"Wir fordern eine Kehrwende."

(Geschätzte Lesezeit: 2 - 3 Minuten)

A letter from … Marcus Vitt, Vorstandssprecher bei Donner & Reuschel, Edmund Stoiber, Peer Steinbrück, Günther Oettinger, Hans-Werner Sinn, Wolfgang Reitzle und vielen mehr.

Die jahrelang betriebene ultraexpansive Geldpolitik der EZB hat die wirtschaftliche Entwicklung in einer Reihe von Mitgliedsstaaten der Währungsunion kurzfristig stabilisiert. Unübersehbar sind jedoch die langfristigen Risiken, die mit dem massiven Geldüberhang einhergehen.

// 01. Die Anzeichen für eine zunehmende Inflation mehren sich. Will die EZB ihrem Preisstabilitätsziel gerecht werden, müsste sie über kurz oder lang die Staatsanleihekäufe rückabwickeln und die Zinsen behutsam erhöhen. Das könnte in den betroffenen Mitgliedsstaaten schwere Verwerfungen für die Staats- und auch für die Banken­finanzierung auslösen, wenn sie sich nicht durch entschlossene Bemühungen zur Konsolidierung ihrer Budgets frühzeitig darauf einstellen. Lässt die EZB die Inflation hingegen laufen, wären massive gesellschaftliche Verwerfungen und Verteilungsdisparitäten die Folge. Das birgt sozialen Sprengstoff und könnte zu weiterer politischer Polarisierung führen.

// 02. Dauerhafte Negativzinsen der EZB verfestigen nicht mehr wettbewerbsfähige wirtschaftliche Strukturen und verringern den Anreiz für die EU-Staaten, durch strukturelle Reformen ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.

// 03. Mittlerweile hat sich eine Anspruchshaltung verfestigt, dass der Staat alle wirtschaftlichen Risiken abzudecken habe. Selbstverantwortung und der marktwirtschaftliche Auswahlprozess treten zurück. Die erfolgreiche deutsche Soziale Marktwirtschaft wird ausgehebelt.

// 04. Das „Rundum-sorglos-Paket“ der EZB entmündigt die Politik, indem es die notwendige politische Prioritätensetzung in der Ausgabenpolitik untergräbt und damit letztlich zu finanzieller Überdehnung der Staaten führt.

// 05. Das europäische Bankensystem wird geschwächt.

// 06. Die EU-Kommission nimmt erstmals in großem Stil Schulden auf, die von den Mitgliedsstaaten gemeinsam garantiert werden. Sollten diese nicht eine einmalige Ausnahme bleiben, wird der Zusammenhalt in der EU gefährdet. Gemeinschaftshaftung führt zu Auseinandersetzungen zwi­schen „armen“ und „reichen“ Staaten.

Um diesen Gefahren wirksam begegnen zu können, erwarten wir von der künftigen Bundesregierung:

// 01. ein Konzept, das eine schrittweise Rückführung der Neuverschuldung und die Wiedereinhaltung der verfassungsmäßigen Schuldenbremse vorsieht, sobald die konjunkturelle Lage es erlaubt.

// 02. eine nationale Wachstumsstrategie, ein Belastungsmoratorium für Firmen und Bürger, eine international wettbewerbsfähige Steuerpolitik, eine an marktwirtschaftlichen Prinzipien orientierte Klimaschutzpolitik sowie Investitionen in Forschung, Bildung und Infrastruktur.

// 03. dass sie die Einhaltung der Europäischen Verträge verlangt, insbesondere der „No Bail-out“-Klausel und des Verbots der monetären Staatsfinanzierung.

// 04. sich dafür einzusetzen, dass der Europäische Wie­deraufbaufonds einmalig auf die Überwindung der Corona-Krise beschränkt bleibt. Diese Schulden sind auch nicht erst bis 2058 zurückzuzahlen, sondern deutlich früher.

// 05. auch von anderen Staaten der Eurozone eine Reformagenda zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit einzufordern und sich für eine Reform des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts einzusetzen.

Wir erwarten von der Europäischen Zentralbank:

// 01. dass sie sich auf ihre Kernaufgabe der Sicherung der Preisniveaustabilität konzentriert. Sie muss klarstellen, dass sie willens ist, das Volumen der Staatsanleihekäufe schrittweise zu senken und nach Überwindung der Krise den Bestand und die aufgeblähte Geldmenge zu reduzieren.

// 02. dass sie bis dahin die Staatsanleihekäufe nach dem Kapitalschlüssel der nationalen Zentralbanken ausrichtet und nicht bestimmte hoch verschuldete Länder bevorzugt.

// 03. dass sie klar über die Risiken der Geldpolitik informiert – das Inflationspotenzial, das sich schon jetzt bei den Vermögenspreisen zeigt, aber auch die negativen Auswirkungen auf Spareinlagen und Altersvorsorge.

// 04. dass sie auf die bevorzugte Behandlung „grüner“ Unternehmensanleihen verzichtet. Die Bewältigung des Klimawandels ist Sache der Politik, nicht der EZB.       ®