Wird 2021 ein Top-Aktienjahr?

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0802 BullenLiebe Leserinnen und Leser,

wir haben im vergangenen Monat ein Dutzend Jahresausblicke von Banken und Vermögensverwaltern virtuell besucht. Die Quintessenz ist eindeutig: In diesem Jahr rechnen die Auguren mit einer massiven Konjunkturerholung, mit steigenden  Inflationsraten und trotzdem weiterhin ultraexpansiver Geldpolitik. Was bedeutet dies für die Anlagestrategie?

Am Beginn seines Jahresausblick 2021 befragt Neuberger Berman in jedem Jahr die Zuhörer, welche Anlagekategorie im kommenden Jahr am besten abschneiden wird. Diesmal war die Sache klar. 74 Prozent – so viel wie nie in den letzten fünf Jahre – wählten die Aktie.

Das wundert uns nicht. Das Basis-Szenario aller Experten – Konjunkturaufschwung bei weiter extrem niedrigen Zinsen – ist ein Rezept für weitere Kurssteigerungen. Mittlerweile werden deshalb auch in vielen Häusern die Kursziele im DAX für dieses Jahr in Richtung 15000 Punkte erhöht.

Natürlich wiesen alle Experten auch auf Risiken hin. Am häufigsten wurde dabei ein Rückschlag bei der Konjunktur im Zusammenhang mit steigenden Infektionszahlen, Mutationen und schleppenden Impfungen genannt. „Aber selbst in diesem Fall würde die Politik einen Puffer bieten“, überlegt César Perez Ruiz, CIO bei Pictet: „Denn dann würden die Regierungen noch stärker fiskalisch unterstützen und die Notenbanken würden noch mehr Gas geben.“

Weil viele Anleger Sorge haben, dass die Bewertungen schon zu hoch sind und bald korrigiert werden müssen, wurde dieses Thema auch adressiert. Tatsächlich sind viele Aktienmärkte, gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis, so hoch bewertet wie es seit der Dot-Com-Blase nicht mehr. Dieser Vergleich – so die Experten – sollte allerdings nicht isoliert gezogen werden. „Der wesentliche Unterschied von damals zu heute ist das Zinsniveau Damals betrug die Rendite für 10jährige US-Staatsanleihen rund sechs Prozent, für Bundesanleihen etwa fünf Prozent,“ informiert Carsten Klude, Chef-Volkswirt bei M.M.Warburg & Co.  Heute dagegen sind es ein Prozent und Minus 0,5 Prozent. „Die Bewertungen sind hoch, aber nicht extrem – und angesichts des neuen Zins-Ära angemessen,“ folgert Michael Heise, HQ Trust.

 „Entscheidend ist nun, dass die Gewinne wirklich so kommen wie erwartet. Die Unternehmen müssen liefern“, macht Georg von Wallwitz, Eyb und Wallwitz klar. Schauen wir uns deshalb die Prognosen genauer an. Die US-Firma FactSet erfasst weltweit Daten von rund 600 Banken, Brokern und Börsenbriefen zu über 17000 Unternehmen aus über 55 Ländern. Diese werden als so genannte Consensus-Schätzungen veröffentlicht und spiegeln ganz gut wieder, was „der Markt“ denkt und was deshalb in den aktuellen Aktienkursen auch in etwa eingepreist sein sollte.

In den nächsten beiden Jahren geht die Investmentgemeinde von einem steilen Gewinnanstieg aus. Die Erträge – bezogen auf die großen Indizes DAX, S&P 500, und Nikkei 25 – sollen im Jahr 2022 zwischen 19 und 29 Prozent über den Gewinnen des Jahres 2019 und damit auch wieder über den Rekordwerten aus dem Jahr 2018 liegen. 

Auf Basis dieser geschätzten 2022er Erträge – und darauf werden sich die Anleger im zweiten Halbjahr 2021 konzentrieren – liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis des DAX aktuell bei 13,5, im S&P 500 bei 19,7 und im Nikkei bei 19,8. Das ist angesichts ultra-niedriger Zinsen gar nicht so viel und ließe – vor allem beim DAX – perspektivisch Raum für weitere Kurssteigerungen. „Ein erheblicher Teil der Aufwärtsbewegung an den Aktienmärkten ist zwar schon vorweggenommen. Aber es ist noch Luft nach oben, weil die Wirtschaftsentwicklung sehr positiv sein wird“, folgert Holger Schmieding, Bankhaus Berenberg.

