Die Gerechtigkeitsdebatte.

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Deutschland befindet sich mitten in einem Boom. Unternehmensgewinne, Löhne und Einkommen steigen. Dennoch dominieren negative Schlagzeilen. Nur Vermögende würden vom Aufschwung profitieren. Das sei ungerecht und müsse geändert werden.

Im Durchschnitt, so das DIW Berlin, sind die gesamten Netto-Haushaltseinkommen von 1991 bis 2014 nach Inflation gestiegen.Die Zuwächse bei den mittleren Einkommen lagen über acht Prozent. Auch diesen Personen geht es also heute besser. Das Plus der einkommensstärksten zehn Prozent betrug allerdings 27 Prozent. Ist das ungerecht? Oder gibt es dafür nachvollziehbare Gründe? Einkommen hat immer auch viel mit Qualifikation zu tun. Mit Risikobereitschaft. Und mit Engagement. Auf den folgenden Seiten stellen wir Ihnen Unternehmer vor, die ihre Ersparnisse riskiert haben und fast ausschließlich für ihr Unternehmen leben. Ist es nicht in Ordnung, wenn deren Einkünfte im Erfolgsfall deutlich stärker steigen als die von Angestellten? Der Risikoaspekt wird auch bei Kapitaleinkommen und der Entwicklung von Vermögen oft übersehen. Viele Bundesbürger scheuen das Aktienrisiko. Hätten sie seit 1991 nur 100 Euro monatlich in den DAX investiert, wären daraus 95000 Euro geworden. Ist es ungerecht, wenn das Vermögen von Menschen stärker wächst, die unternehmerisch investieren statt risikolos anzulegen?

Schwierig ist allerdings die Lage der untersten zehn Prozent. Sie erlitten von 1991 bis 2014 vor allem aufgrund der Ausweitung des Niedriglohnsektors reale Einkommenseinbußen um acht Prozent. Dieses Problem lässt sich kaum mit noch mehr Umverteilung lösen. Stattdessen geht es um Qualifizierung. Um mehr Chancengleichheit. Und darum, die Schwerpunkte der Sozialpolitik zielgenau auf die wirklich Bedürftigen auszurichten. Insgesamt ist unser Gemeinwesen jedenfalls nicht unsozialer geworden. Im Gegenteil: Die Summe aller Sozialleistungen stieg in diesem Zeitraum relativ zum Sozialprodukt um fast 20 Prozent – von 25,0 auf 29,1 Prozent.

Sie sehen – das mit der Gerechtigkeit ist nicht so einfach. Ärgerlich wird es, wenn das Thema im Wahlkampf missbraucht wird. Gute Politik wäre es, im aktuellen Boom angesichts der demografischen Zeitbombe Rücklagen in den Sozialsystemen zu bilden. Stattdessen verteilen die Wahlkämpfer unter dem Deckmantel von mehr Gerechtigkeit Geschenke an ihre Klientel. Die Rechnung dafür wird in zehn Jahren fällig. Doch dann genießen diese Politiker ihre – gerechte? – Pension.

Herzlichst,

unterschrift-kmKlaus Meitinger
Chefredakteur

unterschrift-eckesMoritz Eckes
Herausgeber