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  • Yvonne Döbler, Gerd Hübner, Klaus Meitinger

Techceleration.

(Geschätzte Lesezeit: 4 - 7 Minuten)

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Disruption. Die Innovationsgeschwindigkeit in Wirtschaft und Gesellschaft nimmt dramatisch zu. Die Lerbacher Runde analysiert den Technologieboom und zeigt, wie Investoren davon profitieren können.

„Das Start-up ADA Health hat eine App entwickelt, die Krankheitssymptome checkt“, erzählt Kai-Arne Jordan vom VC-Investor Cumberland, „sie zu nutzen ist genauso, als würden gleichzeitig 120 Fachärzte eine Anamnese durchführen und über 1000 Krankheiten abklären – während ein normaler Hausarzt nur 50 bis 60 Krankheitsbilder kennt.“

Willkommen in der neuen digitalen Welt. Drohnen liefern bald schon eigenständig Waren aus. Roboter bringen sich ihre Tätigkeiten in der Produktion selbst bei. Präzise und gezielte Eingriffe in das Erbgut von Pflanzen, Tieren und Menschen revolutionieren Landwirtschaft und Medizin. Und Digital Health verändert das Gesundheitswesen von Grund auf.

Der Treiber all dieser Entwicklungen werden Daten sein. „Einer Merrill-Lynch-Studie zufolge nutzen wir erst ein Prozent aller weltweit verfügbaren Daten. Bis 2025 sollen es 37 Prozent sein. Und die gespeicherte Datenmenge wird sich parallel dazu vervielfachen“, informiert Ralf Mielke, Bank Julius Bär. „Wir werden deshalb technologische Fortschritte erleben, die wir uns heute kaum vorstellen können“, vermutet Jörg Rahn, Wirtgen Invest. Die Konsequenz für Anleger sei glasklar: „In einer Welt, in der die Wachstumsraten generell abnehmen, müssen Investoren dort übergewichtet sein, wo Wachstum herrscht. Und das ist eindeutig der Technologiesektor“, sagt Michael Winkler, St. Galler Nationalbank.

Wo finden Anleger dann die nächste Amazon, Alphabet, Microsoft oder Apple?

„Das ist extrem schwer“, macht Christian Jasperneite, Warburg Bank, deutlich: „Gerade beim Thema Disruption ist es schwer, zu erkennen, wo der nächste Durchbruch kommt. Wer disruptive Firmen finden will, muss mit neuen Ansätzen arbeiten. Wir haben uns die Analystenschätzungen für Bilanzkennzahlen einmal genauer angesehen. Und tatsächlich bestimmte Muster entdeckt, die typisch für disruptive Entwick­lungen sind. Die Schwarmintelligenz unter den Analysten lässt sich so nutzen, um zu erkennen, wo etwas los ist. Das ist dann ein guter Hinweis, um genauer nachzusehen.“

„Wir nähern uns dem Tech-Thema über die Auswahl der Manager“, erläutert Stephan Jäggle vom MSR Family Office, „vor fünf Jahren haben wir einen Fonds analysiert, der auch Experten ohne Kapitalmarkterfahrung im Team hatte. Ein so genannter Disruptive Manager im Team beschäftigt sich mit der Frage, welche Unternehmen und Branchen in fünf Jahren überhaupt noch gebraucht werden und arbeitet so dem Fondsmanager zu, der die Firmen nach klassischen Bewertungskennziffern analysiert. Das finde ich spannend – Kapitalmarktexpertise mit Fachwissen zu verbinden.“

„Dabei gilt es aber, vorsichtig sein“, mahnt Jasperneite, „wenn die Technik-Experten in den Gremien das letzte Wort bei der Anlage haben, wird es riskant. Denn sie tun sich in der Regel schwer damit, einzuschätzen, ob die betrachtete Technologie auch unternehmerische Relevanz hat. Manchmal ist der Umsatzanteil zu gering, die Zeit ist noch nicht reif für ein erfolgreiches Geschäftsmodell oder die positiven Perspektiven sind schon im aktuellen Aktienkurs eingepreist.“

So faszinierend die Hoffnung auch ist, in einer Frühphase im nächsten Multimilliarden-Dollar-Unternehmen investiert zu sein, raten die Profis doch dazu, dies eher als die Sahne auf dem Technologiekuchen zu betrachten. „Die Frage ist ja immer, ob die kleinen Firmen die guten Ideen tatsächlich ökonomisch erfolgreich umsetzen können. Erfahrungsgemäß scheitern eben sehr viele daran“, erläutert Ulrich Voss, Tresono Family Office, „nicht umsonst gibt es neben der Idee vom first mover advantage auch den Spruch: The second mouse gets the cheese.“

Zunächst gelte es für Anleger, ein Basis-Investment in diesem Bereich aufzubauen. „Der einfachste Weg dazu ist ein passives Engagement über ETFs auf verschiedene Technologie-Indizes“, erklärt Michael Winkler, „diejenigen Firmen, die sich durchsetzen, werden stark wachsen und in den Indizes ein immer größeres Gewicht bekommen. So sind Investoren automatisch und relativ kostengünstig bei den Gewinnern dabei.“ „Ich würde dann gleich in die jeweiligen Branchenführer investieren“, ergänzt Ralf Mielke und erklärt: „Die höchste Wertschöpfung wird ja tatsächlich am Anfang realisiert. Die großen Firmen haben Kapital, Know-how und Kunden. Sie können beurteilen, was funktioniert, und sind in der Lage, neue Ideen über ihre bestehenden Strukturen zu monetarisieren. Deshalb kaufen sie auch jede gute Idee für (fast) jeden Preis auf. Wer in die Marktführer investiert, hat indirekt auch einen Fuß in den kleinen, disruptiven Firmen – aber ohne das Totalausfallrisiko.“