Die entscheidende Frage lautet: Sind die sehr optimistischen Gewinnerwartungen tatsächlich realistisch? Die Profis sind da zuversichtlich. „Die Firmen haben schnell und radikal ihre Kostenbasis reduziert und die digitale Transformation beschleunigt. Wenn jetzt das Umsatzwachstum kommt, ist der Hebeleffekt auf die Gewinne enorm“, erklärt Guilleaume Brisset von Clarton Associèes. 

Was die Branchen angeht, setzen die Experten nun stärker auf konjunkturzyklische Unternehmen und Firmen, die von höheren Inflationsraten profitieren – Industrie, Materialien, Rohstoffe, Konsumgüter. „Ein sehr großes Thema werden auch nachhaltige Aktien sein“, ergänzt Maximilian Kunkel, CIO der UBS: „Jedes Jahrzehnt hat sein Akronym. In den 1990ern war es TMT, in den 00er Jahren BRIC, ab 2010 FANG. Im nächsten Jahrzehnt wird es ESG sein.“

Favorisierte Regionen sind Deutschland, Europa und vor allem Asiens Emerging Markets inklusive China. „Positiv für die asiatischen Schwellenländer ist, dass sie die zweite Infektionswelle gut überstanden haben. Der Wachstumsabstand zu den entwickelten Ländern ist groß geworden, die Ertragsperspektiven stimmen und die Währungen sind auf einem historischen Tief im Vergleich zum Dollar“, zählt César Perez Ruiz die Argumente auf.

Donald Amstad, Aberdeen Standard Investments, bricht eine Lanze für Chinas A-Aktien. Erstens sei der Aufstieg vieler Chinesen in die Mittelklasse mittlerweile unaufhaltsam. 570 Millionen mit einem aktuellen Jahreseinkommen zwischen 10000 und 30000 Dollar seien auf dem Weg dorthin. Und zweitens brauche China dringend eine echte Aktienkultur, um mithilfe von Dividenden mittelfristig das Rentenproblem einer alternden Bevölkerung zu lindern. Also werde das Land seine Kapitalmärkte weiter zügig öffnen. Die Bedeutung chinesischer Aktien in den großen, weltweiten Aktienindizes werde deshalb weiter zunehmen. „Heute haben China-Aktien im MSCI AC World Index nur ein Gewicht von 4,2 Prozent. Die USA dominieren mit 55,6 Prozent. Dieses Verhältnis wird sich in Zukunft signifikant verändern. Anleger sollten deshalb jetzt in China investieren,“ meint Amstad

Das klingt alles ziemlich vielversprechend. Sollte das, in Teil Eins unserer kleinen Serie skizzierte, positive Konjunkturszenario Realität werden, ist sogar eine Überraschung möglich.

Machen Sie mit uns ein kleines Gedankenspiel. Angenommen, in der zweiten Hälfte des Jahres kommt tatsächlich der weltweit synchronisierte Konjunkturboom und die Inflationsraten steigen über drei Prozent. Da die Leitzinsen trotzdem bei Null bleiben, verliert „Geld“ zum ersten Mal seit Beginn der monetären Expansion massiv an Kaufkraft – drei Prozent in nur einem Jahr.

Was werden dann diejenigen tun, die „Geld“ halten?

Weltweit summierten sich laut Stefan Riße, Acatis, die Zuflüsse in Geldmarkt- und Anleihefonds seit 2016 auf jeweils rund zwei Billionen Dollar. In Deutschland liegen aktuell 2,7 Billionen Euro in Bargeld und Sichteinlegen, im Rest von Europa sind dies sicherlich noch einige Billionen mehr. Weltweit bringen Anleihen im Wert von 17 bis 18 Billionen Dollar nur negative Renditen. Insgesamt ist also eine Menge Kapital vom Kaufkraftschwund betroffen.

Die gesamte Marktkapitalisierung der Aktienmärkte liegt aber weltweit nur bei rund 100 Billionen Dollar. Was würde passieren, wenn es tatsächlich im nächsten Jahr zu der oft schon angesagten großen Rotation von Sparkapital in Aktien käme? In einem Moment, wo eigentlich niemand seine wertvollen Aktien verkaufen möchte. Müssen dann vielleicht irgendwann ähnliche Bewertungen bezahlt werden wie für Wohnimmobilien in besten Lagen?

Das ist natürlich zunächst einmal nur eine Idee. Unrealistisch ist dieses Szenario aber nicht. 2021 könnte dann ein sehr lukrativer Aktienjahrgang werden.

Herzlichst,
Ihr

Klaus Meitinger

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