sammlung ausgegangen.

Weitere Voraussetzungen: Die Erhaltung des Kulturguts muss wegen ihrer Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft im öffentlichen Interesse liegen. Und die jährlichen Kosten sollten die erzielten Einnahmen übersteigen. Das Instrument muss sich zudem überwiegend innerhalb der EU oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums befinden und für mindestens zehn Jahre dort verbleiben. Eine dauerhafte Verwahrung in einem Drittland, wie beispielsweise in der Schweiz, ist steuerschädlich. Der Einsatz des Instruments auf Konzertreisen weltweit ist hingegen steuerunschädlich.

Ferner muss der Instrumentensammler zum Abschluss eines Leihvertrags bereit sein. Darin ist die pflegliche Behandlung der Instrumente durch Verleiher wie durch Entleiher ebenso vorzusehen wie die konservatorisch einwandfreie und sichere Aufbewahrung und Pflege. Kulturgüter, die sich seit mindestens 20 Jahren im Familienbesitz befinden oder in ein Verzeichnis national wertvollen Kulturguts nach § 7 Abs. 1 Kulturgutschutzgesetz eingetragen sind, kommen in den Genuss der großen Steuerbefreiung von 100 Prozent. Diese Voraussetzung wird für jedes Instrument der Sammlung einzeln geprüft und die Steuerbefreiung entsprechend gewährt.

// 03. Der Erbfall

Ist der Erbfall eingetreten, können die Erben die oben genannten Voraussetzungen innerhalb von sechs Monaten nachträglich erfüllen. Aber: Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn die Instrumente innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb (Todestag beziehungsweise Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung) vom Erben verkauft werden oder die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung innerhalb dieses Zeitraums entfallen.

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Autorin: Yvonne Döbler

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