„Besonders wichtig ist dabei der internationale Ansatz“, erläutert Jäggle, „in Europa ist der Anteil der Technologieaktien an den Aktienmärkten sehr gering, während er an der Wall Street, in China und in Südostasien zwischen 25 und 30 Prozent der Marktkapitalisierung ausmacht. Speziell die Chinesen denken viel mehr in Quantensprüngen. Da spielt die Musik.“ „Alle datenbasierten Techniken können wir in Europa aufgrund der Datenschutzbestimmungen gar nicht umsetzen. In China sind in gestreamten Filmen zum Beispiel individualisierte Produktplatzierungen möglich mit der Option, auf Gegenstände zu klicken und direkt zu bestellen. Da haben wir komplett den Anschluss verloren“, nickt Voss.

„Und nicht nur dort“, merkt Jasperneite an: „Wir errechnen für 1800 Unternehmen weltweit einen Disruptionsscore. Im unteren Viertel finden sich derzeit ganz viele deutsche Firmen. Das ist schon sehr bedenklich.“

„In einzelnen Fällen kann dies aber auch eine Chance sein“, überlegt Jörg Rahn: „Es wird künftig im Private-Equity-Sektor Manager geben, die sich darauf spezialisieren, die Vorteile der Digitalisierung auf etablierte Unternehmen zu übertragen. Wenn sie es schaffen, diese Firmen so zu verändern, dass sie Anwender der neuen Technologien werden, lässt sich bestimmt eine Menge Geld verdienen. Diese Transformation wird aber wahrscheinlich nur in privaten Unternehmen funktionieren. Deshalb ist Private Equity eine intelligente Beimischung, um in das Technologiethema zu investieren.“

Dazu könne dann natürlich auch noch ein kleiner Schuss Risikokapital kommen. „Klienten, die zehn Prozent ihres Vermögens in Private Equity investieren, haben rund ein bis zwei Prozent in Venture-Capital-Fonds“, rückt Jäggle die Relationen zurecht.

„Um dort erfolgreich zu sein, ist allerdings ein sehr gutes Netzwerk nötig. Nur so bekommen Anleger Zugang zu den besten US-amerikanischen und israelischen Firmen“, macht Voss klar und folgert: „In der Regel dürfte deshalb der Weg über einen VC-Dachfonds der vielversprechendere Ansatz sein als das Direktinvestment.“

„Auch dieser Bereich wird sich aber in Zukunft komplett ändern“, vermutet Kai-Arne Jordan, „der Trend der Zukunft ist es, den privaten Kapitalmarkt über Blockchain-Technologien zugänglich zu machen. In Liechtenstein und der Schweiz sind im Gesellschaftsrecht schon Änderungen für die Ausgabe von sogenannten ,Security Token‘ als Ersatz für Aktien möglich.“

In drei bis fünf Jahren werde sich jeder Einzelne so einfach an Privatunternehmen beteiligen können, wir er heute Aktien über die Börse kaufe. „Das könnte dann – vielleicht gerade noch rechtzeitig – für den dringend nötigen Innovationsschub in Europa sorgen“, macht Jordan klar und schließt: „Wir müssen dazulernen. Investoren aus dem Silicon Valley fragen ihre Start-ups nicht nach Renditen. Da geht es nur um eines – ,sag Bescheid, wenn du mehr Kapital brauchst, um groß zu werden.‘ Die Einstellung haben wir einfach nicht. Aber wenn wir unser Engagement nicht massiv erhöhen, werden wir von China und den USA überrollt.“

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Anlagen für die Zeit der Techceleration.

Die Redaktion von private wealth hat Anlagen identifiziert, die zu einem anhaltenden Technologieboom passen. Dies sind Ideen für das Gespräch mit Ihrem Anlagebrater, keine Anlageempfehlungen.

// Aktien: Alibaba, Alphabet, Amazon, Apple, Baidu, Booking.com, Facebook, Microsoft, Paypal, Prosus, Salesforce, SAP, Tencent

// Aktive Fonds: AXA Framlington Digital Economy (LU1684370999), DNB Technology Fonds (LU1376267727), Medical BioHealth Fonds (LU119891520), Morgan Stanley Global Opportunities (LU0552385295), Pictet Robotics (LU1279334210), Polar Capital Global Technology Fund (IE00B433M743), Robeco Global FinTech Equities (LU1700711077)

// ETFs: Amundi STOXX Global AI (LU1861132840), ComStage STOXX Europe 600 Technology (EU0009658939), iShares Nasdaq 100 (DE000A0F5UF5), iShares Automation & Robotics (IE00BYZK4552), iShares Digital Security (IE00BG0J4C88)

// Private-Equity-Fonds und VC-Fonds: EQT Partners AB, Industry Ventures, Lakestar, Isomercapital

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Autoren: Yvonne Döbler, Gerd Hübner, Klaus Meitinger

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